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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 02.09.2008
Aktenzeichen: X R 8/06
Rechtsgebiete: EStG, GewStG


Vorschriften:

EStG § 4 Abs. 4
EStG § 8 Abs. 1
GewStG § 7
1. Wird von einer Provision das Entgelt für Lose unmittelbar einbehalten, ist der Erwerb der Lose bereits Teil der Einkommensverwendung. Die Vorteile, die im Rahmen der Einkommensverwendung erworben werden, stehen mit der Einkommenserzielung in keinem steuerlich relevanten Sachzusammenhang.

2. Die Möglichkeit, bereits verdientes Geld im Rahmen einer betrieblichen Losveranstaltung einzusetzen, führt nicht zu Betriebseinnahmen.


Gründe:

I.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist selbständiger Bezirksleiter einer Bausparkasse (BSK). Gemäß § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelt er seinen Gewinn als Überschuss der Einnahmen über die Ausgaben.

Die BSK führte im Jahr 1996 in jedem Quartal eine "Wettbewerbsauslosung für akquirierende Außendienstmitarbeiter" durch. Nach den Spielregeln wurde für jeden vermittelten Bausparvertrag (nur) ein Los gewährt und es wurde 1 DM für die Auslosung einbehalten. Anfang 1997 erhielt der Kläger die Mitteilung der BSK, dass er bei der Auslosung des vierten Quartals 1996 aus 239 406 Losen den Hauptgewinn, einen BMW Z3 Roadster mit Sonderausstattung, gewonnen habe. Er verkaufte das Kfz noch im Jahr 1997 für 51 000 DM an eine dritte Person, zu der keine privaten Beziehungen bestanden.

Im Anschluss an eine Betriebsprüfung bei der BSK erfasste der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) zunächst einen nicht erklärten Entnahmegewinn von 57 800 DM. Nach erfolglosem Einspruch hat das FA während des Klageverfahrens, einem Hilfsantrag des Klägers folgend, den betreffenden Gewinn auf den Verkaufserlös von 51 000 DM abzüglich des Betrages von 150 DM für 150 Lose angesetzt und entsprechende Änderungsbescheide erlassen. Hiergegen wandte sich der Kläger mit der Begründung, er habe die Lose für je 1 DM gekauft und damit den betrieblichen Zusammenhang in der Weise durchbrochen, dass er den PKW nicht als Ergebnis seiner betrieblichen Tätigkeit, sondern als Ergebnis einer Losveranstaltung auf außerbetrieblicher Ebene gewonnen habe. Er verwies dazu auf §§ 762, 763 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) und auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 22. Juli 1988 III R 175/85 (BFHE 154, 218, BStBl II 1988, 995).

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab. Das FA habe den Gewinn des Klägers zu Recht um 50 850 DM (Veräußerungspreis von 51 000 DM abzüglich des für die Lose einbehaltenen Betrages von 150 DM) erhöht. Beruflich bedingte ausgeloste Gewinne seien steuerpflichtig.

Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts; das FG habe den Begriff der Betriebseinnahme unzutreffend ausgelegt.

Der Erhalt des Fahrzeuges sei nicht durch seine --des Klägers-- betriebliche Tätigkeit veranlasst. Das von dem FA angeführte BFH-Urteil vom 25. November 1993 VI R 45/93 (BFHE 173, 65, BStBl II 1994, 254) sei zu einem anders zu bewertenden Sachverhalt ergangen. Nach dem BFH-Urteil vom 15. Dezember 1977 VI R 150/75 (BFHE 124, 190, BStBl II 1978, 239) sei darauf abzustellen, ob der Losgewinn auf das Arbeitsverhältnis oder auf das der Verlosung innewohnende Zufallsmoment zurückzuführen sei. Die Einräumung der Gewinnchance sei noch kein Arbeitslohn. Auch sei das Los den Teilnehmern nicht unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden. Der Lospreis sei nicht lediglich ein symbolischer Wert gewesen; von den Einnahmen der BSK in Höhe von 239 406 DM sei lediglich ein Betrag von 160 000 DM ausgeschüttet worden. Dabei habe es sich um einen Losvertrag i.S. der §§ 762, 763 BGB gehandelt. Dieser Losvertrag, nicht die Handelsvertretertätigkeit bilde den Rechtsgrund für den Spielgewinn.

Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und in den angefochtenen Bescheiden den Gewinn um 51 000 DM herabzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Bei der Losveranstaltung habe es sich um keine offene Losveranstaltung gehandelt, sondern um eine betriebsintern veranstaltete Verlosung. Nur Vertreter hätten teilnehmen können. Die Gewinnchance habe nicht --aus eigenen Stücken-- erhöht werden können. Die Höhe der Gewinnchance sei für die betriebliche Veranlassung ohne Bedeutung.

II.

Die Revision ist begründet und führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Stattgabe der Klage. Entgegen der Auffassung des FG ist der Losgewinn nicht betrieblich veranlasst.

1. Gewerbeertrag ist gemäß § 7 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) der nach den Vorschriften des EStG zu ermittelnde und um die in §§ 8 und 9 GewStG bezeichneten Beträge korrigierte Gewinn aus Gewerbebetrieb, der in dem Erhebungszeitraum zu berücksichtigen ist. Der Gewinn aus Gewerbebetrieb ergibt sich im Fall der Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG durch eine Gegenüberstellung der Betriebseinnahmen und der Betriebsausgaben.

Betriebseinnahmen sind in Anlehnung an § 8 Abs. 1 und § 4 Abs. 4 EStG alle Zugänge in Geld oder Geldeswert, die durch den Betrieb veranlasst sind. Ein Wertzuwachs ist betrieblich veranlasst, wenn insoweit ein nicht nur äußerlicher, sondern sachlicher, wirtschaftlicher Zusammenhang gegeben ist. Von den Betriebseinnahmen zu unterscheiden sind Wertzugänge, deren Zufluss durch private Umstände veranlasst worden ist. Für die Beurteilung des Veranlassungszusammenhangs kommt es nicht auf die zivilrechtliche Rechtsgrundlage der Leistung an. Als betrieblich veranlasst sind nicht nur solche Einnahmen zu werten, die aus der maßgeblichen Sicht des Unternehmers Entgelt für betriebliche Leistungen darstellen. Es ist weder erforderlich, dass der Vermögenszuwachs im Betrieb erwirtschaftet wurde, noch, dass der Steuerpflichtige einen Rechtsanspruch auf die Einnahme hat. Betriebseinnahmen können auch vorliegen, wenn der Steuerpflichtige als Betriebsinhaber unentgeltliche Zuwendungen erhält, mit denen weder ein zuvor begründeter Rechtsanspruch erfüllt, noch eine in der Vergangenheit erbrachte Leistung vergütet werden soll (BFH-Urteil vom 14. März 2006 VIII R 60/03, BFHE 212, 535, BStBl II 2006, 650).

Führt ein Arbeitgeber im Rahmen des betrieblichen Vorschlagwesens eine Verlosung durch, an der alle Arbeitnehmer teilnehmen, die einen Verbesserungsvorschlag eingereicht haben, so sind die verlosten Sachpreise Arbeitslohn der jeweiligen Gewinner (BFH-Urteil in BFHE 173, 65, BStBl II 1994, 254).

2. Im Streitfall überwiegen die Gründe, die gegen eine betriebliche Veranlassung sprechen, so dass das Urteil des FG keinen Bestand haben kann.

a) Für eine betriebliche Veranlassung spricht, dass der PKW-Gewinn mit dem "Dienstverhältnis" in einem gewissen Zusammenhang stand: Die Losveranstaltung wurde von der BSK organisiert. Das Entgelt für die Lose wurde unmittelbar durch Kürzung der Provision einbehalten. An der Lotterie durften nur Betriebsangehörige teilnehmen. Für jeden Bausparvertrag gab es nur ein Los.

b) Andererseits ist aber vorrangig zu berücksichtigen, dass das Entgelt für die Lose von der bereits verdienten Prämie einbehalten wurde. Der Kläger verwendete damit sein Einkommen für den Erwerb eines Loses. Ebenso hätte der Kläger auch von einem anderen Lotteriebetreiber ein Los erwerben können. Der Erwerb des Loses ist bereits Teil der Verwendung des erzielten Einkommens. Der Gewinn stammte somit nicht aus finanziellen Mitteln der BSK. Der Vorgang der Einnahmeerzielung war bereits abgeschlossen; der Loserwerb hing insoweit nicht mehr mit der betrieblichen Gewinnerzielung zusammen. Insoweit wurde durch den Loserwerb eine neue Ursachenkette in Gang gesetzt; die Vorteile, die im Rahmen der Einkommensverwendung erworben werden, stehen mit der eigentlichen Tätigkeit und der Einkommenserzielung nicht mehr in einem steuerlich relevanten Sachzusammenhang.

c) Dass der verwendete Gewinn Ausfluss des Vertragsverhältnisses mit der BSK war, ist letztlich nicht entscheidend. Dem Arbeitnehmer bzw. dem einzelnen Mitarbeiter steht es grundsätzlich frei, wie er seinen Lohn bzw. sein Entgelt verwendet; so war auch der Kläger nicht gezwungen, an der Verlosung teilzunehmen. Damit war der Kläger in der Verwendung der Mittel für den "Loseinsatz" frei; die BSK hatte die Verwendung dieser Entgeltanteile bereits aus der Hand gegeben und die Verfügungsbefugnis insoweit verloren. Im Unterschied dazu wurden in dem Fall, der der Senatsentscheidung vom 2. September 2008 X R 25/07 (zur Veröffentlichung bestimmt) zugrunde lag, die Lose für die Erbringung bestimmter Umsatzleistungen gewährt; sie waren als Gegenleistung für betriebliche Leistungen einzuordnen.

d) Diese Beurteilung widerspricht nicht der Rechtsprechung des VI. Senats. Die Entscheidung in BFHE 124, 190, BStBl II 1978, 239 betraf interne Verlosungen, für die der Arbeitnehmer nichts aufzuwenden hatte und mit denen das Fehlen von Fehlzeiten prämiert wurde. Die daraus entstehenden Vorteile wendete der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer in Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis zu. Die Entscheidung in BFHE 173, 65, BStBl II 1994, 254 betraf eine Verlosung im Rahmen des betrieblichen Vorschlagwesens.

e) In der Entscheidung vom 19. Juli 1974 VI R 114/71 (BFHE 114, 28, BStBl II 1975, 181) erhielt ein Tankstellen-Lehrling für den Verkauf von Öl sog. Glücksmarken, die an einer Verlosung teilnahmen. Hier hätte ein Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis durchaus erwogen werden können, der VI. Senat stellte indes darauf ab, dass die Arbeitsleistung auf die Verlosungen keinen Einfluss gehabt habe.

Ähnlich liegen die Verhältnisse im Streitfall. Die Möglichkeit, bereits verdientes Geld im Rahmen einer betrieblichen Losveranstaltung einzusetzen, ist Einkommensverwendung; daraus resultierende Gewinne führen nicht zu Betriebseinnahmen.

3. Einkünfte i.S. des § 22 Nr. 3 EStG liegen ebenfalls nicht vor. Die (auch erfolgreiche) Teilnahme an einer Lotterie begründet keinen Leistungsaustausch (vgl. Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 27. Aufl., § 22 Rz 133, 150).

4. Den Umstand, dass der Kläger bei seinem Antrag nicht berücksichtigt hat, dass das FA die Aufwendungen für den Erwerb der Lose in Höhe von 150 DM abgezogen und deshalb den Gewinn lediglich um 50 850 DM erhöht hat, wertet der Senat als offensichtliches Versehen.

Ende der Entscheidung

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