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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 04.05.2005
Aktenzeichen: XI B 230/03
Rechtsgebiete: FGO, AO 1977


Vorschriften:

FGO § 33 Abs. 2
FGO § 56
FGO § 78
FGO § 115 Abs. 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
AO 1977 § 169 Abs. 2 Satz 2
AO 1977 § 393 Abs. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist als unzulässig zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den vom Gesetz gestellten Anforderungen. Auf die Frage, ob der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) im Hinblick auf die fehlende handschriftliche Unterzeichnung der Beschwerdebegründungsschrift Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu gewähren ist, kommt es nicht an.

Nach § 115 Abs. 2 FGO ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO sind diese Voraussetzungen "darzulegen". Es reicht danach nicht, lediglich einen Revisionszulassungsgrund zu behaupten.

1. Für die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung muss der Beschwerdeführer konkret auf eine Rechtsfrage und deren Bedeutung für die Allgemeinheit eingehen. Erforderlich ist dabei insbesondere ein substantiierter Vortrag, aus welchen Gründen im Einzelnen die Klärung der aufgeworfenen Rechtsfrage durch die angestrebte Revisionsentscheidung im allgemeinen Interesse liegt. Es ist darzulegen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen ihre Beantwortung zweifelhaft und streitig ist (vgl. z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 116 Rdnr. 32, m.w.N.). Solche Ausführungen enthält die Beschwerdebegründung nicht. Die Klägerin wirft keine klärungsbedürftigen Rechtsfragen auf, sondern beanstandet im Grunde, das Finanzgericht (FG) habe ihr Recht auf Unschuldsvermutung bzw. ihre Verfassungs- und Menschenrechte verletzt. Die Rüge, die Vorentscheidung sei rechtswidrig, eröffnet aber nicht die Revision. Die Zulassungsgründe in § 115 Abs. 2 FGO sind abschließend (vgl. "nur zuzulassen"). Die Frage, ob Verfassungs- und Menschenrechte von den Gerichten zu beachten sind, ist im Übrigen auch nicht offensichtlich klärungsbedürftig. Sie ist eindeutig zu bejahen. Dass das FG gegen diese Rechte der Klägerin verstoßen hätte, ist nicht ersichtlich.

2. Auch die Divergenzrüge i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO entspricht nicht den an sie von der höchstrichterlichen Rechtsprechung gestellten Anforderungen. Zwar hat die Klägerin aus einer Mehrzahl von höchstrichterlichen Entscheidungen den abstrakten Rechtssatz abgeleitet, dass für Strafsachen ausschließlich der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet sei. Sie hat aber nicht dargelegt, dass das FG insoweit einen von der genannten Rechtsprechung abweichenden abstrakten Rechtssatz aufgestellt hat (vgl. hierzu z.B. Gräber/ Ruban, a.a.O., § 116 Rdnr. 42, m.w.N.). Dies konnte sie auch nicht, denn das FG hat die Rechtsgrundsätze der genannten Urteile beachtet. Danach richtet sich der Rechtsweg nach dem Sachvortrag des Rechtsuchenden und der Rechtsnatur des Klagebegehrens. Wendet sich ein "Beschuldigter" gegen die aufgrund der Ermittlung der Steuerfahndung festgesetzten Steuern, handelt es sich um eine Abgabenangelegenheit i.S. des § 33 Abs. 2 FGO, über die gemäß § 393 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO 1977) unabhängig vom Strafverfahren zu entscheiden ist (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 6. Februar 2001 VII B 277/00, BFHE 194, 26, BStBl II 2001, 306; vgl. auch Urteil des erkennenden Senats vom 23. Januar 2002 XI R 10, 11/01, BFHE 198, 7, BStBl II 2002, 328).

3. Ein Verfahrensmangel ist nur dann in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotenen Form dargelegt, wenn innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist die Tatsachen genau angegeben werden, die den Mangel ergeben. Die Verfahrensrüge muss insbesondere schlüssig sein (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. Gräber/ Ruban, a.a.O., § 116 Rdnr. 48).

a) Soweit die Klägerin die Nichtbeachtung strafprozessualer Vorschriften rügt, fehlt es schon deswegen an einem entsprechend schlüssigen Vortrag eines Verfahrensmangels, weil das Verfahren vor dem FG kein Strafprozess ist. Das Verfahren vor dem FG richtet sich nach der FGO. Dies gilt auch insoweit, als das FG im Rahmen der Prüfung der Festsetzungsverjährung nach § 169 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 beurteilen musste, ob objektiv und subjektiv der Tatbestand einer Steuerhinterziehung erfüllt ist. Zwar ist insoweit, worauf die Klägerin zu Recht hinweist, auch im Besteuerungsverfahren der Grundsatz "in dubio pro reo" zu beachten (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 29. Januar 2002 VIII B 91/01, BFH/NV 2002, 749, m.w.N.). Sie hat aber nicht schlüssig dargelegt, dass das FG diesen Grundsatz verletzt hätte. Dieser greift, wie sie selbst ausführt, nur ein, so lange Zweifel nicht zu beheben sind. Er untersagt dem FG nicht, aufgrund vielfältiger Feststellungen zu der vollen Überzeugung zu gelangen, dass eine Steuerhinterziehung zu bejahen ist. Ebenso wenig steht der Grundsatz "in dubio pro reo" der Schätzung von Besteuerungsgrundlagen entgegen, da der Steuerpflichtige im Besteuerungsverfahren zur Mitwirkung verpflichtet bleibt (vgl. z.B. BFH in BFHE 198, 7, BStBl II 2002, 328; Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 12. Januar 2005 5 StR 191/04, BFH/NV 2005, Beilage 2, 125). Die Klägerin hat auch nicht schlüssig dargetan, aus welchen Gründen in dem vom Strafverfahren gemäß § 393 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 unabhängigen Besteuerungsverfahren ein Schuldspruch der ordentlichen Gerichte abzuwarten ist.

b) Ebenso unschlüssig ist der Einwand, das FG habe eine sog. "Überraschungsentscheidung" gefällt. Der Klägerin waren die Feststellungen der Steuerfahndung, die sich in den angefochtenen Einkommensteuerbescheiden niedergeschlagen haben, bekannt. Sie hat auch nicht vorgetragen, das FG habe seiner Entscheidung Vorgänge zugrunde gelegt, die sich nicht in den Gerichtsakten und den beigezogenen Akten befunden hätten. Auch hat sie selbst nicht behauptet, ihr sei Akteneinsicht nach § 78 FGO verweigert worden.

c) Soweit in der Nichtzulassungsbeschwerde gerügt wird, die Würdigung der Tatsachen und Beweise durch das FG sei unzutreffend, wird kein Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO, sondern ein materieller Mangel gerügt, der als solcher grundsätzlich nicht zur Zulassung der Revision führen kann (vgl. z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rdnr. 76, m.w.N.). Gegenstand einer Verfahrensrüge können zudem nur Verfahrensfehler des FG, nicht solche der Finanzbehörden sein (Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rdnr. 77).

d) Fehlt es danach an der schlüssigen Darstellung von Verfahrensmängeln, ist auch die Rüge, aus diesen Mängeln ergebe sich eine "Missachtung des Rechts auf ein faires Verfahren" unschlüssig.

e) Soweit die Klägerin pauschal behauptet, das FG habe Beweisanträge übergangen, ist die darin liegende Rüge mangelnder Sachaufklärung (§ 76 FGO) ebenfalls nicht in der gebotenen Form dargelegt worden. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH wären hierzu Angaben zu folgenden Punkten erforderlich gewesen: Angabe des Beweisthemas, die angebotenen Beweismittel, die genaue Bezeichnung des Sitzungsprotokolls oder des Schriftsatzes mit Datum und Seitenzahl, in dem die Beweismittel benannt worden sind, das voraussichtliche Ergebnis der Beweisaufnahme und, da es sich insoweit um verzichtbare Mängel handelt, dass die Nichterhebung der beantragten Beweise in der nächsten mündlichen Verhandlung, d.h. hier nach der durchgeführten Beweisaufnahme, gerügt worden ist (vgl. z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 120 Rdnr. 69, m.w.N.). Diesen Anforderungen entspricht die Beschwerdebegründung nicht.

Entsprechendes gilt für die anderen Rügen "unvollständiger Sachaufklärung". Es fehlen hierzu insbesondere Angaben, aus welchen Gründen sich dem FG die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung oder Beweiserhebung auch ohne einen entsprechenden Antrag hätte aufdrängen müssen und welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei einer weiteren Sachaufklärung oder Beweisaufnahme voraussichtlich ergeben hätten und dass dies zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (vgl. Gräber/ Ruban, a.a.O., § 120 Rdnr. 70, m.w.N.).

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