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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 04.11.1999
Aktenzeichen: XI B 25/99
Rechtsgebiete: AO 1977, FGO


Vorschriften:

AO 1977 §§ 268 ff.
AO 1977 § 155 Abs. 2
AO 1977 § 278 Abs. 2
FGO § 69 Abs. 3
FGO § 69 Abs. 2 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Nach einer Außenprüfung erfaßte der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) den Gewinn aus der Veräußerung des Grundstücks S im Streitjahr 1990 bei den Einkünften des Antragstellers und Beschwerdeführers (Antragsteller) aus Gewerbebetrieb (gewerblicher Grundstückshandel) mit einem Betrag von ... DM. Gegen den insoweit ergangenen Bescheid vom 4. Mai 1998 haben der Antragsteller und die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) Einspruch eingelegt, über den noch nicht entschieden ist. Die Einkommensteuerschuld wurde gemäß §§ 268 ff. der Abgabenordnung (AO 1977) auf den Antragsteller und die Antragstellerin aufgeteilt.

Das Grundstück S stand im gesamthänderischen Eigentum der ... Wohnungsgesellschaft GbR (GbR), an welcher der Antragsteller zu 1/3 beteiligt war. Das für die Feststellung der Einkünfte der GbR zuständige FA A hatte zunächst mit Bescheid vom 13. Februar 1992 die Einkünfte als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung einheitlich festgestellt. Unter dem 22. September 1998 erließ das FA A einen geänderten Feststellungsbescheid für die GbR und stellte die Einkünfte des Antragstellers in Höhe von ... DM als Anteile an laufenden Einkünften aus Gewerbebetrieb fest. Dieser Bescheid wurde durch Feststellungsbescheid vom 15. Dezember 1998 geändert und durch Bescheid vom 15. Juli 1999 wieder aufgehoben, so daß nach Meinung des FA A der Feststellungsbescheid vom 13. Februar 1992 wieder wirksam geworden ist.

Im Einspruchsverfahren setzte das FA die gesamte rückständige Einkommensteuer nebst Zinsen rückwirkend von der Vollziehung aus. Hinsichtlich des Veräußerungsgewinns wurde die Vollziehung "bis zum Vorliegen eines geänderten Feststellungsbescheides über die Beteiligungseinkünfte des Ehemannes bei der GbR" ausgesetzt.

Vor dem Finanzgericht (FG) begehrten die Antragsteller, die Vollziehung des Einkommensteuerbescheides 1990 bis einen Monat nach Bekanntgabe einer Entscheidung im außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren auszusetzen. Das FG wies den Antrag zurück. Für den Antrag der Antragstellerin fehle ein Rechtsschutzbedürfnis, da das FA nach Aufteilung der Steuerschuld die auf sie entfallenden Beträge für die Dauer des Vorverfahrens vollständig von der Vollziehung ausgesetzt habe. Im übrigen bestünden keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Einkommensteueränderungsbescheides vom 4. Mai 1998. Im Hinblick auf die zahlreichen Grundstücksgeschäfte liege eine gewerbliche Betätigung vor. Das FA habe den gewerblichen Gewinn auch schon vor Ergehen des geänderten Feststellungsbescheides erfassen dürfen (§ 155 Abs. 2 AO 1977). Die Zuordnung der Einkünfte zum gewerblichen Bereich habe das FA rechtlich einwandfrei in dem geänderten Einkommensteuerbescheid vorgenommen, der hinsichtlich der Gewerblichkeit dieser Einkünfte Grundlagenbescheid für das FA A sei.

Mit der Beschwerde machen die Antragsteller geltend:

1. Auch für die Antragstellerin bestehe ein Rechtsschutzbedürfnis. Es bestehe die Möglichkeit, daß das FA gemäß § 278 Abs. 2 AO 1977 für Steuern des Antragstellers in ihr Vermögen vollstrecke.

2. Das (ebenfalls veräußerte) Grundstück E gehöre zu einem Gewerbebetrieb, der nicht identisch sei mit den anderen Tätigkeiten des Antragstellers. Warum ein Grundstückshändler nicht die Möglichkeit haben solle, seine Tätigkeit in mehreren Gewerbebetrieben auszuüben, sei nicht einzusehen.

3. Das FA habe den Einkommensteuerbescheid 1990 bezüglich des Gewinns aus der Veräußerung des Grundstücks S ohne ausreichende gesetzliche Grundlagen erlassen. Der Grundsatz, daß bei Personengesellschaften die festzustellenden Einkünfte nicht nach Art und Höhe getrennt werden könnten, müsse dazu führen, daß die Feststellung der Einkünfte insgesamt ausschließlich entweder der Zuständigkeit des Gesellschafter-FA oder des Gesellschafts-FA zugewiesen werde. Für die Zuweisung an das Gesellschafter-FA fehle es an einer gesetzlichen Grundlage. Deshalb könne die Feststellung der Einkünfte der Art und der Höhe nach nur in die Zuständigkeit des Gesellschafts-FA fallen. Zwischen den Urteilen des IV. Senats und des III. Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) bestehe ein Widerspruch.

Im vorliegenden Aussetzungsverfahren könne nicht unentschieden bleiben, ob gewerbliche Einkünfte auf Gesellschafts- oder Gesellschafterebene umzuqualifizieren seien. Folge das Gericht der Auffassung der Antragsteller, wonach das FA A als Gesellschafts-FA für die Umqualifizierung der Einkünfte zuständig sei, so sei der vom FA erlassene Einkommensteuerbescheid rechtswidrig. Mit der Aufhebung des Feststellungsbescheides für 1990 sei nach den Rechtsgrundsätzen des BFH-Urteils vom 11. Dezember 1997 III R 14/96 (BFHE 185, 177, BStBl II 1999, 401) eine wesentliche Grundlage für den Einkommensteuerbescheid 1990 entfallen.

Dem FA stehe nicht das Recht zu, in eigener Zuständigkeit abweichend vom Feststellungsbescheid vom 13. Februar 1992 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in den Einkommensteuerbescheid 1990 einzubeziehen. Verstießen Bescheide gegen das Verfahrensrecht, seien sie rechtswidrig, selbst wenn sie materiell-rechtlich richtig seien.

Die Antragsteller beantragen, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Vollziehung des Bescheides vom 4. Mai 1998 bezüglich der Einkommensteuer in Höhe von ... DM und bezüglich der Zinsen zur Einkommensteuer in Höhe von ... DM bis einen Monat nach Bekanntgabe einer Entscheidung im außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren ohne Sicherheitsleistung auszusetzen.

Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

1. Dem Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin werde durch den Antrag des Antragstellers genügt.

2. Entgegen der Auffassung der Antragsteller sei das Grundstück E in den gewerblichen Grundstückshandel einzubeziehen.

3. Hinsichtlich der Umqualifizierung der Einkunftsart auf der Gesellschafterebene und der Zulässigkeit des Feststellungsbescheides des FA A werde auf die Ausführungen in dem angefochtenen Beschluß verwiesen.

Mit Bescheid vom 29. Juni 1999 setzte das FA aufgrund einer Mitteilung des FA A die rückständige Einkommensteuer in Höhe von ... DM und rückständige Zinsen zur Einkommensteuer in Höhe von ... DM rückwirkend bis einen Monat nach Bekanntgabe der Entscheidung über den beim FA A anhängigen Rechtsbehelf gegen den Feststellungsbescheid 1990 für die GbR von der Vollziehung aus. Die Aussetzung der Vollziehung wurde unter der aufschiebenden Bedingung gewährt, daß bis zum 31. August 1999 eine Sicherheitsleistung in Höhe von ... DM erbracht wird. Die Antragsteller haben den Aussetzungsbescheid vom 29. Juni 1999 zum Gegenstand des Verfahrens gemacht.

II. 1. Die Beschwerde der Antragstellerin ist unbegründet.

Das FG hat zu Recht ein Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin verneint. Wie jede Rechtsverfolgung setzt auch der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ein Rechtsschutzbedürfnis voraus. Ein solches Bedürfnis kann in der Regel aus dem Vorliegen einer Beschwer hergeleitet werden, die sich aus einer für den Betroffenen nachteiligen Entscheidung ergeben kann.

Diese Voraussetzungen sind bei der Antragstellerin nicht gegeben. Die Aufteilung wirkt wie eine teilweise Tilgung der Steuerschuld (Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., Stand Oktober 1998, § 278 AO 1977 Tz. 2). Eine Aussetzung der Vollziehung kann nur noch hinsichtlich der verbliebenen Steuerschuld in Betracht kommen. Insoweit hat das FA aber dem Begehren der Antragstellerin in vollem Umfang entsprochen.

Soweit die Antragsteller auf § 278 Abs. 2 AO 1977 verweisen, kann ihnen nicht gefolgt werden, da die abstrakte Möglichkeit, unter den besonderen Voraussetzungen dieser Regelung für die Steuer des anderen in Anspruch genommen zu werden, zur Begründung des Rechtsschutzbedürfnisses nicht ausreicht. Die Antragstellerin hätte ihr konkretes Rechtsschutzinteresse darlegen müssen.

2. Die Beschwerde des Antragstellers ist ganz überwiegend begründet.

a) Gemäß § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) soll ein Steuerbescheid von der Vollziehung ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Gemäß § 69 Abs. 2 Satz 3 FGO kann die Aussetzung von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden.

Ernstliche Zweifel in diesem Sinne liegen nach ständiger Rechtsprechung des BFH vor, wenn --bei summarischer Betrachtung-- neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (weitere Nachweise bei Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., 1997, § 69 Rdnr. 77).

b) Bei summarischer Betrachtung bestehen an der Rechtmäßigkeit des Einkommensteuerbescheides ernstliche Zweifel. Die Ermittlung des Veräußerungsgewinns entspricht nicht den verfahrensrechtlichen Vorgaben, die nach dem BFH-Urteil in BFHE 185, 177, BStBl II 1999, 401 zu beachten sind. Nach dieser Entscheidung obliegt die Ermittlung der Höhe gemeinsam erzielter Einkünfte dem Gesellschafts-FA, während die Art der Einkünfte durch das Gesellschafter-FA bestimmt wird. Im Streitfall hat das FA (das Gesellschafter-FA) nicht nur die Art, sondern auch die Höhe der Einkünfte ermittelt und dem Einkommensteuerbescheid zugrunde gelegt. Soweit es um die Höhe der erzielten Einkünfte geht, besteht zwar die Möglichkeit, eine vorläufige Regelung i.S. des § 155 Abs. 2 AO 1977 zu treffen. In diesem Fall muß der Bescheid aber den klaren und eindeutigen Hinweis enthalten, daß insoweit nur eine vorläufige Regelung getroffen sein soll (vgl. BFHE 185, 177, BStBl II 1999, 401, unter II. 3.). Das ist nicht geschehen.

c) Hinsichtlich der Höhe des Aussetzungsbetrags folgt der Senat der Berechnung des FA, das zu Recht von einem unstreitigen zu versteuernden Einkommen in Höhe von ... DM ausgegangen ist.

Ende der Entscheidung

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