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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 24.03.2005
Aktenzeichen: XI B 24/04
Rechtsgebiete: EStG, FGO, AO 1977
Vorschriften:
EStG § 3 Nr. 62 | |
EStG § 10 Abs. 3 | |
FGO § 74 | |
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3 | |
AO 1977 § 165 Abs. 1 |
Gründe:
I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wurden für das Streitjahr 1989 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie beantragten die Berücksichtigung eines Freibetrags bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit in Höhe von 6 000 DM sowie die Berücksichtigung nachgewiesener Versicherungsbeträge in Höhe von 15 286 DM. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) folgte dem nicht. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Der Gesetzgeber könne die Freibeträge bei den einzelnen Einkunftsarten unterschiedlich regeln. Die Begrenzung des Abzugs von Vorsorgeaufwendungen gemäß § 10 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sei nicht zu beanstanden. Eine Aussetzung des Verfahrens komme nicht in Betracht.
Mit der Beschwerde machen die Kläger geltend:
1. Die Revision sei wegen eines Verfahrensmangels zuzulassen. Dem Antrag auf Aussetzung des Verfahrens sei nicht entsprochen worden. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) reduziere sich der Ermessensspielraum, ob ein Klageverfahren auszusetzen sei, auf Null, wenn vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ein nicht als aussichtslos erscheinendes Musterverfahren gegen eine im Streitfall anzuwendende Norm anhängig sei. Diese Voraussetzungen seien erfüllt; vor dem BVerfG seien die Verfahren 2 BvR 274/03 und 2 BvR 937/03 anhängig.
2. Bei den Verfahren, mit denen die Verfassungswidrigkeit der Sonderausgabenhöchstbeträge geltend gemacht würde, handele es sich um Massenverfahren im Sinne der Rechtsprechung des III. Senats des BFH. Das FG sei darauf hingewiesen worden, dass der angefochtene Bescheid keinen Vorläufigkeitsvermerk enthalte. Gerade im Hinblick darauf habe das Verfahren ausgesetzt werden müssen. Das FG habe den Vortrag zum fehlenden Vorläufigkeitsvermerk nicht zur Kenntnis genommen. Auch darin liege ein Verfahrensfehler.
Die Kläger beantragen, die Revision zuzulassen.
Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
1. Ein Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens liege nicht vor. Das FG sei nicht zur Aussetzung des Verfahrens verpflichtet gewesen. Von der beim BVerfG anhängigen Rechtsfrage seien nur selbständig Tätige betroffen. Es sei auch nicht zu erwarten, dass das BVerfG die Regelung des § 10 Abs. 3 EStG verfassungsrechtlich beanstanden werde.
2. Nach der Rechtsauffassung des FG sei es auf die Frage, ob der Einkommensteuerbescheid mit einem Vorläufigkeitsvermerk zu versehen sei, nicht angekommen. Darüber hinaus könnten die Kläger einen eventuellen Verstoß gegen das Recht auf Gehör nicht mehr geltend machen, da sie eine solche Rüge in der mündlichen Verhandlung hätten geltend machen können. Trotz ordnungsgemäßer Ladung seien sie aber nicht erschienen.
II. Die Beschwerde ist teils unzulässig, teils unbegründet und damit insgesamt als unbegründet zurückzuweisen. Die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) liegen nicht vor.
1. Wird als Verfahrensmangel gerügt, das FG hätte das Klageverfahren wegen Vorgreiflichkeit eines anderen anhängigen Rechtsstreits nach § 74 FGO aussetzen müssen, so erfordert dies --wie bei anderen Verfahrensmängeln auch-- die genaue Angabe von Tatsachen, aus denen sich der Verfahrensverstoß ergeben soll (vgl. § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Um ordnungsgemäß eine Verletzung der Pflicht zur Verfahrensaussetzung zu rügen, ist das angeblich vor dem BVerfG anhängige Musterverfahren genau zu bezeichnen, und es ist substantiiert darzulegen, dass dieses Verfahren die von der Rechtsprechung aufgestellten tatsächlichen Voraussetzungen für eine Verfahrensaussetzung erfüllt (vgl. BFH-Beschluss vom 8. April 2003 XI B 79/00, BFH/NV 2003, 1585). Die Aussetzung eines Verfahrens wegen vor dem BVerfG anhängiger Musterverfahren ist nur dann gerechtfertigt, wenn die oder das Musterverfahren und das Verfahren, dessen Aussetzung in Frage steht, hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Streitfrage im Wesentlichen gleich gelagert sind (BFH-Beschlüsse vom 27. November 1992 III B 133/91, BFHE 169, 498, BStBl II 1993, 240, und vom 10. Februar 1995 III B 65/92, BFH/NV 1995, 948).
Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben. Dem Verfahren 2 BvR 247/03 liegt die Entscheidung des BFH vom 16. Oktober 2002 XI R 41/99 (BFHE 200, 529, BStBl II 2003, 179) zugrunde, in dem der BFH über den Sonderausgabenabzug eines Freiberuflers zu entscheiden hatte. Das Verfahren 2 BvR 937/03 betrifft eine Entscheidung, in der die Höhe des Grundfreibetrags streitig war (BFH-Beschluss vom 8. Mai 2003 IV R 95/99, BFH/NV 2003, 1054). Im Streitfall hingegen ist der Abzug von Vorsorgeaufwendungen bei Steuerpflichtigen mit Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit streitig. Die Situation von Arbeitnehmern ist insbesondere im Hinblick auf die Vergünstigung gemäß § 3 Nr. 62 EStG mit der von Selbständigen nicht vergleichbar (vgl. BFH-Urteil in BFHE 200, 529, BStBl II 2003, 179).
2. Soweit die Kläger in Bezug auf die unterlassene Aufnahme eines Vorläufigkeitsvermerks gemäß § 165 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) die Verletzung rechtlichen Gehörs rügen, hätten sie darlegen müssen, warum sie diesen Mangel nicht bereits vor dem FG geltend gemacht haben (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., 2002, § 119 Rz. 12). Das ist nicht geschehen.
Ende der Entscheidung
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