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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 14.10.2003
Aktenzeichen: X S 9/03 (PKH)
Rechtsgebiete: FGO, ZPO, GG


Vorschriften:

FGO § 142 Abs. 1
FGO § 116 Abs. 2 Satz 1
FGO § 62a
FGO § 115 Abs. 2
FGO § 65 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 114
ZPO § 117 Abs. 2
ZPO § 117 Abs. 4
GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 20 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Im Anschluss an eine Steuerfahndungsprüfung ergingen gegen die Antragsteller erstmalige Einkommensteuerbescheide für 1991 bis 1997 sowie gegen den Antragsteller erstmalige Gewerbesteuermessbescheide für 1991 bis 1996. Das Einspruchsverfahren, in dem die Antragsteller --ohne dies näher zu konkretisieren-- geltend machten, die der Besteuerung zugrunde gelegten Unterlagen seien unvollständig gewesen, blieb erfolglos.

Mit der Klage begehrten die Antragsteller, "die Einspruchsentscheidungen so lange auszusetzen", bis sie nähere Abrechnungen vorlegen könnten. Nachdem der Berichterstatter des Finanzgerichts (FG) den Antragstellern eine Ausschlussfrist zur Bezeichnung des Gegenstandes des Klagebegehrens gesetzt hatte, die ohne nähere Erläuterungen seitens der Antragsteller verstrich, wies das FG die Klage mangels Bezeichnung des Gegenstands des Klagebegehrens als unzulässig ab.

Gegen das am 4. April 2003 zugestellte Urteil hat der Antragsteller, der sich als "Betriebswirt" bezeichnet, am 4. Mai 2003 Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt; dies auch als Bevollmächtigter der Antragstellerin. Gleichzeitig beantragten die Antragsteller die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH). Es gehe "im Grunde" nur darum, eine angemessene Frist für die Nachreichung von Unterlagen zu erhalten.

Auf einen entsprechenden Hinweis der Senatsgeschäftsstelle reichte der Antragsteller am 4. Juni 2003 eine Faxkopie der Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ein. Gleichzeitig beantragte er Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, weil ihm nicht klar gewesen sei, dass der PKH-Antrag mit der Beschwerde einzureichen sei, und er infolge psychischer Beeinträchtigungen weitgehend unfähig sei, Termine einzuhalten.

II. Der Antrag ist unbegründet.

Nach § 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

1. Die vorliegend durch die Erhebung der Nichtzulassungsbeschwerde beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Dies folgt zwar noch nicht allein daraus, dass die Nichtzulassungsbeschwerde nicht innerhalb der Monatsfrist des § 116 Abs. 2 Satz 1 FGO durch eine vor dem Bundesfinanzhof (BFH) vertretungsbefugte Person oder Gesellschaft i.S. des § 62a FGO erhoben worden ist. Denn einem Beteiligten, der wegen Mittellosigkeit nicht in der Lage ist, ein Rechtsmittel, das dem Vertretungszwang unterliegt, wirksam zu erheben, kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 FGO) gewährt werden.

Dies erfordert allerdings, dass der Rechtsmittelführer innerhalb der Rechtsmittelfrist alles Zumutbare unternimmt, um das --hier in seiner Mittellosigkeit liegende-- Hindernis zu beheben. Er muss innerhalb dieser Frist alle Voraussetzungen für die Bewilligung der PKH zur Einlegung des Rechtsmittels schaffen (ausführlich BFH-Beschluss vom 11. Dezember 1985 I B 44/85, BFH/NV 1986, 557, unter 3. a; ferner BFH-Beschlüsse vom 8. April 1987 X S 3/87, BFH/NV 1988, 179; vom 15. April 1999 X S 1/99, BFH/NV 1999, 1355, und vom 17. September 2002 X S 4/02 (PKH), BFH/NV 2003, 73).

2. Der Senat kann dahingestellt sein lassen, ob der Antragsteller, um diese Anforderungen für die Gewährung von Wiedereinsetzung zu erfüllen, bereits innerhalb der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels wenigstens in laienhafter Weise sein Rechtsmittelbegehren so substantiieren muss, dass seine Ausführungen die Beurteilung ermöglichen, ob ein Grund für die Zulassung der Revision gegeben sein könnte (ausführlich BFH-Beschluss in BFH/NV 1988, 179; ferner BFH-Beschlüsse vom 15. März 2000 V S 2/00, BFH/NV 2000, 1212; vom 12. August 2002 X S 5/02 (PKH), BFH/NV 2002, 1608; in BFH/NV 2003, 73, und vom 14. Februar 2003 X S 8/02 (PKH), BFH/NV 2003, 653), oder ob die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zu der in Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) verbürgten Rechtsschutzgleichheit für Bemittelte und Unbemittelte (vgl. dazu BVerfG-Beschluss vom 26. Juni 2003 1 BvR 1152/02, unter II. 1. a, mit zahlreichen weiteren Nachweisen) von Amts wegen anhand der Vorentscheidung und des Protokolls über die mündliche Verhandlung zu prüfen sind (so BFH-Beschluss vom 23. Januar 1991 II S 15/90, BFHE 163, 123, BStBl II 1991, 366; vgl. zur Streitfrage mit zahlreichen Nachweisen auch BFH-Beschluss vom 11. April 1996 V S 5/96, V R 8/96, BFH/NV 1996, 847; auf einer solchen Prüfung von Amts wegen beruht im Ergebnis auch der BFH-Beschluss vom 2. Oktober 2002 XI S 4/02 (PKH), BFH/NV 2003, 194).

Gleiches gilt für die Frage, ob im Hinblick auf die genannte Rechtsprechung des BVerfG weiter daran festgehalten werden kann, dass einem Antragsteller, der nicht wusste, dass die Rechtsprechung des BFH die Einreichung der nach § 117 Abs. 2 und 4 ZPO vorgeschriebenen Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ebenfalls innerhalb der Rechtsmittelfrist fordert (BFH-Beschlüsse vom 15. April 1985 VIII S 17/81, BFH/NV 1986, 355; in BFH/NV 2000, 1212, und in BFH/NV 2003, 653, unter II. 3.), deshalb keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 FGO) gewährt werden kann (BFH-Beschluss vom 29. April 1997 VII S 6/97, BFH/NV 1997, 800, m.w.N.), oder ob die Rechtsschutzgleichheit in Fällen unverschuldeten Rechtsirrtums über die sich hier nicht aus dem Gesetz, sondern allein aus der --insoweit für einen Laien kaum zugänglichen und sich ihm ohne fachkundige Hilfe nicht unmittelbar erschließenden-- Rechtsprechung des BFH ergebenden Fristgebundenheit die Möglichkeit der Wiedereinsetzung eröffnet.

3. Denn auch eine von Amts wegen vorzunehmende Prüfung der in § 115 Abs. 2 FGO genannten Gründe für die Zulassung der Revision führt hier zu dem Ergebnis, dass keiner dieser Gründe vorliegt.

Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH. Die Revisionszulassung ist insbesondere nicht im Hinblick auf das BFH-Urteil vom 11. Februar 2003 VII R 18/02 (BFHE 201, 409, BStBl II 2003, 606) geboten, mit dem die Rechtsprechung zu der Frage, wann der Gegenstand des Klagebegehrens i.S. des § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO "bezeichnet" ist, präzisiert worden ist. Denn die Antragsteller haben vorliegend auch im Einspruchsverfahren nicht erkennen lassen, in welchem Umfang sie eine Änderung der angefochtenen Bescheide begehren. Schließlich ist aus den Akten auch kein Verfahrensfehler des FG ersichtlich.

4. Der Beschluss ergeht gerichtsgebührenfrei.



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