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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 21.12.2000
Aktenzeichen: XI B 75/99
Rechtsgebiete: FGO, EStG, BFHEntlG
Vorschriften:
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1 | |
EStG § 3 Nr. 62 | |
EStG § 19 Abs. 2 | |
EStG § 10 Abs. 3 Satz 2 | |
EStG § 10 Abs. 3 Satz 2 Buchst. a dd | |
EStG § 26b | |
EStG § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 a | |
BFHEntlG Art. 1 Nr. 6 |
Gründe
Die Beschwerde ist als unbegründet zurückzuweisen. Die von den Klägern und Beschwerdeführern (Kläger) aufgeworfene Rechtsfrage, ob der Ehegatten bei Zusammenveranlagung zustehende Vorwegabzug auch dann in vollem Umfang zu kürzen ist, wenn nur der Arbeitgeber eines Ehegatten Zukunftssicherungsleistungen i.S. des § 3 Nr. 62 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erbringt, hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist einer Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beizumessen, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das abstrakte Interesse der Gesamtheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 115 Rdnr. 7, m.w.N.). Die Frage muss klärungsbedürftig und klärungsfähig sein. Am Klärungsbedarf fehlt es, wenn sie bereits durch eine Entscheidung des BFH geklärt worden ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung durch den BFH erforderlich machen (Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rdnr. 9).
1. Der BFH hat über die von den Klägern aufgeworfene Rechtsfrage bereits wiederholt entschieden (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 30. August 1966 VI 287/65, BFHE 86, 757, BStBl III 1966, 676; BFH-Beschluss vom 22. Mai 1981 VI B 12/81, BFHE 133, 401, BStBl II 1981, 709; BFH-Urteile vom 21. Juni 1989 X R 19/85, BFH/NV 1990, 223; vom 21. Juli 1993 X R 32/91, BFH/NV 1994, 305; vom 4. März 1998 X R 109/95, BFH/NV 1998, 1466).
2. Die von den Klägern geltend gemachten Gesichtspunkte machen eine erneute Prüfung und Entscheidung durch den BFH nicht erforderlich.
a) In der Literatur werden zwar von Tiedtke (Einkommensteuer- und Bilanzrecht, 2. Aufl., 1995, S. 533 ff.) Bedenken gegen die Rechtsprechung des BFH erhoben. Diese Bedenken sind jedoch nicht neu (siehe Tiedtke, Deutsche Steuer-Zeitung --DStZ-- 1986, 430; Finanz-Rundschau --FR-- 1989, 652, und Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1994, 957). Die Tatsache, dass ihnen der BFH in seiner bisherigen Rechtsprechung nicht gefolgt ist, macht eine geklärte Rechtsfrage nicht klärungsbedürftig.
b) Zutreffend gehen die Kläger zwar davon aus, dass der BFH in seiner die Neufassung 1993 betreffenden Entscheidung in BFH/NV 1998, 1466 nicht darauf eingegangen ist, dass der ursprüngliche Gesetzentwurf (BTDrucks 12/5630) durch den Finanzausschuss geändert und in dieser Form Gesetz wurde (BTDrucks 12/6078). Danach ist die Kürzung des Vorwegabzugs im Vergleich zum ursprünglichen Gesetzentwurf eingeschränkt worden. Ausgenommen von der Kürzung sind seitdem die Versorgungsbezüge i.S. des § 19 Abs. 2 EStG. Außerdem ist der Vorwegabzug nur dann um 16 v.H. der Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit zu kürzen, wenn für die Zukunftssicherung des Steuerpflichtigen Leistungen i.S. des § 3 Nr. 62 EStG erbracht werden. Aus dem Wortlaut "Zukunftssicherung des Steuerpflichtigen" lässt sich hingegen nicht auf eine getrennte Kürzung des Vorwegabzugs bei Zusammenveranlagung schließen. Die sich aus dem Wortlaut ergebende --durchaus anzuerkennende-- Auslegungsproblematik ist im Grunde keine andere als die bei § 10 Abs. 3 Satz 2 EStG in der bis 1992 geltenden Fassung. Danach war der Vorwegabzug zu kürzen "bei Steuerpflichtigen, für die der Arbeitgeber Ausgaben für die Zukunftssicherung i.S. des § 3 Nr. 62 Sätze 2 bis 4 leistet" (vgl. § 10 Abs. 3 Satz 2 Buchst. a dd EStG). Trotz dieser vergleichbaren Formulierung hat der BFH in ständiger Rechtsprechung eine individuelle Kürzung des Vorwegabzugs bei zusammenveranlagten Ehegatten abgelehnt. Dies folgt zudem aus § 26b EStG, wonach, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, Ehegatten --nach Zusammenrechnung ihrer Einkünfte-- gemeinsam als Steuerpflichtiger behandelt werden. Beim Sonderausgabenabzug bilden die Eheleute daher kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung eine Einheit (vgl. BFH-Urteil vom 12. Oktober 1994 X R 260/93, BFHE 175, 563, BStBl II 1995, 119).
c) Die genannte BFH-Rechtsprechung bedarf auch im Hinblick auf die neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur gleichmäßigen Berücksichtigung kindbedingten Aufwands bei Ehegatten und Alleinstehenden (vgl. z.B. BVerfG-Beschlüsse des 2. Senats vom 10. November 1998 2 BvR 1057/91, 2 BvR 1226/91, 2 BvR 980/91, BStBl II 1999, 182, und vom 10. November 1998 2 BvL 42/93, BStBl II 1999, 174) keiner erneuten verfassungsrechtlichen Überprüfung.
Das BVerfG hat bereits wiederholt die Verfassungsmäßigkeit der von den Klägern angefochtenen Rechtsprechung des BFH bestätigt (vgl. z.B. BVerfG-Beschluss vom 16. Januar 1991 2 BvR 1400/90, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1991, 672; vgl. auch BVerfG-Beschlüsse vom 22. Mai 1998 2 BvR 712/98, und vom 22. Juni 1998 2 BvR 64/98, Steuer-Eildienst --StEd-- 1998, 546). Danach ist für Ehegatten gegenüber Ledigen eine gesetzliche Benachteiligung hinzunehmen, wenn die allgemeine Tendenz des Gesetzes auf Gleichbehandlung ausgeht und die Ehegatten teilweise begünstigt, teilweise benachteiligt werden, die gesetzliche Regelung im Ganzen sich aber vorteilhaft oder zumindest eheneutral auswirkt und wenn die gesetzlichen Vorteile denen zugute kommen, die zu den von der Benachteiligung Betroffenen gehören. An diesen Grundsätzen hat sich durch die Rechtsprechung des BVerfG zum kindbedingten Lastenausgleich nichts geändert. Gegenstand der neueren Rechtsprechung waren gesetzliche Regelungen, die Ehegatten mit Kindern gegenüber Alleinstehenden mit Kindern schlechter stellte, ohne dass das Gesetz in anderer Form für einen Ausgleich bei den verheirateten Eltern sorgte. Demgegenüber werden Ehegatten beim Abzug von Vorsorgeaufwendungen gegenüber einem Alleinstehenden insoweit begünstigt, als ihnen im Fall der Zusammenveranlagung ein doppelter Vorwegabzug zusteht.
Es ist auch nicht ersichtlich, inwieweit die Herausnahme der Versorgungsbezüge in § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 a EStG zu einer systematischen Änderung der Einheit der Ehegatten bei den Sonderausgaben geführt haben könnte.
Die Entscheidung ergeht nur mit Kurzbegründung (vgl. Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs; § 116 Abs. 5 FGO n.F.).
Ende der Entscheidung
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