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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 17.11.1999
Aktenzeichen: XI B 4/99
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 128 Abs. 2
FGO § 74
FGO § 68
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) erließ unter dem 18. Juni 1996 Einkommensteuerbescheide 1991 bis 1993, die dem Steuerberater K mit einfachem Brief übermittelt wurden. K erklärte mit Schreiben vom 19. Juni 1996 den Widerruf seiner Vollmacht und sandte die Bescheide an das FA zurück.

Unter dem 31. Juli 1996 bzw. 3. September 1996 wurden die Einkommensteuerbescheide erneut zur Post gegeben. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) legten mit Schreiben vom 15. August 1996 bzw. 11. September 1996 Einsprüche ein.

Die Einsprüche hatten keinen Erfolg. Die Kläger erhoben Klage. Während des Verfahrens teilte das Finanzgericht (FG) den Klägern mit, dass die angefochtenen Bescheide möglicherweise schon unter dem 18. Juni 1996 bekannt gegeben worden seien. Die Kläger erhoben daraufhin in der mündlichen Verhandlung vom 8. Oktober 1998 Einspruch und beantragten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Mit Beschluss vom 14. Oktober 1998 setzte das FG das Verfahren (über die Bescheide vom 31. Juli 1996 bzw. 3. September 1996) bis zur abschließenden Entscheidung über den Einspruch der Kläger vom 8. Oktober 1998 gegen die Einkommensteuerbescheide 1991 bis 1993 vom 18. Juni 1996 aus. Die Entscheidung über die Bescheide vom 31. Juli 1996 bzw. 3. September 1996 hänge von der Entscheidung über den Einspruch vom 8. Oktober 1998 gegen die Bescheide von 18. Juni 1996 ab.

Mit der Beschwerde machen die Kläger geltend, dass ihrer Auffassung nach die Bescheide vom 18. Juni 1996 nicht wirksam bekannt gegeben worden seien; das Verfahren habe daher nicht ausgesetzt zu werden brauchen. Zum Zeitpunkt der Bekanntgabe sei der ursprünglich bestellte Berater nicht mehr Bevollmächtigter der Kläger gewesen; der Widerruf der Bevollmächtigung sei dem FA im Laufe des 21. Juni 1996 zugegangen.

Entgegen einer vom FG Düsseldorf (Urteil vom 29. Mai 1998 18 K 585/96 AO, Rev. X R 96/98) vertretenen Auffassung komme es nicht auf den tatsächlichen Zugang des Bescheides an.

Die Kläger beantragen sinngemäß,

den angefochtenen Beschluss aufzuheben.

Das FA beantragt,

die Beschwerde zu verwerfen.

Die Beschwerde sei unzulässig, da die Kläger durch den angefochtenen Beschluss nicht beschwert seien. Durch die Aussetzung des Verfahrens sei die Rechtsposition der Kläger nicht verschlechtert worden. Die Kläger hätten auch kein Rechtsschutzbedürfnis; ihre Rechtsauffassung könnten sie in dem laufenden Verfahren verfolgen. Die Beschwerde diene nicht dazu, Rechtsansichten, über die noch nicht entschieden worden sei, durch den Bundesfinanzhof (BFH) präjudizieren zu lassen.

II. Die Beschwerde ist begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.

1. Die Beschwerde ist statthaft; die Entscheidung über die Aussetzung des Verfahrens ist mit der Beschwerde anfechtbar (§ 128 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Beschwer der Kläger besteht darin, dass das Verfahren nicht fortgesetzt wird.

2. Gemäß § 74 FGO kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen rechtshängigen Rechtsstreits bildet, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits auszusetzen sei. In entsprechender Anwendung des § 74 FGO ist das Verfahren auch dann auszusetzen, wenn ein Änderungsbescheid ergangen und ein Antrag nach § 68 FGO nicht gestellt, sondern der Änderungsbescheid angefochten worden ist (ständige Rechtsprechung, BFH-Beschluss vom 25. Februar 1999 IV R 36/98, BFH/NV 1999, 1117; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., 1997, § 74 Rz. 13). Auszusetzen ist in diesen Fällen das Verfahren gegen den sog. Erstbescheid; es ist abzuwarten, ob der Änderungsbescheid Bestand hat.

Es entspricht ständiger Rechtsprechung des BFH, jeden formellen Verwaltungsakt als Verwaltungsakt i.S. des § 68 FGO zu beurteilen, ohne darauf abzustellen, wieweit der Bescheid eine materielle Änderung enthält (BFH-Beschluss vom 14. März 1996 XI B 121/91, BFH/NV 1996, 630, m.w.N.); auch eine sog. wiederholende Verfügung ist --jedenfalls im Bereich der Steuerfestsetzung-- ein Änderungsbescheid i.S. des § 68 Satz 1 FGO (vgl. BFH-Urteile vom 29. Mai 1974 II 53/64, BFHE 113, 69, BStBl II 1974, 697; vom 26. November 1997 I R 104/95, BFH/NV 1998, 1102).

Für den Streitfall folgt daraus: Sollten die Verfügungen vom 31. Juli 1996 bzw. 3. September 1996 lediglich wiederholenden Inhalt gehabt haben, wären sie als Änderungsbescheide zu qualifizieren; auszusetzen wäre dann allenfalls ein Verfahren gegen die Erstbescheide. Sollten diese Verfügungen hingegen mangels Bekanntgabe der Verfügungen vom 18. Juni 1996 als Erstbescheide anzusehen sein, so besteht für eine Aussetzung des Verfahrens erst recht kein Bedürfnis. Eine Aussetzung des Verfahrens über die Verfügungen vom 31. Juli 1996 bzw. 3. September 1996 ist daher in keinem Fall zulässig.

Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen (vgl. Gräber/ Ruban, a.a.O., § 143 Rz. 2).

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