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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 17.02.2005
Aktenzeichen: XI B 138/03
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

1. Mit ihrer Klage gegen die gesonderte Verlustfeststellung zur Einkommensteuer auf den 31. Dezember 1990 machte die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) geltend, der Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit gebiete eine Regelung des Verlustabzugs dahin gehend, dass der Verlustabzug nicht die Beträge verdränge, die nach der Gesetzessystematik dazu bestimmt seien, die jährlich anfallenden existenzsichernden Aufwendungen zu berücksichtigen. Nur eine Verschonung dieser Beträge verwirkliche über die Gesamtdauer der einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbstätigkeit den Schutz des Existenzminimums und eine Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Der Gesetzgeber habe sich innerhalb des ihm zustehenden Gestaltungsspielraums zulässigerweise dafür entschieden, den Verlustvortrag durch Verrechnung des verbliebenen Verlustes mit dem Gesamtbetrag der Einkünfte vorzunehmen. Dies entspreche der Sachgesetzlichkeit der Trennung von Einkommenserzielung und Einkommensverwendung und des Zusammenwirkens von steuerlicher Bemessungsgrundlage und Steuertarif.

Die Klägerin begehrt die Zulassung der Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage und weil eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts geboten sei.

2. Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) liegen nicht vor. Der erkennende Senat hat keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der einkommensteuerrechtlichen Verlustberücksichtigung.

a) Nach Auffassung der Klägerin muss der das Existenzminimum eines Jahres abdeckende Grund- und Kinderfreibetrag insoweit, als er in einem Veranlagungszeitraum nicht verdient worden ist, im Rahmen der folgenden Veranlagungszeiträume wie ein Verlustvortrag im Sinne einer Ermittlung des Lebenseinkommens steuerverschonend berücksichtigt werden; in Verlustjahren sei der Verlustvortrag entsprechend zu erhöhen. Andernfalls würde derjenige, der Verluste erleide, steuerlich ungleich stärker belastet, als derjenige, der über alle Jahre ein durchschnittliches Einkommen erziele und jedes Jahr die "Steuerfreiheit" seines Existenzminimums --in Höhe von Grund- und Kinderfreibetrag sowie des Abzugs von Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen-- voll ausnutze. Der Beschwerde der Klägerin liegt damit die Auffassung zugrunde, die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit verlange eine den einzelnen Veranlagungszeitraum übergreifende Betrachtung und die Ausrichtung der Steuerlast an der während der Gesamtdauer der einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbstätigkeit erzielten Einkünfte und existenznotwendigen Aufwendungen.

b) Dem Einkommensteuergesetz liegt das Prinzip der Abschnittsbesteuerung zu Grunde (vgl. Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 20. Dezember 1989 1 BvR 1269/89, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1990, 517; BFH-Beschluss vom 28. Juli 2004 XI R 54/99, BFH/NV 2005, 269). Das Jahressteuerprinzip entspricht nicht nur erhebungstechnischen Notwendigkeiten, sondern drückt ein materielles Prinzip der Einkommensbesteuerung aus (Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 4. Aufl., § 2 Rz. 17); es verfolgt eine gleichmäßige Heranziehung der Steuerpflichtigen zur Sicherstellung der aktuellen staatlichen Finanzierungsbedürfnisse und gewährleistet insoweit Gleichbehandlung in der Zeit (Müller-Franken, Steuer und Wirtschaft, 2004, 109, 122).

Eine Besteuerung nach dem vom Steuerpflichtigen erzielten Totaleinkommen würde nicht nur eine periodenübergreifende Berücksichtigung des objektiven und subjektiven Nettoprinzips (Existenzminimum, Sonderausgaben, außergewöhnliche Belastungen, vgl. BVerfG-Entscheidung vom 4. Dezember 2002 2 BvR 400/98, BStBl II 2003, 534) verlangen, sondern darüber hinaus gleichbleibende Gewinnermittlungsvorschriften und die Anwendung eines "übergreifenden" Steuertarifs. Steuerrechts- und Steuersatzänderungen würden damit stets auch in die Besteuerung der bereits zurückliegenden Jahre eingreifen und unterlägen damit über den Vertrauensschutz hinaus weitreichenden Restriktionen, die den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers in unvertretbarer Weise beeinträchtigen könnten.

Schon diese Überlegungen zeigen die Zwangsläufigkeit und materielle Berechtigung einer Gleichbehandlung in der Zeit gewährleistenden Abschnittsbesteuerung, deren Härten durch den geltenden Verlustvor- und Verlustrücktrag abgemildert werden.

Im Übrigen verweist der Senat auf das BFH-Urteil vom 18. Dezember 1990 VIII R 7/87 (BFH/NV 1991, 520), das sich bereits mit der von der Klägerin angesprochenen Problematik und der Reihenfolge des Verlustabzugs befasst hat.



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