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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 06.03.2003
Aktenzeichen: XI B 7/02
Rechtsgebiete: GG, EStG


Vorschriften:

GG Art. 1
GG Art. 3
GG Art. 6
GG Art. 20 Abs. 1
EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 § 2 Abs. 3 S. 2 ff.
An der Verfassungsmäßigkeit des § 2 Abs. 3 Sätze 2 ff. EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 bestehen insoweit ernstliche Zweifel, als aufgrund des begrenzten Verlustausgleichs --hier zwischen negativen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung und positiven Einkünften aus selbständiger Arbeit-- eine Einkommensteuer auch dann festzusetzen ist, wenn dem Steuerpflichtigen von seinem im Veranlagungszeitraum Erworbenen nicht einmal das Existenzminimum verbleibt.
Gründe:

I.

Die Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) sind Eheleute, die im Streitjahr 1999 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Antragsteller ist von Beruf Rechtsanwalt, die Antragstellerin Psychotherapeutin. Der Antragsteller erzielte im Streitjahr positive Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit (1 334 434 DM), aus Kapitalvermögen (29 836 DM) und aus wiederkehrenden Bezügen (10 465 DM) und negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 2 265 651 DM, die Antragstellerin positive Einkünfte in Höhe von 14 070 DM und negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 723 028 DM. Die --jeweils einheitlich und gesondert festgestellten-- Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung resultierten aus Beteiligungen der Antragsteller an mehreren Immobiliengesellschaften des bürgerlichen Rechts (GbR), die in den 80iger Jahren gegründet worden waren. Die von den GbR vermieteten Objekte, die in A, B, C und D lagen, waren für spezielle Bedürfnisse der Mieter zugeschnitten. Nachdem teilweise die übrigen Gesellschafter wegen Vermögensverfalls aus den GbR ausscheiden mussten, hielten die Antragsteller im Streitjahr von den Gesellschaften in A 90 %, in C und D 100 % und in B 50 % der Gesellschaftsanteile.

Das Objekt in D erwirtschaftete im Streitjahr einen Überschuss an Einnahmen von rd. 257 000 DM. Die Einkünfte aus den Objekten in A, B und C waren negativ. Die Werbungskosten-Überschüsse resultierten im Wesentlichen aus Zinsaufwendungen und Absetzungen für Abnutzung (AfA) gemäß § 7 Abs. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Außerdem fielen Einnahmen aus, weil das Objekt in A nach Auslaufen eines zehnjährigen Mietvertrags und aufgrund umfangreicher Umbaumaßnahmen im Streitjahr teilweise leer stand. Sonderabschreibungen wurden nicht vorgenommen. Der anteilig auf die Antragsteller entfallende Zinsaufwand betrug nach deren Angaben im Streitjahr rd. 3,7 Mio. DM und die anteilige AfA rd. 1,44 Mio. DM.

Der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte von den erklärten negativen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung von insgesamt 2 988 679 DM gemäß § 2 Abs. 3 EStG i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 (StEntlG 1999/2000/2002) 794 403 DM, errechnete ein zu versteuerndes Einkommen von 558 431 DM und setzte die Einkommensteuer auf 251 785 DM fest.

Die Antragsteller legten gegen die Einkommensteuerfestsetzung Einspruch ein, über den noch nicht entschieden wurde. Den gleichzeitig gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) lehnte das FA ab.

Der beim Finanzgericht (FG) gestellte Antrag auf AdV hatte Erfolg. Das FG hatte ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 2 Abs. 3 EStG. Da im Streitfall die Verluste nicht auf Sonderabschreibungen beruhten, seien die Ausführungen des Bundesfinanzhofs (BFH) im Beschluss vom 9. Mai 2001 XI B 151/00 (BFHE 195, 314, BStBl II 2001, 552) zur Verfassungsmäßigkeit des § 2 Abs. 3 EStG nicht auf den Streitfall übertragbar.

Mit seiner --vom FG zugelassenen-- Beschwerde rügt das FA Verletzung des § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) und des § 2 Abs. 3 EStG. Es sei verfassungsrechtlich nicht geboten, den Verlustausgleich in jedem einzelnen Veranlagungszeitraum zuzulassen. Auch stünden öffentliche Interessen einer AdV entgegen.

Das FA beantragt, den Beschluss des FG aufzuheben und den Antrag auf AdV abzulehnen.

Die Antragsteller beantragen, die Beschwerde zurückzuweisen.

II.

Die Beschwerde des FA ist unbegründet. Das FG hat im Ergebnis zu Recht den Einkommensteuerbescheid 1999 von der Vollziehung ausgesetzt.

1. Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO soll das Gericht die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel sind anzunehmen, wenn bei summarischer Prüfung des Verwaltungsakts neben Umständen, die für die Rechtmäßigkeit sprechen, gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unsicherheit in der Beurteilung der Tatfragen auslösen. Dies gilt auch für ernstliche Zweifel i.S. des § 69 Abs. 2 und 3 FGO an der verfassungsrechtlichen Gültigkeit einer dem angefochtenen Verwaltungsakt zugrunde liegenden Norm (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 15. Dezember 2000 IX B 128/99, BFHE 194, 157, BStBl II 2001, 411). An die Zweifel hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts sind, wenn die Verfassungswidrigkeit von Normen geltend gemacht wird, keine strengeren Anforderungen zu stellen, als im Falle der Geltendmachung fehlerhafter Rechtsanwendung (BFH-Beschluss vom 10. Februar 1984 III B 40/83, BFHE 140, 396, BStBl II 1984, 454).

Es bestehen insoweit ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 2 Abs. 3 EStG, als in Anwendung dieser Norm eine Einkommensteuer selbst dann festzusetzen ist, wenn die beschränkt ausgleichsfähigen negativen Einkünfte die positiven Einkünfte im Veranlagungszeitraum dergestalt übersteigen, dass dem Steuerpflichtigen infolge des tatsächlichen Mittelabflusses von seinem im Veranlagungszeitraum Erworbenen nicht einmal das Existenzminimum verbleibt.

2. a) Der Senat hält an seiner Entscheidung fest, dass gegen die sog. Mindestbesteuerung des § 2 Abs. 3 EStG in Bezug auf eine Verletzung des allgemeinen Prinzips der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit i.S. des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) keine ernstlichen Zweifel bestehen. Der Verlustausgleich als solcher wird zwischen verschiedenen Einkunftsarten nicht versagt, sondern lediglich zeitlich gestreckt. Das ist verfassungsrechtlich aus den im Beschluss des Senats in BFHE 195, 314, BStBl II 2001, 552 genannten Gründen nicht zu beanstanden, da Grundrechte ihre Wirkung grundsätzlich Veranlagungszeitraum übergreifend entfalten; das Periodizitätsprinzip des § 2 Abs. 7 EStG ist nur einfachgesetzlicher Natur (vgl. Tipke, Steuerrechtsordnung, Bd. I, 2000, S. 503; Altfelder, Der Betrieb --DB-- 2001, 350; Birk, Steuer und Wirtschaft --StuW-- 2000, 328).

Der Senat hatte dort über einen Fall zu entscheiden, in dem die positiven Einkünfte die Werbungskosten-Überschüsse erheblich überstiegen und außerdem die Werbungskosten-Überschüsse auf der Inanspruchnahme von Sonderabschreibungen beruhten.

b) Ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 2 Abs. 3 EStG ergeben sich demgegenüber im Streitfall aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG, wonach der Staat dem Steuerpflichtigen von seinem Erworbenen soviel steuerfrei belassen muss, wie er zur Bestreitung seines notwendigen Lebensunterhalts und --unter Berücksichtigung von Art. 6 Abs. 1 GG-- desjenigen seiner Familie benötigt (Existenzminimum); der existenznotwendige Bedarf bildet von Verfassungs wegen die Untergrenze für den Zugriff durch die Einkommensteuer (sog. subjektives Nettoprinzip; Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 25. September 1992 2 BvL 5/91, 8/91, 14/91, BStBl II 1993, 413; vom 10. November 1998 2 BvL 42/93, BStBl II 1999, 174, jeweils m.w.N.). Den Antragstellern sind bei summarischer Überprüfung aus dem von ihnen im Streitjahr Erworbenen keine zur Bestreitung ihres Existenzminimums verfügbaren Mittel verblieben; gleichwohl werden sie zur Zahlung einer Einkommensteuer in Höhe von 251 785 DM herangezogen.

Das steuerlich zu verschonende Existenzminimum kann nicht einer einzelnen Einkunftsquelle zugeordnet werden. Die Feststellung der Sicherung des Existenzminimums lässt sich nur an Hand einer Saldierung von Einnahmen und Ausgaben und damit letztlich der nach dem objektiven Nettoprinzip ermittelten Einkünfte treffen (vgl. Palm, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2002, 152/157; Kohlhaas, DStR 2002, 1250/3).

c) Es erscheint ernstlich zweifelhaft, ob zur Deckung des vor dem Steuerzugriff geschützten existenziellen Bedarfs im Veranlagungszeitraum auf in zukünftigen Veranlagungszeiträumen erzielbare positive Einkünfte verwiesen werden kann (vgl. Palm, DStR 2002, 152/60). Der Senat neigt dazu, aus der Natur der verfassungsrechtlichen Garantie des Existenzminimums zu folgern, dass dem Steuerpflichtigen von seinem Erworbenen in jedem Jahr das für seinen Lebensunterhalt tatsächlich und unabweisbar Benötigte steuerfrei belassen bleiben muss, mithin insoweit keine Veranlagungszeitraum übergreifende Betrachtung Platz greifen kann.

Dem lässt sich nicht mit dem Hinweis begegnen, dem Gesetzgeber stehe nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG bei Auswahl und Ausgestaltung des Besteuerungsgegenstandes (hier: des § 2 EStG) ein weiter Entscheidungsspielraum zu. Soweit das subjektive Nettoprinzip (Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG) berührt ist, gelten strengere Grundsätze als für das aus dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) abgeleitete objektive Nettoprinzip. Das Existenzminimum muss grundsätzlich gewahrt bleiben (vgl. z.B. auch Tipke, a.a.O., S. 420 und 500, m.w.N.). Es unterscheidet nicht nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Steuerpflichtigen und orientiert sich für sämtliche Steuerpflichtige ausschließlich an dem --typisierend zu ermittelnden-- Bedarf für den Lebensunterhalt (BVerfG in BStBl II 1993, 413; BStBl II 1999, 174). Eine defizitäre Haushaltslage oder der durch die allgemeine Tarifsenkung des StEntlG 1999/2000/2002 entstandene Finanzbedarf rechtfertigen keine Durchbrechung dieses Prinzips (Kirchhof, Besteuerung im Verfassungsstaat, 2000, S. 54). Allein praktische Schwierigkeiten bei Feststellung der "wahren Leistungsfähigkeit" (so Altfelder, DB 2001, 350) vermögen demgemäß eine Verletzung der Art. 1 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1 GG nicht zu rechtfertigen.

d) Es bestehen ernstliche Zweifel, ob den verfassungsrechtlichen Vorgaben zur Sicherung des Existenzminimums durch den begrenzt zugelassenen Verlustausgleich ausreichend Rechnung getragen wird.

Zwar ermöglicht § 2 Abs. 3 Sätze 2 ff. EStG einen uneingeschränkten Verlustausgleich bis zu 100 000 DM/51 500 ( bzw. bei Zusammenveranlagung ggf. bis zu 200 000 DM/103 000 (. Zudem werden darüber hinausgehend Verluste bis zur Hälfte vertikal ausgeglichen. Die Bestreitung des Existenzminimums ist jedoch grundsätzlich nur gesichert, wenn die positiven Einkünfte die negativen überwiegen. Das ist jedenfalls dann nicht mehr der Fall, wenn die Ausgaben die Einnahmen übersteigen.

Die typisierende Annahme, bei positiven Einkünften von mehr als 100 000 DM/51 500 ( seien dem Steuerpflichtigen aus seinen Erträgen stets ausreichend Mittel zur Deckung seines Lebensunterhalts verblieben (Palm, DStR 2002, 152/60), ist verfassungsrechtlich bedenklich. Soweit von Verfassungs wegen eine Typisierung zulässig ist und die damit verbundenen Härten hinzunehmen sind, muss nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG die Zahl der hiervon Betroffenen klein und darf die Grundrechtsverletzung nicht intensiv sein (z.B. BVerfG-Beschluss vom 14. Juni 1994 1 BvR 1022/88, BVerfGE 91, 93, BStBl II 1994, 909). Abgesehen davon, dass die Zahl der Steuerpflichtigen, für die --nach dem bis zum Veranlagungszeitraum 1998 zugelassenen Verlustausgleich-- eine Einkommensteuer von 0 festzusetzen war, keineswegs klein war, bestehen erhebliche Bedenken, ob eine Verletzung der Art. 1 Abs. 1, 20 Abs. 1 GG noch hinnehmbar ist, wenn dem Steuerpflichtigen aus dem Gesamtergebnis seiner steuerrelevanten Tätigkeit tatsächlich keine Mittel zur Bestreitung des Existenzminimums verbleiben, gleichwohl aber aufgrund der gesetzlichen Regelung eine Einkommensteuer festzusetzen ist.

e) Die ernstlichen Zweifel des Senats an der Verfassungsmäßigkeit der sog. Mindestbesteuerung des § 2 Abs. 3 EStG beschränken sich im Streitfall auf die Begrenzung des Verlustausgleichs bei Vorliegen "echter", die positiven Einkünfte übersteigender Verluste, nämlich von Werbungskosten-Überschüssen, die durch den tatsächlichen Abfluss von Mitteln entstanden sind (vgl. Birk, StuW 2000, 328).

Der Senat kann offen lassen, ob die ernstlichen Zweifel sich auch auf negative Einkünfte beziehen, die nicht auf einem entsprechenden Mittelabfluss beruhen. Im Streitfall überwiegen nach Aktenlage und den unbestrittenen Angaben der Antragsteller die von ihnen tatsächlich im Zusammenhang mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung getragenen Ausgaben ihre positiven Einkünfte.

Die positiven Einkünfte der Antragsteller betrugen im Streitjahr 1999 1 388 805 DM, die negativen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung insgesamt 2 988 679 DM. Selbst nach Eliminierung der bei diesen Einkünften berücksichtigten AfA in Höhe von 1 441 509 DM verbleibt ein Negativsaldo.

Ob der Ausschluss von der sofortigen Verrechnung von Werbungskosten-Überschüssen im Hinblick auf die grundsätzlich fehlende Steuerbarkeit privater Vermögenszuwächse sachlich zu rechtfertigen ist, weil das EStG kein Gesetz zur Begünstigung nicht steuerbarer Vermögensanlagen ist (Stapperfend, Finanz-Rundschau 2001, 782; Tipke, a.a.O., S. 502 ff.; Birk, StuW 2000, 328/ 330), wird im Hauptsacheverfahren zu entscheiden sein.

f) Ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 2 Abs. 3 EStG in dem aufgezeigten Umfang lassen sich --entgegen der Auffassung des FA-- im Streitfall auch nicht allein deswegen verneinen, weil die negativen Einkünfte gemäß §§ 179, 180 der Abgabenordnung (AO 1977) von dem nach § 18 AO 1977 zuständigen Finanzamt einheitlich und/oder gesondert festgestellt und die Besteuerungsgrundlagen im Einzelnen dem nach § 19 AO 1977 zuständigen beklagten Finanzamt nicht mitgeteilt wurden. Die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen ist nur eine Vorstufe der Steuerfestsetzung, in deren Rahmen § 2 Abs. 3 EStG anzuwenden ist. Aus der Technik der separaten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen dürfen schon nach einfachem Recht dem Steuerpflichtigen weder Vor- noch Nachteile entstehen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 10. Dezember 1992 IV R 118/90, BFHE 170, 336, BStBl II 1994, 381; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 181 AO 1977 Tz. 19).

3. Die Antragsteller haben auch ein berechtigtes Interesse an der AdV des angefochtenen Einkommensteuerbescheides.

Im Hinblick auf den Geltungsanspruch jeden formell verfassungsgemäß zustande gekommenen Gesetzes ist bei ernstlichen verfassungsrechtlichen Zweifeln an der Gültigkeit einer Rechtsnorm ein berechtigtes Interesse des Antragstellers an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes erforderlich. Geboten ist eine Interessenabwägung zwischen der einer AdV entgegenstehenden konkreten Gefährdung der öffentlichen Haushaltsführung und den für eine AdV sprechenden individuellen Interessen des Steuerpflichtigen (BVerfG-Urteil vom 21. Februar 1961 1 BvR 314/60, BVerfGE 12, 180/6; BFH-Beschlüsse vom 21. Mai 1992 X B 106/91, BFH/NV 1992, 721; vom 30. Januar 2001 VII B 291/00, BFH/NV 2001, 1031, m.w.N.; vom 17. März 1994 VI B 154/93, BFHE 173, 554, BStBl II 1994, 567; vom 20. Juli 1990 III B 144/89, BFHE 162, 542, BStBl II 1991, 104, m.w.N.).

Das berechtigte Interesse der Antragsteller an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes folgt aus der Natur der verfassungsrechtlich garantierten Freistellung des Existenzminimums. Eine mögliche Gefährdung der öffentlichen Haushaltsführung hat in diesen Fällen hinter den individuellen Interessen des Steuerpflichtigen an der Bestreitung seines notwendigen Lebensunterhalts zurückzutreten (z.B. BFH-Beschluss vom 19. August 1994 X B 318, 319/93, BFH/NV 1995, 143, m.w.N.), zumal die staatlichen Einnahmen durch die fortbestehende Verrechnungsmöglichkeit ohnehin und in Anbetracht der möglicherweise größeren Progressionsvorteile in späteren Veranlagungszeiträumen in einem größeren Umfang geschmälert werden als bei einem vollen Ausgleich der negativen Einkünfte im Streitjahr.

Ende der Entscheidung

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