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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 30.11.2006
Aktenzeichen: XI B 13/06
Rechtsgebiete: FGO, AO 1977


Vorschriften:

FGO § 96 Abs. 1
FGO § 115 Abs. 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
FGO § 116 Abs. 3 Satz 1
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
AO 1977 § 122 Abs. 2
AO 1977 § 122 Abs. 2 2. Halbsatz
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Gründe, die eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) rechtfertigen könnten, liegen nicht vor. Dabei waren für die Beurteilung grundsätzlich nur die gemäß § 116 Abs. 3 Sätze 1 und 3 FGO innerhalb der Begründungsfrist dargelegten Zulassungsgründe maßgebend. Spätere Ausführungen waren, soweit es sich nicht um bloße Ergänzungen und Erläuterungen handelte, nicht zu berücksichtigen (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 23. Juni 2004 V B 230/03, BFH/NV 2005, 80).

1. Die Revision war nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen. Diesen Zulassungsgrund hat die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) erstmals in dem am 17. März 2006 und damit nach Ablauf der Begründungsfrist eingegangenen, als Original bezeichneten Schriftsatz vom 14. März 2005 (richtig wohl 14. März 2006) geltend gemacht. Die am 14. März 2006 fristgemäß per Telefax übermittelte Beschwerdebegründung enthielt keine Darlegungen zur grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache. Hierzu wäre erforderlich gewesen, eine konkrete Rechtsfrage zu formulieren und auf ihre Klärungsbedürftigkeit --insbesondere vor dem Hintergrund bestehender Rechtsprechung und einschlägiger Literatur-- einzugehen (BFH-Beschluss vom 27. Oktober 2003 VII B 196/03, BFH/NV 2004, 232, m.w.N.). Demgegenüber räumt die Klägerin selbst ein, dass der Gesetzeswortlaut des § 122 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) eindeutig ist.

Aus den vorgenannten Gründen kommt auch eine Zulassung der Revision zur Rechtsfortbildung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO) nicht in Betracht.

2. Der Zulassungsgrund i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO ist nicht in einer den Erfordernissen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprechenden Weise dargelegt worden.

Dies hätte vorausgesetzt, dass abstrakte Rechtssätze des Urteils des Finanzgerichts (FG) und der Divergenzentscheidungen so genau bezeichnet und einander gegenübergestellt werden, dass eine Abweichung erkennbar wird (BFH-Beschluss vom 21. März 2005 XI B 219/03, BFH/NV 2005, 1344). Die Klägerin hat demgegenüber innerhalb der Begründungsfrist lediglich geltend gemacht, dass das Urteil des FG fehlerhaft sei, weil es sich nicht mit der Rechtsprechung des VII. und des IX. Senats des BFH auseinandersetze und von Entscheidungen des BFH und des Bundesgerichtshofs (BGH) abweiche. Selbst die Darlegungen in dem nach Ablauf der Begründungsfrist eingegangenen Schriftsatz reichen nicht für eine Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung aus. Denn es wird nicht umfassend ausgeführt, welcher tragende Rechtssatz im Urteil des FG nicht mit den Entscheidungen anderer Gerichte übereinstimmt. Eine Abweichung wäre jedenfalls nicht darin zu sehen, dass das FG die von der BFH-Rechtsprechung entwickelten Rechtsgrundsätze --wie die Klägerin meint-- fehlerhaft auf die Besonderheiten des Streitfalles anwendet (BFH-Beschluss vom 25. Mai 2000 V B 55/00, BFH/NV 2000, 1482).

3. Soweit die Klägerin ihr Zulassungsbegehren auf § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO stützt, also Verfahrensmängel geltend macht, auf denen das angefochtene Urteil beruhen kann, kommen nur prozessrechtliche Verstöße in Betracht, die aus der materiell-rechtlichen Sicht des FG einen anderen Verfahrensausgang zumindest als möglich erscheinen lassen (BFH-Beschluss vom 6. September 2001 X B 47/01, BFH/NV 2002, 350).

a) Eine fehlerhafte Handhabung der für den Lauf der Klagefrist maßgeblichen Bekanntgabenorm führt zwar zu einem Verfahrensmangel (BFH-Beschluss vom 21. Dezember 2001 VIII B 132/00, BFH/NV 2002, 661). Die Beschwerde ist jedoch insoweit nicht begründet, weil das FG § 122 Abs. 2 AO 1977 nicht fehlerhaft angewendet hat.

b) Die Vorschrift fingiert den Zugang eines mit der Post übermittelten Verwaltungsakts am dritten Tag nach dessen Aufgabe zur Post. Bestreitet der Empfänger den Erhalt innerhalb der Drei-Tages-Frist, hat er substantiiert Tatsachen vorzutragen, die schlüssig auf den späteren Zugang hindeuten und damit Zweifel an der Zugangsvermutung begründen (BFH-Urteile vom 17. Juni 1997 IX R 79/95, BFH/NV 1997, 828; vom 3. Mai 2001 III R 56/98, BFH/NV 2001, 1365; BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 350). Es obliegt dann dem Gericht, den Vortrag des Steuerpflichtigen und die festgestellten oder unstreitigen Umstände im Wege freier Beweiswürdigung nach § 96 Abs. 1 FGO abzuwägen. Auf die Beweislastregel des § 122 Abs. 2 2. Halbsatz AO 1977 kann erst dann zurückgegriffen werden, wenn trotz erfolgter Sachaufklärung noch Zweifel am gesetzlich vermuteten Zugang eines Bescheides verbleiben (BFH-Urteil in BFH/NV 2001, 1365).

c) Zur Begründung von Zweifeln am Zugang innerhalb der Drei-Tages-Frist reicht --entgegen der Auffassung der Klägerin-- ein abweichender Eingangsvermerk allein nicht aus (BFH-Urteil in BFH/NV 1997, 828; BFH-Beschluss vom 27. Februar 1998 IX B 29/96, BFH/NV 1998, 1064), auch wenn dieser als private Urkunde zu werten wäre. Weitere Unterlagen zur Substantiierung der Zweifel sind trotz mehrerer Anforderungen des FG nicht nachgereicht worden. Hinzu kommt, dass die Darstellung der Abläufe in Bezug auf die Abholung der Eingangspost des Prozessbevollmächtigten widersprüchlich ist. So hat der Prozessbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung vor dem FG zu Protokoll erklärt, dass das von ihm geführte Postfach täglich durch die Bediensteten im Wechsel geleert werde. Die Postfächer würden ab 7.00 Uhr bestückt. Seine Kanzleikräfte holten regelmäßig die Post aus dem Postfach zwischen 8.00 Uhr und 9.00 Uhr ab. Er sei sich sicher, dass danach nichts mehr in das Postfach eingelegt werde. Demgegenüber ist im Rahmen des Beschwerdeverfahrens vorgetragen worden, dass er sich an jedem Werktag selbst morgens zwischen 8.30 Uhr und 9.00 Uhr zur Post begebe und dort die Post abhole. Dabei stelle er jedes Mal fest, dass die Lichter in den Verteilstellen erloschen und bei dem Postfachbetrieb keine Mitarbeiter mehr vorhanden seien. An Tagen, an denen er selber Gerichtstermine wahrzunehmen habe, werde die Post durch eine Mitarbeiterin der Kanzlei abgeholt und in die Kanzlei gebracht. Dort werde die Post durch ihn oder einen Vertreter geöffnet und an die Kanzleimitarbeiter zum Einscannen und Anbringen des Eingangsstempels gegeben. Derartig voneinander abweichende Sachverhaltsdarstellungen sind nicht geeignet, Zweifel an dem gesetzlich vermuteten Zugang zu begründen.

d) Die Klägerin kann nicht mit dem Einwand gehört werden, der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) habe nicht nachgewiesen, an welchem Tag und zu welcher Uhrzeit die Einspruchsentscheidung zur Post gegeben worden sei, weil lediglich ein interner Vermerk des Sachbearbeiters vorliege, der die Einspruchsentscheidung gefertigt habe. Denn das FA hat im Klageverfahren zusätzlich die Maßnahmen geschildert, die es getroffen hat, um sicherzustellen, dass u.a. Einspruchsentscheidungen an dem im Verfügungsteil genannten Postaufgabetag auch tatsächlich zur Post gegeben werden. Eine Unrichtigkeit dieser Darstellung hat die Klägerin nicht ordnungsgemäß gerügt. Der Vortrag, dass denkbare Sachverhaltsgestaltungen und Arbeitsabläufe im FA nicht beachtet worden seien, reicht insoweit nicht aus.

e) Der Ablauf der Drei-Tages-Frist ist durch das FG zutreffend ermittelt worden. Durch die höchstrichterliche Rechtsprechung ist geklärt, wie sich Samstage, Sonntage und gesetzliche Feiertage bei der Berechnung der Drei-Tages-Frist des § 122 Abs. 2 AO 1977 auswirken (BFH-Urteile vom 14. Oktober 2003 IX R 68/98, BFHE 203, 26, BStBl II 2003, 898; vom 11. März 2004 VII R 13/03, BFH/NV 2004, 1065). Die Frist verlängert sich, wenn das Fristende auf einen dieser Tage fällt, bis zum nächstfolgenden Werktag (§ 108 Abs. 3 AO 1977). Entgegen der Auffassung der Klägerin sind diese Tage bei der Berechnung der Frist nicht gänzlich außer Acht zu lassen.

f) Soweit die Beschwerde dahin zu verstehen ist, dass auch eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 76 FGO) gerügt wird, ist die Rüge unzulässig. Denn die Klägerin hat nicht dargelegt, weshalb eine rechtzeitige Rüge nicht möglich war, obwohl sie in der mündlichen Verhandlung vor dem FG durch einen rechtskundigen Prozessbevollmächtigten vertreten war.

g) Der Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör ist nicht verletzt. Das FG ist nicht gehalten, den Beteiligten die einzelnen für seine Entscheidung maßgeblichen Gesichtspunkte im Voraus anzudeuten (ständige BFH-Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschluss vom 12. Februar 1997 VII B 227/96, BFH/NV 1997, 591, m.w.N.). Allein der Umstand, dass das FG nicht der Argumentation der Klägerin gefolgt ist, führt nicht zu einer Verletzung des rechtlichen Gehörs.

Ende der Entscheidung

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