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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 16.12.1998
Aktenzeichen: X R 90/95
Rechtsgebiete: EStG, FGO, HGB
Vorschriften:
EStG § 10e Abs. 6 | |
EStG § 10e Abs. 1 | |
FGO § 118 | |
FGO § 118 Abs. 2 | |
HGB § 255 Abs. 1 |
Gründe:
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurden als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
Durch notariellen Kaufvertrag vom 7. Juni 1990 erwarben sie ein Einfamilienhaus. Den Kaufpreis in Höhe von 230 000 DM hatten die Kläger bis spätestens 31. Dezember 1990 auf das Anderkonto des beurkundenden Notars einzuzahlen. Das Grundstück sollte ihnen am Tage der Hinterlegung des Kaufpreises auf dem Anderkonto "zum Besitz übergeben werden". Vom Tage der Übergabe an gingen alle Rechte und Nutzungen, öffentliche Lasten und Abgaben und die Gefahr des zufälligen Untergangs auf die Kläger über.
In § 3 des Kaufvertrages war folgendes geregelt:
"Der Verkäufer gestattet den Käufern, das Kaufobjekt einschließlich Grundstück bereits ab dem 1. Juli 1990 zu nutzen. Die Käufer verpflichten sich, ab 1. Juli 1990 bis zum 3. Werktag eines jeden Monats an den Verkäufer eine monatliche Nutzungsentschädigung in Höhe von 1 200 DM zu zahlen. Alle anfallenden Neben- und Verbrauchskosten einschließlich der Grundsteuer sind von den Käufern zu tragen und dem Käufer (richtig: Verkäufer) zu erstatten, soweit dieser in Anspruch genommen wird. Die Zahlungsverpflichtung entfällt am Tage der Hinterlegung des Kaufpreises auf dem Anderkonto des beurkundenden Notars.
Für den Fall, daß der Kaufpreis in einem laufenden Monat gezahlt wird, ist die Nutzungsentschädigung anteilig zu berechnen.
Die für das Kaufobjekt bestehenden Versicherungen hat der Verkäufer bis zur Eintragung der Eigentumsänderung in das Grundbuch in Kraft zu halten."
Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) zahlten die Kläger den Kaufpreis am 1. Januar 1991 und zogen am 1. Juni 1991 in das Gebäude ein.
In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1990 machten die Kläger Nutzungsentschädigungen für sechs Monate einschließlich der in diesem Zeitraum angefallenen Nebenkosten (insgesamt 9 460,19 DM) sowie Erhaltungsaufwendungen in Höhe von 4 947 DM als Vorkosten nach § 10e Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte nur die Erhaltungsaufwendungen.
Mit dem Einspruch trugen die Kläger vor: Sie hätten das Gebäude vor dem Einzug überwiegend in Eigenarbeit renoviert. Während der Renovierungsphase hätten sie ihrer Tochter und deren Verlobten vom 1. September 1990 an ein Zimmer unentgeltlich überlassen. Das Gebäude habe damals --mangels Fertigstellung der sanitären Anlagen-- noch nicht "ordentlich" genutzt werden können; es habe nur "ein Waschbecken mit kaltem Wasser und eine Toilette" gegeben. Auch sei noch keine Küche vorhanden gewesen; als Herd habe ein Campingkocher gedient. Die Kinder hätten bei der Renovierung geholfen und zugleich das Grundstück bewacht, weil ein unbewachtes, längere Zeit leerstehendes Gebäude den Verlust des Versicherungsschutzes nach sich gezogen hätte. Das Nutzungsentgelt habe eng mit den Renovierungskosten zusammengehangen und teile daher deren wirtschaftliches Schicksal. Außerdem habe die Nutzungsentschädigung Zinscharakter. Wäre der Kaufpreis schon zum 1. Juli 1990 fällig gewesen, wären statt der Nutzungsentschädigung Schuldzinsen von monatlich ca. 2 200 DM angefallen. Denn vor dem Verkauf ihres bisherigen Grundstücks hätten sie das neue Grundstück nicht finanzieren können. Das FA wies den Einspruch als unbegründet zurück.
Das FG wies die Klage ab. Nach seiner Auffassung sind die streitigen Aufwendungen nicht als Vorkosten nach § 10e Abs. 6 EStG abziehbar, weil es an einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Anschaffung fehle.
Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung des § 10e Abs. 6 EStG. Sie tragen im wesentlichen vor:
Ohne die Vereinbarung der Nutzungsentschädigung im Kaufvertrag vom 7. Juni 1990 wäre der Erwerb gescheitert. Sie hätten den Kaufpreis nicht bereits im Juli 1990 aufbringen können, weil sie zunächst ihr eigenes Grundstück hätten verkaufen müssen. Der Verkäufer habe hierfür Verständnis gezeigt, jedoch für den Zahlungsaufschub ein Entgelt gefordert. Das Nutzungsrecht habe zwar erhebliche Mehrkosten verursacht, sei jedoch günstiger als eine Bankfinanzierung gewesen und hätte ihnen auch ermöglicht, bereits im Jahr 1990 mit den Renovierungsarbeiten zu beginnen. Die Nutzungsentschädigung habe nicht nur Zinscharakter gehabt --als Kreditierung des Kaufpreises durch den Verkäufer--, sondern auch den Erwerb des Grundstücks gesichert. Unerheblich sei, wie die Zahlungsverpflichtung im Vertrag bezeichnet werde (Nutzungsentschädigung oder Entschädigung für Zinsnachteile). Der Zinscharakter der Entschädigung werde auch dadurch unterstrichen, daß laut Vertrag die Zahlungsverpflichtung bei Zahlung des Kaufpreises und nicht bei Übergang von Nutzungen und Lasten ende, was typisch für Miete und Pacht gewesen wäre. Die Tatsache, daß der Hinterlegungstag im Vertrag gleichzeitig auch der Übergabetag sei, sei "eher zufällig". Der Zinsnachteil des Veräußerers sei mit der Zahlung des Kaufpreises entfallen und folglich auch der Entschädigungsanspruch. Die Grundsteuern und Hausversicherungen hingen ebenfalls unmittelbar mit der Anschaffung zusammen.
Die Kläger beantragen, das finanzgerichtliche Urteil sowie die Einspruchsentscheidung aufzuheben und unter Änderung des Einkommensteuerbescheids für 1990 weitere Aufwendungen in Höhe von 9 460,19 DM als Vorkosten nach § 10e Abs. 6 EStG zu berücksichtigen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet.
Zu Recht hat das FG die streitigen Aufwendungen nicht als Vorkosten berücksichtigt.
1. Nach § 10e Abs. 6 Satz 1 EStG setzt der Abzug als Vorkosten unter anderem voraus, daß die Aufwendungen bis zum Beginn der erstmaligen Nutzung der Wohnung zu eigenen Wohnzwecken entstanden sind, unmittelbar mit der Anschaffung des Gebäudes oder des dazu gehörenden Grund und Bodens zusammenhängen und nicht zu den Anschaffungskosten des Gebäudes oder des Grund und Bodens gehören.
2. Die von den Klägern geltend gemachten Aufwendungen sind vor Beginn der erstmaligen Nutzung des Einfamilienhauses zu eigenen Wohnzwecken entstanden. Das FG hat ausgeführt, das Einfamilienhaus sei im Streitjahr 1990 aufgrund der Renovierungsarbeiten nicht bewohnbar gewesen und habe deshalb noch nicht zu Wohnzwecken genutzt werden können. An diese Würdigung des Sachverhalts durch das FG ist der Senat nach § 118 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gebunden.
3. Die Nutzungsentschädigungen hängen jedoch nicht unmittelbar mit der Anschaffung zusammen.
a) Entgegen der Auffassung der Kläger handelt es sich nicht um Finanzierungskosten.
Wird eine eigengenutzte Wohnung "auf Kredit" gekauft, besteht zwar regelmäßig ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den Aufwendungen für die Finanzierung und der Anschaffung der Wohnung (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27. Juni 1995 IX R 48/93, BFHE 178, 155, BStBl II 1996, 151; Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 31. Dezember 1994 - IV B 3 -S 2225 a- 294/94, BStBl I 1994, 887, Rz. 91).
Die vor dem Übergang des wirtschaftlichen Eigentums gezahlten monatlichen Nutzungsentschädigungen können aber nicht als Finanzierungskosten beurteilt werden. Nach dem Kaufvertrag war der Kaufpreis nicht schon bei Vertragsschluß fällig und wurde vom Veräußerer gegen Zinszahlungen gestundet, sondern die Kläger hatten ihn spätestens bis zum 31. Dezember 1990 auf dem Notaranderkonto zu hinterlegen. Erst mit Zahlung des Kaufpreises ging das wirtschaftliche Eigentum (Besitz, Gefahr, Nutzungen und Lasten) auf die Kläger über.
Jedoch war es den Klägern gestattet, gegen eine monatliche Zahlung von 1 200 DM das Grundstück einschließlich Gebäude bereits ab 1. Juli 1990 zu nutzen. Nach der Vereinbarung im Kaufvertrag ist der monatlich zu zahlende Betrag ausdrücklich als Nutzungsentschädigung bezeichnet. Er ist somit Entgelt für die Nutzung des Grundstücks durch die Kläger vor Übergang des wirtschaftlichen Eigentums. Mit der Zahlung des Kaufpreises, der den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums zur Folge hatte, endete das Nutzungsverhältnis. Entgegen der Auffassung der Kläger ist die vertragliche Regelung, daß mit dem Tag der Hinterlegung des Kaufpreises der Grundbesitz als übergeben gilt, nicht "eher zufällig". Vielmehr entspricht es der üblichen Praxis bei einer Grundstücksveräußerung, daß das wirtschaftliche Eigentum mit der Zahlung des Kaufpreises übergeht. Aus dem Wegfall der Nutzungsentschädigung bei Hinterlegung des Kaufpreises kann daher nicht hergeleitet werden, es handle sich bei der Entschädigung in Wirklichkeit um eine Zinszahlung.
Als Entschädigung für die Nutzung des Grundstücks vor Übergang des wirtschaftlichen Eigentums hängen die Aufwendungen nicht unmittelbar mit der Anschaffung, sondern unmittelbar mit der Nutzung zusammen. Die Anschaffung der Wohnung war nur der Anlaß für die Nutzungsvereinbarung; mit der Anschaffung besteht daher allenfalls ein mittelbarer Zusammenhang.
b) Ein unmittelbarer Zusammenhang mit der Anschaffung ergibt sich auch nicht daraus, daß die Kläger aufgrund der Nutzungsvereinbarung in der Lage waren, bereits vor Besitzübergang das Gebäude zu renovieren.
Bei Aufwendungen für die Renovierung, die im Anschluß an die Anschaffung einer Wohnung bzw. --wie im Streitfall-- aufgrund der Nutzungsvereinbarung vor der Anschaffung stattfindet, wird zwar ein unmittelbarer Zusammenhang i.S. des § 10e Abs. 1 EStG angenommen. Die Nutzungsentschädigungen sind jedoch kein Teil der Renovierungskosten.
Der Senat hat für den Abzug von Erhaltungsaufwendungen und laufenden Grundstückskosten nach § 10e Abs. 6 EStG grundsätzlich einen engen zeitlichen Zusammenhang mit der Anschaffung genügen lassen. Darüber hinaus hat er jedoch einen unmittelbaren Bezug der Aufwendungen zur Anschaffung verlangt. Dabei hat er unmittelbar als "nicht mittelbar", d.h. ohne Zwischenstufe, definiert (Urteil vom 27. August 1997 X R 105/94, BFHE 184, 344, BStBl II 1998, 18, m.w.N.).
Diese Voraussetzung erfüllen die Nutzungsentschädigungen --anders als die Renovierungsaufwendungen-- nicht. Sie sind Entgelt dafür, daß die Kläger das Gebäude vor Übergang des wirtschaftlichen Eigentums nutzen durften, sei es für eigene Wohnzwecke, für Zwecke der Vermietung oder unentgeltlichen Überlassung oder um das Gebäude zu renovieren. Sie sind, wie das FG zutreffend ausgeführt hat, der Renovierung "vorgeschaltet" und waren "als Zwischenstufe" erforderlich, um die Renovierung durchführen zu können. Auch insoweit hängen sie nur mittelbar mit der Anschaffung zusammen.
c) Die Kläger haben erstmals im Revisionsverfahren vorgetragen, die Nutzungsvereinbarung sei Bedingung für das Zustandekommen des Kaufvertrags gewesen, weil sie erst Ende des Streitjahres zur Zahlung des Kaufpreises in der Lage gewesen seien. Selbst wenn dieser Vortrag revisionsrechtlich (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) berücksichtigt werden dürfte, hätte die Revision keinen Erfolg. Wäre die Zahlung der Nutzungsentschädigung für den Abschluß des Kaufvertrags unerläßlich gewesen, würde es sich um --nicht nach § 10e Abs. 6 EStG abziehbare-- Anschaffungskosten für das Grundstück handeln. Denn zu den Anschaffungskosten gehören nach der --auch für das Steuerrecht geltenden-- Definition des § 255 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs nicht nur die Kaufpreiszahlungen selbst, sondern alle Aufwendungen, die geleistet werden, um den Vermögensgegenstand zu erwerben.
4. Auch den von den Klägern als Vorkosten geltend gemachten laufenden Grundstückskosten wie Grundsteuer und Versicherungen fehlt der unmittelbare Zusammenhang mit der Anschaffung.
Nach der Rechtsprechung des Senats sind laufende Grundstückskosten als Vorkosten zu berücksichtigen, soweit sie auf die Zeit entfallen, in der die Wohnung zwischen Anschaffung/Herstellung und Nutzung zu eigenen Wohnzwecken weder vermietet noch vom Steuerpflichtigen unentgeltlich überlassen war (Urteil in BFHE 184, 344, BStBl II 1998, 18, m.w.N.). Unabhängig davon, daß die Kläger das Gebäude der Tochter und dem Schwiegersohn teilweise unentgeltlich überlassen haben und die Kosten vor der Anschaffung (Übergang des wirtschaftlichen Eigentums) entstanden sind, ist der Vorkostenabzug ausgeschlossen, weil --wie oben ausgeführt-- allein die zeitliche Nähe zur Anschaffung keinen unmittelbaren Zusammenhang begründet.
Laufende Grundstückskosten sind vom Käufer in der Regel erst ab Übergang des wirtschaftlichen Eigentums zu tragen. Im Streitfall waren die Kläger aber schon vor Übergang von Besitz, Nutzungen und Lasten vertraglich verpflichtet, diese Kosten zu übernehmen, weil sie aufgrund der Nutzungsvereinbarung schon vor diesem Zeitpunkt berechtigt waren, das Grundstück zu nutzen. Die Nebenkosten haben daher keinen unmittelbaren Bezug zu der Anschaffung der Wohnung, sondern hängen unmittelbar mit der Nutzungsvereinbarung zusammen.
Ende der Entscheidung
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