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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 07.12.2007
Aktenzeichen: XI B 61/07
Rechtsgebiete: FGO, AO


Vorschriften:

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2
AO § 162
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat keinen Erfolg.

1. Die Revision war nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zuzulassen.

a) Wird die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache begehrt, so ist die grundsätzliche Bedeutung in der Beschwerdeschrift darzulegen (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Hierzu ist im Einzelnen auszuführen, inwieweit die Klärung der aufgeworfenen Rechtsfrage im allgemeinen Interesse liegt und ggf. in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen sie umstritten ist. Dazu gehört auch, dass sich der Beschwerdeführer mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), den Äußerungen im Schrifttum sowie mit etwa veröffentlichten Verwaltungsmeinungen auseinandersetzt (ständige Rechtsprechung, siehe z.B. BFH-Beschlüsse vom 20. Februar 2002 X B 157/01, BFH/NV 2002, 803; vom 22. Mai 2006 X B 182/05, BFH/NV 2006, 1506; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 116 Rz 32, m.w.N.).

b) Diesen Erfordernissen genügt die Beschwerdebegründung der Kläger nicht.

aa) Soweit die Kläger geltend machen, der Erlass der Abhilfebescheide durch den Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) im Einspruchsverfahren wegen Einkommensteuer 1999 habe einen Vertrauenstatbestand zu ihren Gunsten geschaffen, der eine Abweichung von der bisherigen Veranlagungspraxis unzulässig mache, lässt ihr Vortrag keine im Allgemeininteresse klärungsbedürftige Rechtsfrage erkennen. Es fehlt insbesondere an einer Auseinandersetzung mit der umfänglichen höchstrichterlichen Rechtsprechung zu dem Problem des Vertrauensschutzes und der Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben im Zusammenhang mit der Festsetzung laufend veranlagter Steuern sowie dem dort zu beachtenden Abschnittsprinzip (siehe dazu die zahlreichen Nachweise bei Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 4 AO Rz 147; vgl. auch Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 28. Juni 1993 1 BvR 1346/89, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1993, 544).

Danach können aus einem Steuerbescheid keine Schlüsse für die Zukunft gezogen werden. Denn er bezieht sich auf die Vergangenheit. Die Finanzbehörde hat die Grundlagen der Besteuerung bei jeder Veranlagung ohne Rücksicht auf die Behandlung desselben Sachverhalts in Vorjahren selbstständig festzustellen und die Rechtslage neu zu beurteilen. Sie ist an die Sach- oder Rechtsbehandlung in früheren Veranlagungszeiträumen nicht gebunden. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Vorsteher oder der zuständige Sachgebietsleiter dem Steuerpflichtigen eine bestimmte Behandlung zugesagt oder die Finanzbehörde durch ihr früheres Verhalten außerhalb einer Zusage einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat (z.B. BFH-Urteil vom 30. September 1997 IX R 80/94, BFHE 184, 406, BStBl II 1998, 771, m.w.N.). Fehlt es hieran, gebieten es die Grundsätze der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes --GG--; § 85 der Abgabenordnung --AO--) und der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, dass die Finanzbehörde eine als falsch erkannte Auffassung vom frühestmöglichen Zeitpunkt an aufgibt, auch wenn der Steuerpflichtige auf sie vertraut haben sollte. Diese Verpflichtung besteht auch, wenn die --fehlerhafte-- Auffassung in einem Prüfungsbericht niedergelegt worden ist oder wenn die Finanzbehörde über eine längere Zeitspanne eine rechtsirrige, für den Steuerpflichtigen günstige Auffassung vertreten hat. Die Finanzbehörde ist selbst dann nicht an eine bei einer früheren Veranlagung zugrunde gelegte Auffassung gebunden, wenn der Steuerpflichtige im Vertrauen darauf disponiert hat (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 30. Oktober 1997 IV R 76/96, BFH/NV 1998, 578, m.w.N.).

Entgegen der offenbar von den Klägern vertretenen Ansicht gelten diese Grundsätze auch, wenn das FA --wie im Streitfall-- die fehlerhafte Berechnungsmethode des Steuerpflichtigen für einen fünf Jahre zurückliegenden Veranlagungszeitraum (hier: 1999) nach Einspruchseinlegung durch Erlass von Abhilfebescheiden übernommen und sodann in den folgenden vier Veranlagungszeiträumen (hier: 2000 bis 2003) beibehalten hat. Die Falschbehandlung in den Vorjahren verpflichtete das FA nicht, trotz besserer Erkenntnis den Fehler für das Streitjahr 2004 zu wiederholen. Auch ist weder von den Klägern behauptet noch vom Finanzgericht (FG) festgestellt worden, dass das FA im Einspruchsverfahren wegen Einkommensteuer 1999 oder bei den nachfolgenden Veranlagungen vertrauensbegründende Erklärungen in Bezug auf den Veranlagungszeitraum 2004 abgegeben hätte.

bb) Die von den Klägern für grundsätzlich bedeutsam gehaltenen Fragen, ob es einer von privater Seite bezahlten Tagesmutter ermöglicht werden müsse, unter Verzicht auf Einzelnachweise Betriebskosten nach Pauschalen geltend zu machen, und ggf. nach welchen Maßstäben die Betriebskostenpauschalen zu bemessen seien, bedürfen keiner höchstrichterlichen Klärung. Denn sie lassen sich anhand der bereits vorliegenden Rechtsprechung des BFH beantworten.

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sind steuermindernde Tatsachen (hier: Betriebsausgaben) vom Steuerpflichtigen grundsätzlich dem Grunde und der Höhe nach nachzuweisen (vgl. z.B. Gräber/von Groll, a.a.O., § 96 Rz 23, m.w.N.). Die Rechtsprechung macht hiervon nur insofern eine Ausnahme, als sie den Finanzgerichten grundsätzlich die Pflicht auferlegt, durch Verwaltungsvorschriften geschaffene Betriebsausgaben- oder Werbungskostenpauschalen zu beachten (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 10. Oktober 1994 I B 80/94, BFH/NV 1995, 586, m.w.N.; BFH-Urteil vom 26. April 1995 XI R 81/93, BFHE 178, 4, BStBl II 1995, 754). Diese Pauschalierungen sind Schätzungen i.S. von § 162 AO, die auf den Erfahrungen der Finanzbehörden beruhen. Sie dienen der Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens und sind aus Gründen der Gleichbehandlung von den Gerichten zu beachten. Dem Steuerpflichtigen bleibt es unbenommen, höhere Erwerbsaufwendungen nachzuweisen, wenn er meint, dass die jeweils festgelegten pauschalen Sätze für ihn nicht ausreichend seien (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 20. März 1980 IV R 11/76, BFHE 130, 307, BStBl II 1980, 455, m.w.N.). Eine Abweichung von den Pauschbeträgen ohne den Nachweis höherer tatsächlicher Aufwendungen nur aufgrund einer individuellen Einzelschätzung des betreffenden Steuerpflichtigen ist möglich, wenn der Steuerpflichtige substantiiert darlegt, dass der Ansatz der Pauschalen bei ihm zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führen würde (vgl. BFH-Urteil vom 24. Oktober 1974 IV R 101/72, BFHE 114, 63, BStBl II 1975, 407).

Die Kläger haben weder vorgetragen, dass von den genannten Grundsätzen abweichende Auffassungen in Rechtsprechung oder Literatur vertreten würden, noch Gründe dafür dargelegt, weshalb diese Grundsätze nicht für die Betriebsausgabenpauschalen gelten sollten, die die Finanzverwaltung für den Bereich der Kindertagespflege im Haushalt der Kindertagespflegeperson bestimmt hat (vgl. Schreiben des Bundesministers der Finanzen --BMF-- vom 1. August 1988 IV B 4 -S 2248- 10/88, BStBl I 1988, 329; Verfügung der Oberfinanzdirektion --OFD-- Karlsruhe vom 13. August 2003 2003 -08- 13 S 2113, Einkommensteuerkartei Baden-Württemberg, § 18 EStG Fach 3 Nr. 6.6; BMF-Schreiben vom 24. Mai 2007 IV C 3 -S 2342/07/0001, 2007/0232601, BStBl I 2007, 487, für Veranlagungszeiträume ab 2008). Der Hinweis der Kläger auf das Fehlen höchstrichterlicher Rechtsprechung zu den Betriebskostenpauschalen im Bereich der Kindertagespflege genügt für die Darlegung grundsätzlicher Bedeutung nicht (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 5. Dezember 2006 VIII B 4/06, BFH/NV 2007, 490, m.w.N.). Das Gleiche gilt für das Vorbringen, die aktuelle politische Diskussion lasse eine vermehrte Inanspruchnahme von Tagesmüttern erwarten. Denn der Umstand, dass von einer Rechtsfrage möglicherweise eine Vielzahl von Steuerfällen betroffen ist, ist für sich allein nicht geeignet, einer Sache grundsätzliche Bedeutung zu verleihen (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 6. Oktober 2003 VII B 7/03, BFH/NV 2004, 79, m.w.N.; Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 24, § 116 Rz 34, m.w.N.).

Da es nach geklärter Rechtslage der Klägerin freistand, tatsächlich entstandene höhere Aufwendungen nachzuweisen oder substantiiert darzulegen, dass der Ansatz der Pauschalen bei ihr zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führt, bietet der Streitfall auch insoweit keine Gelegenheit zur Klärung einer Rechtsfrage. Eine hinreichend substantiierte Darlegung in diesem Sinne liegt im Übrigen weder in dem Vorbringen, die Bedarfssätze nach dem Sozialgesetzbuch dürften nicht als Vergleichsmaßstab herangezogen werden, noch in dem Vortrag, die Pauschalen seien zu niedrig bemessen im Vergleich zu den "Abrechnungssätzen der verbandsmäßig tätigen Kinderbetreuungseinrichtungen" und hierin liege ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Die Kläger haben versäumt, ihren Vortrag mit nachprüfbaren Fakten zur tatsächlichen Höhe der Aufwendungen der Klägerin im Streitjahr zu unterlegen.

2. Aus den gleichen Gründen ist die Revision auch nicht gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO zuzulassen. Denn die Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts erfordert als spezieller Tatbestand der Grundsatzrevision (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) gleichfalls die Darlegung einer klärungsbedürftigen und klärbaren Rechtsfrage (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 15. Dezember 2004 X B 48/04, BFH/NV 2005, 698; vom 14. August 2006 III B 198/05, BFH/NV 2006, 2281; in BFH/NV 2007, 490; Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 41, § 116 Rz 38).

3. Die Revision war nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO).

Die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO ist insbesondere dann geboten, wenn das angegriffene FG-Urteil in seinen tragenden Gründen von einer Entscheidung des BFH oder eines anderen Gerichts abweicht (vgl. z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 41). Zur schlüssigen Darlegung einer solchen Abweichung muss der Beschwerdeführer tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem FG-Urteil einerseits und aus der mutmaßlichen Divergenzentscheidung andererseits herausarbeiten und einander gegenüberstellen, um so eine Abweichung zu verdeutlichen (z.B. BFH-Beschluss vom 7. September 2005 IV B 67/04, BFH/NV 2006, 234, m.w.N.). Daran fehlt es im Streitfall, da die Kläger weder einen Rechtssatz aus dem angegriffenen FG-Urteil noch aus einer Entscheidung des BFH oder eines anderen Gerichts herausgearbeitet haben.

Hinsichtlich des BFH-Urteils in BFHE 184, 406, BStBl II 1998, 771, auf das sich das angegriffene FG-Urteil ausdrücklich bezieht, machen die Kläger keine Abweichung im Grundsätzlichen geltend, sondern wenden sich lediglich gegen die Abweichung in der Subsumtion des Einzelfalls und damit gegen die materielle Richtigkeit. Das reicht zur ordnungsgemäßen Darlegung eines Revisionszulassungsgrundes jedoch nicht aus (vgl. Gräber/ Ruban, a.a.O., § 115 Rz 24, 45, 55, sowie § 116 Rz 42, m.w.N.).

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