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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 11.11.1999
Aktenzeichen: XI B 47/99
Rechtsgebiete: AO 1977


Vorschriften:

AO 1977 § 110 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) begehrt in ihrem vor dem Finanzgericht (FG) anhängigen Klageverfahren wegen Einkommensteuer 1995 die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Einspruchsfrist, die der Beklagte (das Finanzamt - FA -) in der angefochtenen Einspruchsentscheidung abgelehnt hat.

Das FA erließ - nachdem die Antragstellerin ihre Einkommensteuererklärung nicht abgegeben hatte - für 1995 unter dem Datum vom 3. März 1997 einen auf geschätzten Besteuerungsgrundlagen beruhenden Einkommensteuerbescheid. Dabei setzte es Unterhaltsleistungen des geschiedenen Ehemannes in der Höhe an, in der dieser die Unterhaltsleistungen als Sonderausgaben in seiner Einkommensteuererklärung abgezogen hatte. Die Antragstellerin hatte diesem Sonderausgabenabzug für 1995 in der Anlage U vom 30. November 1994 zugestimmt.

Am 21. Juli 1997 reichte die Antragstellerin ihre Einkommensteuererklärung beim FA ein. Dabei gab sie u.a. die Höhe der ihr zugeflossenen Unterhaltsleistungen mit ... DM an. Das FA setzte die Einkommensteuer 1995 mit Änderungsbescheid vom 15. Dezember 1997 neu fest. Die Unterhaltsleistungen setzte es weiterhin unverändert an.

Kurz vor Ergehen des Änderungsbescheids legte die Antragstellerin mit Schreiben vom 9. Dezember 1997 Einspruch "gegen die Veranlagung 1995" und den Einkommensteuerbescheid für 1996 ein. Zur Begründung führte sie aus, der Veranlagung seien nicht die von ihr tatsächlich erhaltenen Unterhaltsleistungen zugrunde gelegt worden.

Das FA verwarf mit Einspruchsentscheidung vom 7. Juli 1998 den Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 1995 vom 3. März 1997 als unzulässig, weil verspätet. Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand seien von der Antragstellerin weder vorgetragen, noch nach Aktenlage ersichtlich.

In der Klageschrift vom 13. Juli 1998 ließ die Antragstellerin ergänzend vortragen, sie sei während des gesamten Kalenderjahres 1997 psychisch erkrankt gewesen. Sie habe daher nicht rechtzeitig Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 1995 vom 3. März 1997 einlegen können. Am 22. September 1998 stellte ihr Prozessbevollmächtigter den Antrag, der Antragstellerin für die Durchführung des Klageverfahrens Prozesskostenhilfe (PKH) zu bewilligen und ihr den jetzigen Prozessbevollmächtigten beizuordnen.

Das FG wies den Antrag zurück. Zur Begründung führte es aus, die Klage biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Der Einspruch der Antragstellerin gegen die Einkommensteuerveranlagung für 1995 habe sich nur auf den Einkommensteuerbescheid vom 3. März 1997 beziehen können, da der Änderungsbescheid vom 15. Dezember 1997 zu diesem Zeitpunkt noch nicht erlassen gewesen sei. Das FA habe den Einspruch zu Recht als unzulässig verworfen, da er erst nach Ablauf der Einspruchsfrist von einem Monat eingegangen sei. Das FA habe der Antragstellerin auch zutreffend keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumens der Einspruchsfrist gewährt. Eine Wiedereinsetzung sei insbesondere deshalb ausgeschlossen, weil der Antrag mehr als ein Jahr nach dem Ende der versäumten Frist gestellt worden sei und nicht erkennbar sei, dass die Antragstellerin infolge höherer Gewalt gehindert gewesen sei, den Antrag vor Ablauf der Jahresfrist zu stellen.

Hiergegen richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Antragstellerin legt ergänzend zwei ärztliche Atteste vom 8. März 1999 und vom 8. Juli 1999 vor. Das Attest vom 8. März 1999 bestätigt, dass die Antragstellerin in der Zeit von August 1995 bis Juni 1996 und seit Juli 1998 mehrfach wegen psychosomatischer Beschwerden krank geschrieben gewesen sei. Ihr psychischer und nervlicher Zustand sei in dieser Zeit sehr schwankend gewesen. Eine schwerwiegende private Konfliktsituation habe sie an den Rand des nervlichen Zusammenbruchs gebracht, weswegen es auch Klinikaufenthalte gegeben habe und die Einleitung einer Psychotherapie erwogen worden sei. Das Attest vom 8. Juli 1999 bestätigt, dass die Antragstellerin in der Zeit vom Mai 1997 bis Dezember 1997 regelmäßig wegen einer neurotischen Depression behandelt wurde. Durch ihr Krankheitsbild, das bereits zuvor bestanden habe, sei die Antragstellerin über lange Phasen bis zur Untätigkeit durch ihre Angstvorstellungen behindert gewesen.

Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II. Die Beschwerde ist unbegründet.

Das FG hat der Antragstellerin die Bewilligung der PKH zu Recht mit der Begründung versagt, die bei ihm anhängige Klage gegen den Einkommensteuerbescheid 1995 biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - i.V.m. § 114 der Zivilprozeßordnung - ZPO -).

1. Das FG kann die von der Antragstellerin primär begehrte Feststellung, dass der Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 1995 nicht wegen Fristversäumnis unzulässig sei, nicht treffen, weil die Antragstellerin ihre Rechte durch Anfechtungsklage verfolgen kann (§ 41 Abs. 2 FGO).

2. Die von der Antragstellerin hilfsweise erhobene Anfechtungsklage gegen den Einkommensteuerbescheid vom 3. März 1997 kann keinen Erfolg haben, weil der angefochtene Bescheid durch den geänderten Bescheid vom 15. Dezember 1997 ersetzt wurde. Deshalb fehlt einer Klage gegen diesen Bescheid das Rechtsschutzbedürfnis. Der geänderte Bescheid vom 15. Dezember 1997 ist wegen des Versäumens der Einspruchsfrist gegen den Bescheid vom 3. März 1997 auch nicht Gegenstand des Einspruchsverfahrens geworden (§ 365 Abs. 3 Satz 1 der Abgabenordnung - AO 1977 -). Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen des Versäumens der Einspruchsfrist gegen den Bescheid vom 3. März 1997 sind nicht gegeben.

a) Der Einspruch ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Steuerbescheides einzulegen (§§ 355 Abs. 1, 347 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977). Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, gilt grundsätzlich am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist (§ 122 Abs. 2 AO 1977).

Wie das FG im Einzelnen zutreffend dargelegt hat, ist das Schreiben der Antragstellerin vom 9. Dezember 1997, das sich nur auf den Einkommensteuerbescheid 1995 vom 3. März 1997 beziehen kann, erst nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist und damit verspätet eingegangen.

b) Nach § 110 Abs. 1 AO 1977 ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Der Antrag ist innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 110 Abs. 2 Satz 1 AO 1977). Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen (§ 110 Abs. 2 Satz 2 AO 1977). Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt oder die versäumte Handlung nicht mehr nachgeholt werden, außer wenn dies vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war (§ 110 Abs. 3 AO 1977).

An diesen Voraussetzungen fehlt es im Streitfall in mehrfacher Hinsicht.

Wie das FG zu Recht festgestellt hat, ist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Streitfall schon deshalb ausgeschlossen, weil der Berücksichtigung verspäteter Wiedereinsetzungsanträge durch § 110 Abs. 3 AO 1977 eine zeitliche Grenze gesetzt ist und ein Fall von höherer Gewalt im Streitfall nicht vorliegt. Die Antragstellerin hat den Antrag auf Wiedereinsetzung erst in der Klageschrift vom 13. Juli 1998 und damit mehr als ein Jahr nach dem Ablauf der Rechtsbehelfsfrist gegen den Bescheid vom 3. März 1997 gestellt.

Im Übrigen hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht, dass sie schuldlos daran gehindert war, die Einspruchsfrist einzuhalten. Sie hat vorgetragen, während des gesamten Jahres 1997 psychisch erkrankt und daher nicht in der Lage gewesen zu sein, rechtzeitig Einspruch gegen den Bescheid vom 3. März 1997 einzulegen. Dieser Vortrag steht in Widerspruch zu den von der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen. Danach war die Antragstellerin während des fraglichen Zeitraums vom 6. März 1997 bis zum 6. April 1997 nicht in ärztlicher Behandlung. Gegen eine schuldlose Verhinderung der Antragstellerin spricht auch, dass sie im Juli 1997, also innerhalb des Zeitraums, in dem sie sich in ärztlicher Behandlung befand, die Einkommensteuererklärung für 1995 eingereicht und die Stundung der Einkommensteuer beantragt hat. Aufgrund der dem Bescheid vom 3. März 1997 beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung war der Antragstellerin bekannt, dass der Bescheid bestandskräftig werden würde, wenn sie nicht innerhalb der Rechtsbehelfsfrist von einem Monat Einspruch einlegen würde.

Die Antragstellerin hat den Antrag auf Wiedereinsetzung auch nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist von einem Monat gestellt. Wollte man eine schuldlose Verhinderung der Antragstellerin unterstellen, so wäre das Hindernis spätestens mit dem Zugang des Schreibens des FA vom 21. April 1998 entfallen, in dem das FA die Antragstellerin auf die Verspätung ihres Einspruchs hinwies. Dieser Zeitraum liegt außerhalb der durch die ärztlichen Bescheinigungen nachgewiesenen Behandlungszeiträume. Die Antragstellerin hat auf das genannte Schreiben des FA nicht reagiert und den Wiedereinsetzungsantrag erst mit dem Klageschriftsatz vom 13. Juli 1998 gestellt. Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumens der Frist nach § 110 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 sind nicht vorgetragen und nach Aktenlage nicht ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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