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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 20.08.1998
Aktenzeichen: XI B 110/95
Rechtsgebiete: AO 1977, FGO


Vorschriften:

AO 1977 § 164 Abs. 1
AO 1977 § 164 Abs. 2
AO 1977 § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977
FGO § 17
FGO § 128 Abs. 2
FGO § 100 Abs. 1 Satz 1
FGO § 115 Abs. 3
FGO § 119 Nr. 3
FGO § 93 Abs. 1
FGO § 96 Abs. 2
FGO § 76 Abs. 1
FGO § 85 i.V.m. § 97 AO 1977
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute. Seit 1973 vermieteten sie einzelne Räume des in ihrem Miteigentum stehenden Zweifamilienhauses als Fremden- und Ferienzimmer. Die aus der Zimmervermietung erklärten Einkünfte erfaßte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) als gewerbliche Einkünfte und rechnete sie allein dem Kläger zu. Der Einkommensteuerbescheid 1976 erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 der Abgabenordnung --AO 1977--). Im Rahmen der Ermittlung der Vermietungseinkünfte für die Streitjahre 1976 und 1977 hatte der Kläger Lohnzahlungen an seine Ehefrau als Betriebsausgaben geltend gemacht. In diesem Zusammenhang hatte er in den Einkommensteuererklärungen auf eine angebliche Betriebsvereinbarung vom 1. Oktober 1973 hingewiesen. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag zwischen den Eheleuten trägt erst das Datum vom 7. Oktober 1981.

Im Anschluß an eine im April 1980 durchgeführte Betriebsprüfung erließ das FA gemäß § 164 Abs. 2 bzw. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 geänderte Einkommensteuerbescheide für 1976 bzw. 1977. Während des Einspruchsverfahrens gegen diese Bescheide gelangte das FA zu der Auffassung, daß die Kläger als Mitunternehmer des Vermietungsunternehmens anzusehen seien und ein Arbeitsverhältnis zwischen ihnen steuerrechtlich nicht anerkannt werden könne; nach einem entsprechenden Hinweis erließ es verbösernde Einspruchsentscheidungen.

Die Klage hatte insoweit keinen Erfolg. Das FA habe sich bei der Nichtanerkennung des Ehegatten-Arbeitsverhältnisses bzw. der Annahme einer Mitunternehmerschaft bei der gewerblichen Zimmervermietung für das Jahr 1977 zu Recht auf die Änderungsvorschrift des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 gestützt. Die Feststellungen der Außenprüfung hätten ergeben, daß eine klare und eindeutige Vereinbarung als Voraussetzung eines steuerlich anzuerkennenden Ehegatten-Arbeitsverhältnisses nicht vorgelegen habe. Die angebliche Betriebsvereinbarung vom 1. Oktober 1973 sei nur mündlich getroffen worden. Allein dieser Umstand der fehlenden Schriftlichkeit sei als nachträglich bekannt gewordene Tatsache zu werten, die das FA berechtigt habe, dem Arbeitsverhältnis die Anerkennung zu versagen.

Ihre dagegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde stützen die Kläger auf Verfahrensfehler, Divergenz und grundsätzliche Bedeutung.

Verfahrensfehler

a) Das Finanzgericht (FG) hätte die einheitliche Klage gegen die Einkommensteuer- und Lohnsteuerbescheide 1976 bis 1980 nicht in drei Verfahren aufteilen dürfen. Dies habe eine Vielzahl gleichlautender Verfügungen und damit eine Unübersichtlichkeit und Prozeßdauer von etwa 11 Jahren in erster Instanz verursacht. Dabei sei sogar eine Lohnsteuervorauszahlung von 600 DM übersehen worden. Die Streitfrage des Ehegatten-Arbeitsverhältnisses sei in allen Streitjahren einheitlich zu entscheiden. Die Trennung der Verfahren sei deshalb unzulässig. Primär hierauf werde die Nichtzulassungsbeschwerde gestützt.

b) Das FG habe § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) verletzt, weil es übersehen habe, daß die Kläger am 31. August 1981 den Einspruch gegen den geänderten Einkommensteuerbescheid 1976 vom 6. August 1981 zurückgenommen hätten. Eine Einspruchsentscheidung hinsichtlich der Einkommensteuer 1976 hätte somit nicht mehr ergehen dürfen.

c) Die Vorentscheidung verstoße gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (§§ 115 Abs. 3, 119 Nr. 3, 93 Abs. 1 und 96 Abs. 2 FGO). Mit den Ausführungen des Gerichts, allein die fehlende Schriftlichkeit eines Arbeitsvertrages hätte zur Versagung der bisherigen Anerkennung des Ehegatten-Arbeitsverhältnisses berechtigt, seien die Kläger in unzulässiger Weise überrascht worden. Die Lohnsteueraußenprüfungen für 1978 und 1981 hätten das nicht gerügt; lediglich für die Zukunft sei ein schriftlicher Arbeitsvertrag gefordert worden.

d) Das FG habe ferner gegen den Verfahrensgrundsatz von Treu und Glauben und das Verbot des venire contra factum proprium verstoßen. Bei der Eröffnung des Pensionsbetriebs sei der Kläger von zwei Finanzbeamten der Außenstelle B. des FA belehrt worden, daß er seine Ehefrau unter bestimmten Voraussetzungen als Arbeitnehmerin anstellen könne. Bis zur Einspruchsentscheidung habe das FA das Arbeitsverhältnis auch problemlos anerkannt. Erst auf Anregung der Lohnsteueraußenprüfung sei am 7. Oktober 1981 ein schriftlicher Vertrag abgefaßt worden; die darin beschriebenen Arbeiten haben die Ehefrau aber schon seit 1. Oktober 1973 verrichtet. Die nachträgliche Konstruktion einer Mitunternehmerschaft sei damit nicht nur treuwidrig, sie widerspreche auch den tatsächlichen Verhältnissen. Denn sämtliche Geschäftsvorfälle seien ausschließlich auf Rechnung und Gefahr des Klägers abgewickelt worden.

e) Die Kläger rügen weiterhin einen Verstoß gegen § 76 FGO wegen mangelnder Sachaufklärung sowie einen Verstoß gegen die §§ 76 Abs. 1, 85 FGO i.V.m. § 97 AO 1977 ("Verbot, aus dem alleinigen Nichtvorlegen von Urkunden nachteilige Schlüsse zu ziehen"). Das Gericht habe die Behauptung des FA, bei der Außenprüfung habe sich ergeben, daß keine klare und eindeutige Vereinbarung als Voraussetzung eines steuerrechtlich anzuerkennenden Arbeitsverhältnisses getroffen worden sei, ohne eigene Aufklärung übernommen und sich mit dem Vorbringen der Kläger nicht auseinandergesetzt.

Divergenz liege wegen Abweichung der Vorentscheidung vom Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 2. Oktober 1968 IV R 25/68 vor. Die Rechtsstellung der Klägerin sei nicht über die eines Darlehensgebers oder eines stillen Gesellschafters hinausgegangen.

Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sei darin begründet, daß die Entscheidung über das Arbeitsverhältnis der Klägerin von je einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts sowie von vier Entscheidungen des Bundessozialgerichts abweiche.

Das FA beantragt, die Nichtzulassungsbeschwerde zurückzuweisen.

II. Die Beschwerde ist nicht begründet.

1. In der Trennung der Verfahren durch das FG ist ein Rechtsverstoß nicht zu erkennen. Nach § 73 Abs. 1 Satz 2 FGO kann das Gericht durch Beschluß anordnen, daß mehrere in einem Verfahren zusammengefaßte Verfahrensgegenstände in getrennten Verfahren verhandelt und entschieden werden. Der Trennungsbeschluß ist eine prozeßleitende Verfügung, die der Senat grundsätzlich nicht nachprüfen kann (vgl. § 128 Abs. 2 FGO). Derartige Anordnungen begründen nur dann einen Verfahrensmangel i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO, wenn das FG sie willkürlich --also ohne sachlichen Grund-- erlassen hat oder wenn der Steuerpflichtige dadurch prozessual in der Wahrnehmung seiner Rechte behindert wird (vgl. BFH-Urteile vom 25. Mai 1976 VIII R 66/74, BFHE 119, 36, BStBl II 1976, 606; vom 27. September 1994 VIII R 36/89, BFHE 176, 289, BStBl II 1995, 353). Im Streitfall sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß das FG die Trennung der Verfahren willkürlich beschlossen hat. Denn das FG hat, wegen des umfangreichen Streitstoffs und der in den Streitjahren unterschiedlichen Streitpunkte eine Trennung der Verfahren für zweckmäßig gehalten. Die Kläger haben auch nicht dargetan, daß sie durch die Trennung in der Wahrnehmung ihrer Rechte behindert worden seien; sie behaupten lediglich, der Prozeß sei dadurch unübersichtlich geworden und habe länger angedauert.

Mit ihrem Vorbringen, das FG habe § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO verletzt, rügen die Kläger keinen Verfahrensmangel. Nach dieser Vorschrift führt eine erfolgreiche Anfechtung eines Steuerbescheids zur Aufhebung des Bescheids und der eventuell dazu ergangenen Einspruchsentscheidung. Wenn die Kläger vortragen, das FG habe § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO verletzt, weil es zu Unrecht die nach ihrer Auffassung rechtswidrige Einspruchsentscheidung nicht aufgehoben habe, so rügen sie damit keinen Verstoß gegen eine Verfahrensvorschrift, sondern behaupten, daß das FG eine materiell-rechtlich unrichtige Entscheidung getroffen habe. Ein solches Vorbringen kann aber nicht Gegenstand einer Verfahrensrüge sein. Abgesehen davon enthält das Schreiben des Klägers vom 31. August 1981 auch keine Rücknahme des Einspruchs gegen den Einkommensteuerbescheid 1976.

Die Ausführungen des FG, daß die fehlende Schriftlichkeit von Vereinbarungen zwischen den Klägern eine nachträglich bekannt gewordene Tatsache sei, die das FA zu einer Änderung des Einkommensteuerbescheids 1977 gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 berechtigt habe, sind unter dem Gesichtspunkt der Versagung des rechtlichen Gehörs (Überraschungsentscheidung) nicht zu beanstanden. Nachdem bereits das FA eine Mitunternehmerschaft zwischen den Klägern angenommen und die Anerkennung eines Arbeitsverhältnisses abgelehnt hatte, war es naheliegend, daß es für die Anerkennung eines Arbeitsverhältnisses auf klare und eindeutige Vereinbarungen zwischen den Klägern und für den Nachweis derselben auf die Schriftlichkeit dieser Vereinbarungen ankommen würde. Wenn die Kläger sich unter diesen Umständen zu der Frage der Schriftlichkeit vor dem FG nicht geäußert haben, können sie nicht mit Erfolg eine Verletzung ihres Rechts auf Gehör geltend machen. Denn das FG war nicht verpflichtet, den Klägern die einzelnen für seine Entscheidung maßgebenden Gesichtspunkte im voraus anzudeuten; es genügt vielmehr, daß diese die Möglichkeit zur Stellungnahme hatten (vgl. BFH-Urteile vom 11. Oktober 1989 II R 147/85, BFHE 158, 462, BStBl II 1990, 188; vom 21. März 1995 XI R 85/93, BFHE 177, 377, BStBl II 1995, 732). Zudem hat das FG die fehlende Schriftform nicht etwa --wie die Kläger meinen-- auf den Arbeitsvertrag bezogen, sondern auf die Betriebsvereinbarung vom 1. Oktober 1973, auf die die Kläger bereits in der Einkommensteuererklärung 1977 hingewiesen hatten.

Mit ihrem Vorbringen, das FG habe den Grundsatz von Treu und Glauben sowie das Verbot des venire contra factum proprium nicht beachtet, machen die Kläger keinen Verfahrensmangel geltend, sondern rügen ebenfalls eine Verletzung materiellen Rechts.

Soweit die Kläger bemängeln, das FG habe den Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt, wird ihr Vorbringen den formellen Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO an die Bezeichnung eines Verfahrensmangels nicht gerecht. Dazu hätten die Kläger darlegen müssen, daß das FG von ihnen angebotene Beweise nicht erhoben habe oder daß das FG den Sachverhalt auch ohne Beweisantritt von Amts wegen hätte weiter aufklären müssen. Im letzten Fall ist für die ordnungsgemäße Rüge der mangelnden Sachaufklärung die genaue Angabe der Beweismittel erforderlich, die das FG nicht erhoben hat, deren Erhebung sich ihm aber auch ohne besonderen Antrag als noch erforderlich hätte aufdrängen müssen (vgl. BFH-Beschluß vom 16. Januar 1990 VII B 116/89, BFH/NV 1990, 715). Die Kläger haben indes lediglich vorgetragen, das FG habe die Behauptungen des FA übernommen und sich mit ihrem Vorbringen nicht auseinandergesetzt.

2. Hinsichtlich der weiteren geltend gemachten Gründe genügt die Beschwerde ebenfalls nicht den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde. Die Kläger haben weder die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt noch eine Divergenz ausreichend bezeichnet (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO; vgl. dazu Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl. 1997, § 115 Rz. 61 ff. mit Nachweisen zur Rechtsprechung des BFH). Der Senat sieht insoweit von einer weitergehenden Begründung ab (Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs).



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