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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 13.11.2008
Aktenzeichen: XI B 20/08
Rechtsgebiete: FGO, GG, ZPO


Vorschriften:

FGO § 51 Abs. 1 S. 1
FGO § 69 Abs. 4 S. 1
GG Art. 19 Abs. 1 S. 2
GG Art. 5 Abs. 3 S. 1
ZPO § 42
ZPO § 44 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist selbständig tätig. Er produziert Filme. In seinem Wohnhaus unterhält er ein Filmstudio mit Atelier.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) setzte wegen einer gewährten Vollziehungsaussetzung der Bescheide über Umsatzsteuer 1992 bis 1994 Zinsen gemäß § 237 der Abgabenordnung (AO) fest. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Mit der Klage machte der Kläger geltend, dass die Einkünfte aus seiner freischaffenden Tätigkeit als Künstler mangels einer verfassungsgemäßen Ermächtigungsgrundlage nicht der Umsatzbesteuerung unterlägen. Seine Tätigkeit unterfalle der Kunstfreiheit. Diese werde gemäß Art. 5 Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) vorbehaltlos (schrankenlos) gewährt und könne daher nicht mittels eines einfachen Steuergesetzes eingeschränkt werden. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit Urteil vom 19. Dezember 2007 als unbegründet ab. Die Festsetzung der Aussetzungszinsen sei in Beachtung der Vorgabe des § 237 AO erfolgt. Die vom Kläger behauptete Verfassungswidrigkeit des Umsatzsteuergesetzes (UStG) führe nicht zur Nichtigkeit der Umsatzsteuerbescheide für 1992 bis 1994 und folglich nicht zur Rechtswidrigkeit der Zinsfestsetzung.

Der Kläger hat, vertreten durch den Prozessbevollmächtigten zu 1., Steuerberater X, gegen dieses Urteil fristgemäß Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt.

Mit Schriftsatz vom 31. Juli 2008 hat er die Vorsitzende Richterin am Bundesfinanzhof (BFH) A wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Die Ablehnung hat er im Wesentlichen darauf gestützt, dass die Vorsitzende Richterin am BFH A nebenberuflich das Steuerrecht kommentiere und Aufsätze schreibe. Zudem habe sie als Vorsitzende Richterin des XI. Senats an den Beschlüssen vom 26. Oktober 2006 XI B 139 bis 141/05, XI S 24/06 mitgewirkt. Diese Entscheidungen beträfen von ihm erhobene Nichtzulassungsbeschwerden und einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) wegen der Verletzung seines absoluten Freiheitsrechts aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG in Verbindung mit dem "Mephisto-Beschluss" des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 24. Februar 1971 1 BvR 435/68 (BVerfGE 30, 173). Die Vorsitzende Richterin am BFH A habe diesbezüglich eine Fülle schwerer Rechtsfehler persönlich zu verantworten. Die Verfassungsbeschwerde gegen die vorgenannten Entscheidungen des BFH ist mit Beschluss des BVerfG vom 4. April 2007 2 BvR 2579/06 nicht zur Entscheidung angenommen worden.

Nachdem der Kläger auf Anfrage darüber unterrichtet worden ist, dass über den Befangenheitsantrag die Richterin am BFH B als stellvertretende Vorsitzende, der Richter am BFH E und die Richterin am BFH D entscheiden werden, hat er beantragt, den Richter am BFH E wegen Besorgnis der Befangenheit von der Teilnahme am weiteren Verfahren auszuschließen. Dieser habe noch während seiner finanzrichterlichen Tätigkeit in der dortigen Sache 6 V ...6/07 (Nichtigkeit der Umsatzsteuerbescheide, Vorauszahlungsbescheide 2002 bis 2007) am 27. November 2007 entgegen den zwingenden Normen des GG beschlossen, die beantragte AdV nicht gerichtlich anzuordnen. E habe als Finanzrichter zunächst den Tatbestand verfälscht und infolgedessen nicht ansatzweise den Grund für die vom dortigen Antragsteller begehrte AdV erwähnt, nämlich die Nichtigkeit des UStG seit dem 1. Januar 2002 wegen des Verstoßes gegen das Zitiergebot gemäß Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG. Damit habe der Richter am BFH E seine persönliche Verfassungsfeindlichkeit zum Ausdruck gebracht. Der Richter am BFH E scheine ein Garant dafür zu sein, auch in den Verfahren vor dem BFH das UStG trotz dessen Verstoßes gegen das Zitiergebot anzuwenden und nicht als nichtig anzusehen.

Der abgelehnte Richter am BFH E hat sich am 23. September 2008 dienstlich geäußert. Er hält sich nicht für befangen. Der von ihm als Einzelrichter am FG erlassene Beschluss vom 27. November 2007 6 V ...6/07 betreffe nicht den Kläger. Außerdem sei damit ein Antrag "ohne Sachprüfung" wegen fehlender Zulässigkeit abgewiesen worden.

Mit Schriftsätzen vom 23. und 24. Oktober 2008 hat der Kläger ergänzend ausgeführt, dass er aufgrund der verfassungsrechtlichen, grundgesetzlichen und einfachgesetzlichen Qualität des vorgenannten Beschlusses ebenfalls eine grundgesetzwidrige Behandlung seines Streitfalls durch den Richter am BFH E erwarte. Denn der Beschluss stelle eine massive Grundrechtsverletzung in Gestalt der Rechtsbeugung dar. Außerdem lägen ihm nun weitere Beschlüsse des FG vor, die eine Besorgnis der Befangenheit des abgelehnten Richters noch einmal erhöhten, so der Beschluss, die Sache 6 V ...9/07 dem Einzelrichter zu übertragen, und der ablehnende Beschluss über die Beschwerde des dortigen Beteiligten wegen dessen Begehren, die Sache wieder an den Senat zu übertragen. Darüber hinaus sei der Richter am BFH E auch deswegen befangen, weil er die Nebentätigkeit der Vorsitzenden Richterin am BFH A kenne und dulde und dadurch das mit seinem Richteramt verbundene Gebot der Neutralität verletze. Das Publizieren durch die Vorsitzende Richterin am BFH A gehe weit über eine wissenschaftliche Tätigkeit hinaus. Im Bereich der Staatsfinanzierung seien die Richter in einem Netzwerk eingebunden, das von der Finanzverwaltung bis zum BVerfG reiche. Weiter hat der Kläger die Beiziehung der Gerichtsakte des FG 6 K .../07 und der Steuerakten und Gerichtsakte 6 V ...9/07 sowie die Gewährung von Akteneinsicht beantragt. Er hat eine Erklärung von Z über die Entbindung vom Steuergeheimnis bezüglich der Verfahren 6 K .../07 und 6 V ...6/07 beigefügt.

Im Schriftsatz vom 26. Oktober 2008 hat der Kläger den Richter am BFH F, der laut Geschäftsverteilungsplan des BFH als Vertreter der Richter am BFH C, D und E tätig wird, wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Als Ablehnungsgründe hat er im Wesentlichen geltend gemacht, dass der Richter am BFH F nebenberuflich und kommerziell das Steuerrecht kommentiere, seinerseits die kommerzielle Tätigkeit der Vorsitzenden Richterin am BFH A kenne und dulde, bei Entscheidungen das seit dem 1. Januar 2002 nichtige UStG zugrunde gelegt habe und sowohl dienstlich als auch wirtschaftlich mit verschiedenen Richtern des Niedersächsischen FG verbunden sei.

Auf Anfrage ist dem Kläger mitgeteilt worden, dass über den Befangenheitsantrag gegen den Richter am BFH E voraussichtlich die Richterin am BFH B als stellvertretende Vorsitzende sowie die Richterinnen am BFH C und D entscheiden werden. Daraufhin hat er die Richterinnen am BFH B und C wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen, dass die Richterin am BFH B die ständig ausgeübte kommerzielle Nebentätigkeit der Vorsitzenden Richterin am BFH A kenne und dulde. Für ihn, den Kläger, erscheine es ausgeschlossen, dass die abgelehnte Richterin ihre nur dem Gesetz unterworfene Tätigkeit nicht mit dem Wissen und Dulden dieser Nebentätigkeit bewusst und/oder unbewusst vermenge, so dass er keine unabhängige und unparteiische Richterin mehr erkennen könne. Es sei anzunehmen, dass die Richterin am BFH B im Rahmen eines in der Finanzgerichtsbarkeit erkennbaren "Chorgeistes" nicht nach Recht und Gesetz, sondern zugunsten des FA bzw. im Sinne der mit schweren Rechtsfehlern behafteten Beschlüsse vom 26. Oktober 2006 XI B 139 bis 141/05, XI S 24/06 entscheiden werde.

Die Richterin am BFH C sei ebenfalls nebenberuflich vortragend und kommentierend tätig. Aufgrund ihres Wissens um die Nebentätigkeit der Vorsitzenden Richterin am BFH A sei sie persönlich befangen. Denn das Wissen und Dulden dieser Nebentätigkeit stelle die Richterin am BFH C auf dieselbe Stufe wie die Vorsitzende Richterin am BFH A. Insoweit sei die mit dem Richteramt verbundene Neutralität verletzt. Es erscheine nicht ausgeschlossen, dass die Richterin am BFH C ihre nur dem Gesetz unterworfene Tätigkeit mit dem Wissen und Dulden dieser Nebentätigkeit bewusst und/oder unbewusst vermenge, so dass er, der Kläger, keine unabhängige und unparteiische Richterin mehr erkennen könne. Ebenso sei anzunehmen, dass die Richterin am BFH C im Rahmen des in der Finanzgerichtsbarkeit erkennbaren "Chorgeistes" nicht nach Recht und Gesetz entscheiden werde. Sie dulde auch, dass sich die Vorsitzende Richterin am BFH A ausschließlich von den Interessen ihrer in gleicher Weise kommerziell und eigennützig tätigen Richterkollegen habe leiten lassen und weiterhin leiten lasse, so dass deren richterliches Tun in der Sache als willkürlich anzusehen sei. Gleiches gelte für die Richterin am BFH C.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze des Klägers zu den Befangenheitsanträgen Bezug genommen.

II.

1. Die Ablehnungsgesuche gegen die Richterinnen am BFH B und C sind unzulässig.

a) Nach § 51 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 42 der Zivilprozessordnung (ZPO) findet die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Dabei kommt es darauf an, ob der betroffene Beteiligte von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger objektiver Betrachtung Anlass hat, die Voreingenommenheit des abgelehnten Richters zu befürchten (vgl. BFH-Beschlüsse vom 27. August 1998 VII B 8/98, BFH/NV 1999, 480; vom 11. Februar 2003 VII B 330/02, VII S 41/02, BFHE 201, 483, BStBl II 2003, 422). Gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 44 Abs. 2 ZPO sind die das Misstrauen in die Unparteilichkeit rechtfertigenden Umstände im Ablehnungsgesuch substantiiert darzulegen und glaubhaft zu machen (vgl. BFH-Beschluss in BFHE 201, 483, BStBl II 2003, 422).

b) Wird ein erkennender Richter abgelehnt und danach ein Richter, der zur Entscheidung über das Ablehnungsgesuch gegen den erkennenden Richter berufen wäre, so ist über das zuletzt gestellte Ablehnungsgesuch vorab zu entscheiden (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 10. November 1967 4 StR 512/66, BGHSt 21, 334; BVerfG-Beschluss vom 14. April 2004 2 BvR 2225/03, BVerfGK 3, 165, unter III. der Gründe). Im Streitfall wurden zuletzt die Richterinnen am BFH B und C abgelehnt.

c) Ein Gericht ist in der Besetzung mit dem abgelehnten Richter zur Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch befugt, wenn das Gesuch nur mit Umständen begründet wird, die eine Befangenheit unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtfertigen können (vgl. BFH-Beschlüsse vom 8. Oktober 1997 I B 103/97, BFH/NV 1998, 475; vom 1. April 2004 X E 2/04, nicht veröffentlicht --n.v.--; BGH-Beschluss vom 25. Juli 2008 XI ZB 18/08, n.v.). Davon ist auszugehen, wenn das Ablehnungsgesuch nicht durch einen nachvollziehbaren Bezug zum konkreten Rechtsstreit wenigstens ansatzweise substantiiert wird (vgl. Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts --BVerwG-- vom 7. August 1997 11 B 18/97, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1997, 3327). In einem solchen Fall ist das Ablehnungsgesuch unzulässig. Denn ein Ablehnungsantrag, der zwar --rein formal betrachtet-- eine Begründung für die angebliche Befangenheit enthält, der aber ohne nähere Prüfung und losgelöst von den konkreten Umständen des Einzelfalls zur Begründung der Besorgnis der Befangenheit gänzlich ungeeignet ist, kann rechtlich dem völligen Fehlen einer Begründung gleichgestellt werden (vgl. BVerfG-Beschluss vom 2. Juni 2005 2 BvR 625/01, 2 BvR 638/01, NJW 2005, 3410).

d) Das Vorbringen des Klägers, die abgelehnten Richterinnen am BFH B und C würden wissen und dulden, dass die Vorsitzende Richterin am BFH A ständig eine kommerzielle Nebentätigkeit ausübe, lässt keinen konkreten Bezug zum vorliegenden Rechtsstreit erkennen. Das Gleiche gilt, soweit der Kläger die Ablehnung der Richterin am BFH C damit begründet, dass sie ebenfalls nebenberuflich vortragend und kommentierend tätig sei. Soweit der Kläger behauptet, die abgelehnten Richterinnen würden aufgrund eines "Chorgeistes" nicht nach Recht und Gesetz, sondern vielmehr im Sinne der mit schweren Rechtsfehlern behafteten BFH-Beschlüsse vom 26. Oktober 2006 XI B 139 bis 141/05, XI S 24/06 zu seinem Nachteil entscheiden, wird ein Ablehnungsgrund nicht schlüssig dargelegt.

e) Der Senat konnte über die Ablehnungsanträge in seiner geschäftsplanmäßigen Besetzung entscheiden; einer dienstlichen Äußerung der abgelehnten Senatsmitglieder bedurfte es nicht (vgl. BVerfG-Entscheidung vom 22. Februar 1960 2 BvR 36/60, BVerfGE 11, 1; BFH-Beschluss vom 1. April 2004 X E 2/04, n.v.).

Zuständig für die Entscheidung sind nach dem Geschäftsverteilungsplan des Senats, der auf der Grundlage der Geschäftsverteilung 2008 für den BFH beschlossen wurde, die Richterin am BFH B als regelmäßige Vertreterin der Senatsvorsitzenden, die Richterin am BFH C wegen Verhinderung des Richters am BFH E und die Richterin am BFH D (vgl. Beschluss des Senats vom 12. Dezember 2007 XI ER-S 4/07, Tz. II.1., 2., 4., n.v.). Da der Richter am BFH F nicht für die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch gegen den Richter am BFH E zuständig ist, bedarf es keiner vorherigen Entscheidung über das gegen ihn gestellte Ablehnungsgesuch.

2. Der Senat entscheidet ohne Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin am BFH A vorab über die Ablehnung des Richters am BFH E. Dieses Ablehnungsgesuch ist jedenfalls unbegründet.

a) Eine vermeintlich oder tatsächlich rechtsfehlerhafte Entscheidung rechtfertigt für sich genommen die Besorgnis der Befangenheit nicht (vgl. BVerfG-Beschluss vom 20. März 2007 2 BvR 1730/06, n.v., unter VI.1.e der Gründe; BFH-Beschlüsse vom 27. Juli 1992 VIII B 59/91, BFH/NV 1993, 112; vom 14. Januar 2000 V B 67/99, BFH/NV 2000, 956). Das Ablehnungsverfahren dient allein dazu, den Beteiligten vor der Mitwirkung eines Richters zu bewahren, an dessen Unparteilichkeit Zweifel begründet sind (vgl. § 51 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 42 Abs. 2 ZPO; BFH-Beschluss vom 24. November 2000 II B 44/00, BFH/NV 2001, 621, m.w.N.).

Behauptete Rechtsfehler eines Richters können nur dann eine Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen, wenn Gründe dargetan werden, die dafür sprechen, dass die mögliche Fehlerhaftigkeit auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegenüber dem ablehnenden Beteiligten oder auf Willkür beruht (vgl. Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 29. Oktober 1992 5 AZR 377/92, BAGE 71, 293; BFH-Beschluss in BFH/NV 1993, 112).

Ob die Entscheidung eines Gerichts auf Willkür, also auf einem Fall grober Missachtung oder grober Fehlanwendung des Gesetzes beruht oder ob sie darauf hindeutet, dass ein Gericht die Bedeutung und Tragweite der durch die Verfassung garantierten Rechte grundlegend verkennt, kann nur anhand der besonderen Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (vgl. BVerfG-Beschluss vom 20. Juli 2007 1 BvR 3084/06, Neue Juristische Wochenschrift-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht 2008, 72, unter II.1.a der Gründe).

b) Die Entscheidung des Richters am BFH E vom 27. November 2007 6 V ...6/07, die er in seiner früheren Eigenschaft als Richter am FG getroffen hat, ist nicht geeignet, eine Besorgnis der Befangenheit zu begründen. In dem Beschluss wurde der Antrag eines anderen Antragstellers auf AdV der Umsatzsteuer- und Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide für 2002 bis 2007 als unzulässig abgelehnt, weil vor Anrufung des FG entgegen § 69 Abs. 4 FGO weder ein Antrag auf Vollziehungsaussetzung beim FA gestellt worden war noch eine Vollstreckung drohte. Aus dieser Entscheidung ist weder eine unsachliche Einstellung des Richters am BFH E gegenüber dem Kläger noch eine willkürliche Sachbehandlung erkennbar.

Soweit der Kläger dem Richter am BFH E eine Tatbestandsfälschung vorwirft, weil er den Grund für die vom dortigen Antragsteller begehrte AdV, die Nichtigkeit des UStG seit dem 1. Januar 2002 wegen Verstoßes gegen das Zitiergebot gemäß Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG nicht aufgenommen habe, ist nicht ersichtlich, inwiefern dies für die Entscheidung überhaupt von Bedeutung gewesen sein könnte. Denn bei einem unzulässigen Antrag ist eine Entscheidung über das Begehren in materiell-rechtlicher Hinsicht selbst dann ausgeschlossen, wenn der Grund für das Antragsbegehren im Tatbestand dargestellt ist.

Aus der Ablehnung des Antrags auf AdV sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass das Recht auf effektiven Rechtsschutz gemäß Art. 2 Abs. 1 GG oder die Rechtsweggarantie gemäß Art. 19 Abs. 4 GG, jeweils in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip, verletzt worden sein könnte. Denn ein zulässiger Antrag beim FG setzt nach § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO nur --verfahrensrechtlich aber gleichwohl bindend-- voraus, dass das FA einen Antrag auf AdV ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Bei vernünftiger objektiver Betrachtung besteht deshalb kein Anlass, wegen der Entscheidung vom 27. November 2007 6 V ...6/07 an der Unvoreingenommenheit des Richters am BFH E zu zweifeln.

c) Soweit der Kläger sein Befangenheitsgesuch damit begründet, dass in dem Verfahren 6 V ...9/07 unter Mitwirkung des hier abgelehnten Richters die Entscheidung trotz grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zu Unrecht auf den Einzelrichter übertragen worden sei, reicht dies für einen Ablehnungsgrund nicht aus, selbst wenn insoweit § 6 Abs. 1 FGO verletzt worden sein sollte. Das Befangenheitsgesuch dient --wie oben bereits ausgeführt-- nicht dazu, die Beteiligten vor einer materiell- oder verfahrensrechtlich (möglicherweise) unrichtigen Rechtsauffassung eines Richters zu schützen. Selbst eine Fehleinschätzung der Bedeutung der Rechtssache könnte für sich allein noch keine grobe Missachtung des Rechts im Sinne einer willkürlichen Entscheidung begründen.

d) Soweit sich das Ablehnungsgesuch darauf stützt, dass der Richter am BFH E die kommerzielle Nebentätigkeit der Vorsitzenden Richterin am BFH A kenne und dulde, ist ein Ablehnungsgrund nicht schlüssig vorgetragen worden. Denn das Ablehnungsgesuch wird insoweit nicht durch einen nachvollziehbaren Bezug zum konkreten Rechtsstreit wenigstens ansatzweise substantiiert (vgl. BVerwG-Beschluss in NJW 1997, 3327; BGH-Beschluss vom 25. Juli 2008 XI ZB 18/08, n.v.). Eine dienstliche Äußerung zu den behaupteten Tatsachen war insoweit entbehrlich.

e) Weitere individuelle Ablehnungsgründe sind nicht in der gebotenen Weise dargelegt und glaubhaft gemacht worden. Eine Beiziehung von Steuerakten Dritter und der Akten des FG mit den Az. 6 K .../07 und 6 V ...9/07 sowie die Gewährung von Akteneinsicht war nicht geboten. Der Kläger hat nicht substantiiert dargelegt, welche Umstände zusätzlich eine Besorgnis der Befangenheit begründen könnten und inwiefern diese aus den Akten zu ersehen sein sollten.

3. Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen, da es sich um ein unselbständiges Zwischenverfahren handelt.



Ende der Entscheidung

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