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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 19.04.2005
Aktenzeichen: XI B 243/03
Rechtsgebiete: ZPO, FGO, ZPO


Vorschriften:

FGO § 94
FGO § 96 Abs. 1 Satz 1
FGO § 96 Abs. 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
ZPO § 160
ZPO § 164 Abs. 1
ZPO § 164 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hatte in den Streitjahren 1987 bis 1994 ein Gewerbe "Kfz-Mechanikerbetrieb, An- und Verkauf von Gebrauchtwagen und Ersatzteilverkauf" angemeldet. Im Juli 1996 führte das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung bei dem Kläger eine Außenprüfung durch und stellte nicht versteuerte Einkünfte aus Kapitalvermögen fest. Da das Kapitalvermögen nicht aus den erklärten Einnahmen zu erwirtschaften gewesen sei, wurden aufgrund einer Geldverkehrsrechnung Umsätze und Betriebseinnahmen erhöht. Es ergaben sich Mehrsteuern von insgesamt ca. 300 000 DM.

Der Kläger ist der Auffassung, dass die formell ordnungsgemäße Buchführung nicht durch eine Geldverkehrsrechnung widerlegt werden könne. Im Übrigen sei die Geldverkehrsrechnung auch deshalb fehlerhaft, weil statistische Allgemeinwerte in das Rechenwerk eingeflossen seien. Auch habe er zum 1. Januar 1987 über 320 000 DM Bargeld verfügt und zum 1. Januar 1990 ca. 200 000 DM bar zu Hause vorgehalten. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) hielt an den geänderten Bescheiden fest und wies die Einsprüche als unbegründet zurück. Die Zuschätzungen seien dem Grunde und der Höhe nach rechtmäßig, weil der Betrieb des Klägers die einzige Einkunftsquelle dargestellt habe, die im Streitzeitraum für Entnahmen zur Verfügung gestanden habe und weil die Einnahmen aus dem Kfz-Betrieb und die zugeflossenen Sparzinsen nicht ausgereicht hätten, um die Eigenfinanzierung des in 1990 errichteten Mehrfamilienhauses und die Kapitalaufstockungen von ca. 114 000 DM pro Jahr zu bewirken. Die Einlassung des Klägers über die behaupteten Bargeldbestände und über angebliche Schenkungen, Erbschaften und Spielgewinne seien nicht glaubhaft.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage nur zu einem geringen Teil statt. Die Geldverkehrsrechnung sei grundsätzlich nicht zu beanstanden. Allerdings berücksichtigte das FG die schätzungsbedingten Unsicherheiten in der Weise, dass es einen Sicherheitsabschlag von 25 v.H. auf die hinzugeschätzten Betriebseinnahmen und auf die Zinseinnahmen aus dem Depot bei der X-Bank Luxemburg für geboten hielt.

Mit der Beschwerde macht der Kläger geltend:

1. Das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 6. Mai 2003 sei am 15. Juni 2003 ausweislich des Aktenvermerks auf Bl. 240 der FG-Akte geändert worden.

Das FG habe verschiedene Tatsachen, die weder im Protokoll noch im Tatbestand des Urteils aufgeführt seien, den Entscheidungsgründen zugrunde gelegt. Das Protokoll müsse die wesentlichen Erklärungen der Beteiligten enthalten. In der Kfz-Werkstatt sei niemand schwarz beschäftigt worden.

Protokolländerungen seien grundsätzlich unzulässig. Ausweislich des Protokolls sei das Urteil auf eine mündliche Verhandlung ergangen, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden seien.

2. Dem Kläger sei in mehrfacher Hinsicht das rechtliche Gehör versagt worden.

a) Das FG habe kein Sachverständigengutachten zu der Frage eingeholt, dass aufgrund der Struktur des Betriebs keine weiteren Einnahmen zu erzielen gewesen seien.

b) Das FG habe nicht zur Kenntnis genommen, dass die Geldverkehrsrechnung des FA objektiv falsch gewesen sei. Hätte das FG den Sachvortrag des Klägers mit allen Beweisantritten und dem Akteninhalt zur Kenntnis genommen, hätte es ausführen müssen, dass der vom Kläger behauptete Bargeldbestand tatsächlich vorhanden gewesen sei.

Das FG habe wesentliche Schriftsätze des Klägers übergangen. Der Kläger habe bewiesen, dass die Geldverkehrsrechnung des FA objektiv falsch gewesen sei. Der Schriftsatz vom 4. Februar 2000 sei nicht zur Kenntnis genommen worden. Darin sei dargelegt worden, dass zum 1. Januar 1990 Bargeld in der Größenordnung von 200 000 DM vorhanden gewesen sei.

Das FG habe auch die Mehrung des Bankguthabens im Jahr 1990 um rund 123 000 DM nicht zur Kenntnis genommen. Nur dadurch, dass der Betrag als nicht nennenswert bezeichnet worden sei, sei es dem Gericht möglich gewesen, davon auszugehen, dass Einnahmen nicht erfasst worden seien.

3. Das FG gehe von dem Erfahrungssatz aus, dass im Kfz-Handwerk tätige Personen Schwarzarbeit verrichteten. Dieser Erfahrungssatz bestehe nicht. Das Thema "Schwarzarbeit" sei nicht Gegenstand der Verhandlung gewesen. Der Kleinbetrieb des Klägers habe keine Mehreinnahmen abwerfen können. Es sei im Rahmen der mündlichen Verhandlung auch nicht davon gesprochen worden, dass der Kläger tatsächlich einen Gebrauchtwarenhandel betrieben habe.

4. Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verbiete Überraschungsentscheidungen. Aufgrund eines "Vergleichsvorschlags", der auf unzureichende Beweise seitens des FA gestützt worden sei und die Aufhebung der geänderten Umsatz- und Gewerbesteuermessbescheide zum Gegenstand gehabt habe, sei die Verhandlung unterbrochen worden. Der Kläger habe den Vorschlag nicht akzeptiert, da er keine Mehreinnahmen erzielt habe. Über Umsatz- und Gewerbesteuer und über Schwarzarbeit sei dann nicht mehr gesprochen worden. Der Kläger habe sich auf die Rechtsmeinung des Gerichts eingestellt; mit einer solchen Kehrtwendung habe nicht gerechnet werden können.

5. Ebenso habe das FG zu Unrecht unterstellt, dass die Arbeitskraft des Betriebsinhabers mit einem Wert von 1,3 anzusetzen sei. Dem Betriebsinhaber obliege die Durchführung von Verwaltungsarbeiten; produktiv tätig sei der Monteur. Entgegen der Auffassung des FG bestehe keine "Luft" für eine weitere produktive Tätigkeit. Das Gericht habe nicht unterstellen dürfen, dass der Kläger zusätzlich mehr gearbeitet habe.

6. Das FG habe seiner Entscheidung lediglich Behauptungen, nicht aber Tatsachen zugrunde gelegt. Die seitens des FG gemachten Rechtsfehler hätten ein erhebliches Gewicht; die Sache habe daher grundsätzliche Bedeutung.

7. Die in der Strafakte befindliche Äußerung, dass man auch auf andere Weise viel Geld verdienen könne, habe in der Verhandlung keine Rolle gespielt. Das Gericht hätte auf die Verwendung dieser Äußerung hinweisen müssen; dem Kläger selbst sei dieser Vermerk nicht bekannt gewesen.

8. Die streitigen Punkte hätten im Rahmen einer Beweisaufnahme geklärt werden können. Das Gericht sei nicht berechtigt gewesen, pauschal einen Sicherheitsabschlag von 25 v.H. vorzunehmen. Insoweit habe der Rechtsstreit ebenfalls grundsätzliche Bedeutung.

Der Kläger beantragt, die Revision zuzulassen.

Das FA beantragt, die Beschwerde zu verwerfen.

1. Es sei nicht erkennbar, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu klären sei.

2. Ausweislich des Protokolls seien die Vorschriften über die Öffentlichkeit der Verhandlung nicht verletzt worden. Unrichtigkeiten des Protokolls könnten jederzeit berichtigt werden (§ 164 Abs. 1 der Zivilprozessordnung --ZPO--). Das Protokoll enthalte die wesentlichen Vorgänge der Verhandlung. Der Umstand, dass einzelne Aussagen nicht im Protokoll aufgeführt seien, verstoße nicht gegen § 160 ZPO.

3. Entgegen der Auffassung des Klägers habe das FG keine Beweisanträge und kein tatsächliches Vorbringen übergangen. Das FG habe ausgeführt, dass dem Beweisantritt durch die Vernehmung der ehemaligen Mitarbeiter nicht habe nachgegangen werden müssen, da es nicht unterstellt habe, dass weitere Mitarbeiter im Betrieb beschäftigt gewesen seien. Das Gericht entscheide aus seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung.

4. Das FG habe keine Überraschungsentscheidung getroffen. Eine unzulässige Überraschungsentscheidung liege nicht vor, wenn das FG rechtliche Gesichtspunkte, die bisher nicht im Vordergrund gestanden hätten, in der Entscheidung als maßgeblich herausstelle. Eine Überraschungsentscheidung sei auch insoweit nicht gegeben, als das FG in seiner Entscheidung von dem Vergleichsvorschlag abgewichen sei. Ein Vergleichsvorschlag folge anderen Regeln als die abschließende Entscheidung.

5. Der Umfang der Bargeldbestände sei während des gesamten Verfahrens kontrovers erörtert worden. Es treffe nicht zu, dass der Kläger nachgewiesen habe, dass die Geldverkehrsrechnung fehlerhaft gewesen sei.

6. Bei dem auf S. 11 des FG-Urteils erwähnten Vermerk handele es sich um den Aktenvermerk des FA vom 17. Februar 1999. Der Vermerk befinde sich originär in den Einkommensteuerakten und sei dem Beschwerdeführer überreicht worden. Der Beschwerdeführer habe zu dem Vermerk Stellung nehmen können.

7. Das FG sei zur Schätzung berechtigt gewesen, wenn es als Ergebnis seiner freien Beweiswürdigung zu dem Schluss komme, dass die Besteuerungsgrundlagen nicht ermittelt oder berechnet werden könnten.

II. Die Beschwerde ist teils unzulässig, teils unbegründet und damit insgesamt als unbegründet zurückzuweisen.

1. Grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kommt einer Rechtssache nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt.

Die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO verlangt gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO einen substantiierten Vortrag der Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage, die im konkreten Streitfall voraussichtlich auch klärungsfähig ist. Dazu ist auszuführen, dass die Beurteilung der aufgeworfenen Rechtsfrage von der Klärung einer zweifelhaften oder umstrittenen Rechtslage abhängig ist. Hierzu muss sich die Beschwerde insbesondere mit der Rechtsprechung des BFH, den Äußerungen im Schrifttum sowie mit ggf. veröffentlichten Verwaltungsmeinungen auseinander setzen (BFH-Beschluss vom 30. April 2004 III B 90/03, zitiert nach juris).

Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Insoweit hat der Kläger nicht dargelegt, welche Rechtsfrage im Streitfall klärungsbedürftig sei. Allein die Behauptung, dass die dem FG unterlaufenen Rechtsfehler ein erhebliches Gewicht hätten, genügt zur Annahme der grundsätzlichen Bedeutung des Falles ebenso wenig wie der Vortrag, dass das Gericht nicht berechtigt gewesen sei, pauschal einen Sicherheitsabschlag von 25 v.H. vorzunehmen.

2. Gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO müssen diese Voraussetzungen dargelegt werden. Die Geltendmachung eines Verfahrensmangels verlangt eine genaue Angabe der Tatsachen, die den gerügten Mangel ergeben, unter gleichzeitigem schlüssigen Vortrag, inwiefern das angegriffene Urteil ohne diesen Verfahrensmangel anders ausgefallen wäre (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., 2002, § 116 Rz. 48, 49). Daraus muss erkennbar sein, welche Verfahrensvorschrift das FG nach Ansicht des Beschwerdeführers verletzt hat.

a) Die Protokollierung des Ablaufs der mündlichen Verhandlung enthält keine Verfahrensfehler, auf der die Entscheidung beruhen kann.

aa) Der notwendige Inhalt des Protokolls ergibt sich aus § 160 ZPO i.V.m. § 94 FGO und bezieht sich in erster Linie auf den äußeren Hergang der Verhandlung. Die Erörterung gerichtskundiger Tatsachen gehört demgegenüber nicht zu den wesentlichen Vorgängen, die in das Protokoll aufgenommen werden müssen. Dasselbe gilt für die Tatsachenfeststellungen, die im Urteil getroffen werden, sowie für die tatsächliche oder rechtliche Erörterung mit den Beteiligten (vgl. Gräber/Koch, a.a.O., § 94 Rz. 7).

bb) Gemäß § 164 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 94 FGO können Unrichtigkeiten des Protokolls jederzeit berichtigt werden. Im Streitfall ist der Betreff nachträglich berichtigt worden. Im Betreff waren zunächst angegeben "... Gewerbesteuermessbescheide 1987 und 1994, Einheitsbewertung des Betriebsvermögens 1986 bis 1994". Geändert worden ist diese Angabe in "Gewerbesteuermessbescheide 1987 bis 1994, Einheitsbewertung des Betriebsvermögens 1986 bis 1995". Zwar hat es das FG unterlassen, vor dieser Berichtigung die nach § 164 Abs. 2 ZPO erforderliche Anhörung der Beteiligten vorzunehmen. Bei der Berichtigung handelte es sich indes um keine inhaltliche Änderung, sondern lediglich um die Beseitigung eines offensichtlichen Versehens. In diesem Fall ist ausgeschlossen, dass die Entscheidung auf der Nichtbeachtung des § 164 Abs. 2 ZPO beruhen kann; eine Verfahrensrevision ist insoweit nicht eröffnet (vgl. auch Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 90).

cc) Schließlich lassen sich dem Protokoll keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass die Vorschriften über die Öffentlichkeit verletzt worden sind.

b) Das FG verletzt das in § 96 Abs. 2 FGO normierte Recht der Beteiligten auf Gehör, wenn es seiner Entscheidung einen Sachverhalt zu Grunde legt, der zuvor weder von einem Verfahrensbeteiligten behauptet noch vom FG selbst zur Diskussion gestellt worden war. Das FG ist nicht verpflichtet, im Urteil auf jeden im Verfahren vorgetragenen Gesichtspunkt einzugehen; doch müssen die Entscheidungsgründe erkennbar machen, dass das Gericht das wesentliche Vorbringen der Beteiligten bei seiner Entscheidung berücksichtigt hat. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist erst dann verletzt, wenn sich aus den besonderen Umständen des Falles eindeutig ergibt, dass das Gericht ein tatsächliches Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat. Hat das FG im Tatbestand des Urteils auf den Schriftsatz des Klägers ausdrücklich hingewiesen, ist die Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht schlüssig dargelegt (BFH-Beschluss vom 3. November 2004 X B 154/03, zitiert nach juris).

aa) Im Streitfall hat das FG sich mit der Richtigkeit der Geldverkehrsrechnung auseinander gesetzt (dazu BFH-Urteil vom 8. November 1989 X R 178/87, BFHE 159, 20, BStBl II 1990, 268). Dazu hat das FG u.a. ausgeführt, dass die behaupteten Spielgewinne, Erbschaften und weiteren Schenkungen nicht glaubhaft seien und dass auch die Ausführungen zur Finanzierung des Mehrfamilienhauses im Jahr 1990 nicht geeignet seien, den vom Kläger behaupteten Bargeldbestand zu belegen oder die Geldverkehrsrechnung zu erschüttern. Dass das FG die Sachverhalte anders beurteilt hat als der Kläger, führt nicht zu einer Verletzung des rechtlichen Gehörs.

bb) Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt auch insoweit nicht vor, als das FG auf den Vermerk vom 17. Februar 1999 zurückgegriffen hat. Dieser Vermerk befindet sich in der Einkommensteuerakte und ist dem Kläger zur Verfügung gestellt worden.

cc) Eine Verletzung rechtlichen Gehörs liegt nicht vor, wenn das FG die Besteuerungsgrundlagen, soweit es sie nicht ermitteln kann, selbst schätzt, ohne dies vorher anzukündigen (vgl. BFH-Beschluss vom 25. Februar 2004 III B 126/03, zitiert nach juris); die Verpflichtung des FG zur Schätzung ergibt sich aus § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO. Ob das FG die Schätzung dem Grunde und der Höhe nach zu Recht vorgenommen hat, ist eine Frage des materiellen Rechts.

c) Das Recht auf Gehör umfasst ein Verbot von Überraschungsentscheidungen. Dieses beinhaltet zum einen, dass das FG sein Urteil nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse stützen darf, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten (§ 96 Abs. 2 FGO). Zum anderen haben die Verfahrensbeteiligten Anspruch darauf, dass das Gericht sie auch in rechtlicher Hinsicht auf entscheidungserhebliche Erwägungen und Gesichtspunkte hinweist, mit denen sie erkennbar nicht gerechnet haben und auch nicht rechnen mussten. Das FG verstößt deshalb gegen das Recht eines Beteiligten auf Gehör, wenn es sein Urteil auf einen rechtlichen Gesichtspunkt stützt, der weder im Besteuerungsverfahren noch im gerichtlichen Verfahren zur Sprache gekommen war und dessen Heranziehung auch nicht aus sonstigen Gründen nahe lag. Eine Verletzung des so beschriebenen Rechts auf Gehör ist ein Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO (vgl. BFH-Beschluss vom 15. September 2004 I B 18/04, zitiert nach juris).

Der Umstand, dass das FG mit seiner Entscheidung von dem "Vergleichsvorschlag" abgewichen ist, bewirkt nicht eine Überraschungsentscheidung. Ungeachtet des "Vergleichsvorschlags" sind alle rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkte erörtert worden, zu denen sich die Beteiligten auch äußern konnten und geäußert haben. Die endgültige Entscheidung muss nicht mit dem Inhalt eines Vorschlags zur einvernehmlichen Erledigung des Rechtsstreits übereinstimmen. Dieser Vorschlag ist eine sich aus der Prozessförderungspflicht (vgl. § 79 FGO) ergebende Anregung an die Beteiligten, sich in einer bestimmten Weise zu einigen. Im Übrigen hat das Gericht die bestehenden Unsicherheiten in der Weise berücksichtigt, dass es einen Abschlag von 25 v.H. vorgenommen hat.

d) Das FG hat keine Beweisangebote in fehlerhafter Weise übergangen.

Eine unterbliebene Beweiserhebung begründet dann keinen Verfahrensfehler, wenn die Beweiserhebung aus Sicht des erkennenden Gerichts nicht geboten war, da die in Frage stehenden Tatsachen zu Gunsten des Beweisführenden als wahr unterstellt werden konnten (BFH-Beschluss vom 18. Oktober 2004 IX B 132/03, BFH/NV 2005, 371). Wird als Verfahrensmangel gerügt, das FG habe gestellte Beweisanträge übergangen (Rüge mangelnder Sachaufklärung gemäß § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO), so ist in der Beschwerdebegründung u.a. substantiiert darzulegen, dass die Nichterhebung der Beweise vor dem FG rechtzeitig gerügt worden ist oder aufgrund des Verhaltens des FG nicht mehr vor diesem gerügt werden konnte (BFH-Beschluss vom 17. Februar 2004 X B 142/03, zitiert nach juris).

Im Streitfall war das FG nicht verpflichtet, den Beweisangeboten des Klägers zu folgen. Das Gericht hat die behaupteten Tatsachen als wahr unterstellt und ist davon ausgegangen, dass keine weiteren Mitarbeiter in dem Betrieb beschäftigt gewesen seien.

Das FG war nicht verpflichtet, ein Sachverständigengutachten zu der Frage einzuholen, dass aufgrund der Struktur des Betriebs keine weiteren Einnahmen zu erzielen gewesen seien. Ein Antrag auf Erhebung des Sachverständigenbeweises darf abgelehnt werden, wenn das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen zu dem Ergebnis kommt, selbst die erforderliche Sachkunde zu besitzen. Die Grenzen des Ermessens werden erst dann erreicht, wenn sich die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Sachverständigen aufdrängt (BFH-Beschluss vom 11. September 1997 IV B 93/96, BFH/NV 1998, 467).

Im Streitfall hat sich die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Sachverständigen nicht aufgedrängt. Die Frage des Umfangs der Einnahmeerzielung konnte das FG auf der Grundlage der Geldverkehrsrechnung selbst beurteilen; aus den vorhandenen Zahlen folgte zwangsläufig, dass weitere Einnahmen erzielt worden sein mussten.

Im Übrigen scheitert diese Rüge schon daran, dass der Kläger in der Beschwerdebegründung nicht substantiiert dargelegt hat, dass die Nichterhebung der Beweise vor dem FG rechtzeitig gerügt worden sei oder aufgrund des Verhaltens des FG nicht mehr vor diesem gerügt habe werden können.

e) Das FG hat entgegen der Auffassung des Klägers keine Erfahrungssätze verletzt. Soweit das FG Schwarzarbeit im Kfz-Handwerk für möglich hält, ist diese Einschätzung nicht von der Hand zu weisen; nach seriösen Schätzungen soll der Umfang der Schattenwirtschaft insgesamt rund 16 % des Brutto-Inlandsprodukts betragen (vgl. z.B. Bericht der Süddeutschen Zeitung vom 24. März 2004, S. 20). Die Einschätzung des FG diente auch nur dazu, die Plausibilität der Geldverkehrsrechnung zu erläutern; besondere Rechtsfolgen hat das FG aus dieser Erkenntnis nicht hergeleitet. Im Übrigen sind Verstöße gegen Erfahrungssätze keine Verfahrensfehler, sondern materielle Rechtsfehler (Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 83).

Entsprechendes gilt für die Rüge, dass das Gericht die Arbeitskraft des Klägers als Betriebsinhaber falsch bewertet habe. Das FG ist bei der Beurteilung der Geldverkehrsrechnung aufgrund einer Gesamtwürdigung der Verhältnisse davon ausgegangen, dass der Kläger selbst "produktiv" tätig geworden sei. Diese Beurteilung beruht auf einer Beweiswürdigung, die revisionsrechtlich dem materiellen Recht zuzuordnen ist.

Ende der Entscheidung

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