Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 01.12.2006
Aktenzeichen: XI B 158/05
Rechtsgebiete: FGO, ZPO


Vorschriften:

FGO § 76 Abs. 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
FGO § 116 Abs. 6
FGO § 155
ZPO § 295 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Streitig ist, mit welchem Wert ein zuvor im Betriebsvermögen gehaltener PKW des Klägers und Beschwerdegegners zu 1. (Kläger zu 1.) bei der Entnahme im Streitjahr 1997 anzusetzen war.

Zum 30. Juni 1997 entnahm der Kläger zu 1. seinen im Sonderbetriebsvermögen gehaltenen PKW Mercedes-Benz E 220 T. Das Fahrzeug war von ihm im Juli 1994 zum Preis vom 64 745 DM angeschafft worden. Den Entnahmewert setzte der Kläger zu 1. mit 26 400 DM an. Grundlage hierfür war eine von der Mercedes-Vertragswerkstatt P-GmbH im Juni 1997 vorgenommene Gebrauchtfahrzeugbewertung nach DAT-System, die einen Händler-Einkaufswert von 26 400 DM ergeben hatte.

Das Finanzgericht (FG) stellte fest, dass von dieser Bewertung in den Akten allein die Seite 1 vorliegt, aus der sich das Ergebnis der Bewertung ergibt. Das vorliegende Schriftstück trägt die Unterschrift des Geschäftsführers der P-GmbH, des Zeugen P, und das Datum 26. Juni 1997. Als Person, von der die Bewertung durchgeführt wurde, wird darin ein Herr F genannt.

Während einer Außenprüfung legten die Kläger eine vom 26. Juni 2001 datierende Bestätigung des Geschäftsführers der P-GmbH betreffend die am 26. Juni 1997 durchgeführte Bewertung vor. Dem Bestätigungsschreiben war eine Liste mit der Überschrift "Technische Bewertung für DAT" beigefügt. Darin waren Lackschäden und sonstige Defekte des Fahrzeugs sowie die für die Beseitigung dieser Mängel zu veranschlagenden Kosten aufgeführt.

Der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) betrachtete die vorgelegte Bewertung der P-GmbH als unvollständiges Gefälligkeitsgutachten ohne Beweiskraft. Es setzte deshalb den Entnahmewert anhand der Eurotax-Schwacke-Liste mit dem Händler-Verkaufspreis von 39 000 DM an und erließ einen entsprechend geänderten Gewinnfeststellungsbescheid.

Gemäß Beweisbeschluss vom 19. September 2005 erhob das FG in der mündlichen Verhandlung Beweis über den Wert des Fahrzeugs des Klägers zu 1. durch Vernehmung des Geschäftsführers der P-GmbH, Herrn P, als Zeuge.

Der Zeuge P bekundete u.a., dass er nicht sagen könne, ob er die Bewertung damals selbst vorgenommen habe. Regelmäßig sei es so, dass die zu bewertenden Fahrzeuge in der Werkstatt durchgesehen würden, um festzustellen, welche Mängel vorhanden seien.

Der Vertreter des FA beantragte in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll u.a., Herrn F, der auf dem vorgelegten Schriftstück über das Ergebnis der Bewertung als Bewertender genannt sei, als Zeuge für die Bewertung des Fahrzeugs zu vernehmen.

Das FG entschied --ohne weitere Beweisaufnahme--, dass die Kläger zu Recht vom Händler-Einkaufswert in Höhe von 26 400 DM ausgegangen seien, dieser allerdings zur Teilwertermittlung um 10 v.H. (2 640 DM) zu erhöhen sei. Aufgrund der Zeugenanhörung des Geschäftsführers P sei es davon überzeugt, dass der seinerzeit ermittelte Händler-Einkaufswert von 26 400 DM für das Fahrzeug "durchaus realistisch" festgestellt worden sei. Bei dem gefundenen Ergebnis habe es dem Beweisantritt des FA nicht folgen müssen.

Das FA begründet seine Nichtzulassungsbeschwerde mit Verfahrensfehlern des FG. Insbesondere macht es geltend, das FG hätte dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag auf Vernehmung des Zeugen F nachkommen müssen.

Die Kläger beantragen sinngemäß, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des FA ist begründet. Das Urteil des FG wird aufgehoben und der Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen (§ 116 Abs. 6 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Die Verfahrensrüge des FA ist in der von § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO geforderten Form fristgerecht erhoben worden.

Wird mit der Rüge mangelnder Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1 FGO) geltend gemacht, das FG habe zu Unrecht einen Beweisantrag übergangen, so sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) Angaben zu den ermittlungsbedürftigen Tatsachen, den angebotenen Beweismitteln und zum Ergebnis der Beweisaufnahme erforderlich. Hat das FG --wie im Streitfall-- selbst im Urteil begründet, weshalb es von der Erhebung eines in der (letzten) mündlichen Verhandlung beantragten Beweises abgesehen hat, genügt bereits die schlichte Rüge der Nichtbefolgung des Beweisantritts den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 30. Dezember 2002 XI B 58/02, BFH/NV 2003, 787, m.w.N.; BFH-Beschluss vom 5. Februar 2004 V B 205/02, BFH/NV 2004, 964, m.w.N.).

2. Die Verfahrensrüge des FA ist auch begründet.

a) Die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO liegen vor. Das FG hat den Sachverhalt unzureichend aufgeklärt. Es hat gegen seine Sachaufklärungspflicht verstoßen, indem es die beantragte Zeugeneinvernahme unterlassen hat, obwohl hierzu Anlass bestand.

Das Gericht hat gemäß § 76 Abs. 1 FGO den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen und dabei die erforderlichen Beweise (§ 81 Abs. 1 Satz 2 FGO) zu erheben. Ein ordnungsgemäß gestellter Beweisantrag darf nur unberücksichtigt bleiben, wenn es auf das Beweismittel für die Entscheidung nicht ankommt oder das Gericht die Richtigkeit der durch das Beweismittel zu beweisenden Tatsache zugunsten des betreffenden Beteiligten unterstellt oder das Beweismittel nicht erreichbar oder völlig ungeeignet ist, den Beweis zu erbringen (z.B. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2004, 964, und vom 27. Oktober 2004 XI B 182/02, BFH/NV 2005, 564). Diese Voraussetzungen lagen im Streitfall nicht vor.

Das FA hatte im Klageverfahren das Ergebnis der Bewertung des Fahrzeugs des Klägers zu 1. durch die P-GmbH und damit zugleich den vom Kläger zu 1. mitgeteilten Teilwert im Zeitpunkt der Entnahme mit substantiierten Einwendungen in Zweifel gezogen. Der Antrag des FA, F als Zeugen für die Bewertung des Fahrzeugs zu vernehmen, diente erkennbar dazu, die seitens des Klägers zu 1. auf der Grundlage der Bewertung der P-GmbH vorgenommene Berechnung des Teilwerts zu entkräften. Unter Berücksichtigung der materiellen Rechtsauffassung des FG, dass der Händler-Einkaufswert Ausgangspunkt für eine Teilwertermittlung sein kann und eine Bewertung nach DAT-System zur Berechnung des Händler-Einkaufswerts grundsätzlich geeignet ist, war die Vernehmung derjenigen Person, die für die P-GmbH die Bewertung durchgeführt hatte, entscheidungserheblich. Auf dieser Erkenntnis beruhten auch der vom FG am 19. September 2005 erlassene Beweisbeschluss und die daraufhin ergangene Ladung des Geschäftsführers der P-GmbH als Zeuge. Nachdem sich in der mündlichen Verhandlung herausgestellt hatte, dass der Geschäftsführer P als Beweismittel ungeeignet ist, weil er nicht sagen konnte, ob er die Bewertung des Fahrzeugs damals selbst vorgenommen hatte, musste das FG dem Antrag des FA auf Vernehmung des Zeugen F nachkommen. Denn der Zeuge F war auf dem Schriftstück über das Ergebnis der Bewertung ausdrücklich als diejenige Person benannt, die die Bewertung durchgeführt hatte; er erschien damit als geeignetes Beweismittel. Bei dieser Sachlage konnte das FG --ausgehend von seinem materiell-rechtlichen Standpunkt-- ohne Vernehmung des Zeugen F nicht verfahrensfehlerfrei zu der Überzeugung gelangen, dass der Händler-Einkaufswert für das Fahrzeug mit 26 400 DM korrekt ermittelt worden war.

b) Das FA hat auf seinen Beweisantrag nicht nach § 295 Abs. 1 der Zivilprozessordnung i.V.m. § 155 FGO durch rügeloses Verhandeln verzichtet. Ausweislich des Sitzungsprotokolls hatte das FA den Beweisantrag zwar vor streitiger Verhandlung und Stellung der Sachanträge gestellt. Hierin kann jedoch kein Rügeverzicht gesehen werden. Die Stellung des Klageabweisungsantrags war nicht dahin zu verstehen, dass das FA auf die beantragte Vernehmung des Zeugen F verzichten wollte. Vielmehr war offensichtlich, dass aus der Sicht des FA die Vernehmung des Zeugen P zur Entscheidung des Rechtsstreits noch nicht ausreichte. Daran hatte sich auch durch die nach Stellung des Beweisantrags erfolgte streitige Verhandlung nichts geändert. Im Übrigen ist davon auszugehen, dass die Sachanträge stillschweigend bereits vor der Vernehmung des Zeugen P gestellt waren. Denn die Sachanträge bestimmen die Entscheidungsbefugnis des Gerichts sowie den Umfang der Beweisaufnahme und der dafür anfallenden Gebühren und sind deshalb grundsätzlich vor dem Eintritt in die Beweisaufnahme zu stellen (BFH-Beschluss vom 23. August 2001 IV B 102/00, BFH/NV 2002, 54, m.w.N.).

c) Ob die vom FA erhobenen weiteren Verfahrensrügen ebenfalls durchgreifen, bedarf hiernach keiner Entscheidung mehr.

3. Die Aufhebung des FG-Urteils und die Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung beruht auf § 116 Abs. 6 FGO.

Ende der Entscheidung

Zurück