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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 27.04.2001
Aktenzeichen: XI B 9/01
Rechtsgebiete: FGO
Vorschriften:
FGO § 46 Abs. 1 Satz 1 | |
FGO § 46 Abs. 1 Satz 2 | |
FGO § 45 Abs. 2 | |
FGO § 46 Abs. 1 Satz 3 | |
FGO § 44 Abs. 1 | |
FGO § 46 Abs. 1 | |
FGO § 44 |
Gründe:
I. Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) erhob am 25. September 2000 Klage vor dem Finanzgericht (FG) mit dem Antrag, das beklagte Finanzamt (FA) zum Erlass von Einkommensteuerbescheiden für die Veranlagungszeiträume 1997, 1998 und 1999 zu verurteilen. Der Klageerhebung waren folgende Ereignisse vorausgegangen:
Das FA betrieb gegen den Kläger und dessen Ehefrau die Vollstreckung wegen rückständiger Einkommensteuer 1995 sowie der bis einschließlich 1998 festgesetzten Vorauszahlungen. Anträge des Antragstellers auf Herabsetzung der Einkommensteuer-Vorauszahlungen auf 0 DM lehnte es ab.
Am 15. März 2000 gab der Antragsteller als "vorläufig" bezeichnete Einkommensteuererklärungen für 1997 bis 1999 ab. Darin hatte er die getrennte Veranlagung beantragt und lediglich Mieteinkünfte erklärt. Nach seinen Angaben seien die Einkünfte aus dem im Namen seiner Ehefrau angemeldeten Beratungsunternehmens, das zum 31. Dezember 1998 abgemeldet worden sei, seiner von ihm seit Ende 1998 getrennt lebenden Ehefrau zuzurechnen.
Nachdem das FA seinen erneuten am 29. März 2000 gestellten Antrag auf Herabsetzung der Einkommensteuer-Vorauszahlungen 1996 bis 1998 abgelehnt hatte, lehnte es auch anlässlich eines Telefongesprächs am 17. April 2000 eine Veranlagung für 1997 und 1998 mit der Begründung ab, dass es "aufgrund fehlender Informationen" nicht in der Lage sei, eine Veranlagung durchzuführen. Mit Schreiben vom 5. Juli 2000 an das FA bat der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers unter Bezugnahme auf einen Schriftsatz vom 21. Juni 2000 "nunmehr um umgehende Bescheidung" der Einkommensteuer für die Jahre 1997 bis 1999 bis zum 20. Juli 2000, anderenfalls Klage erhoben werden müsse.
Mit Schreiben vom 20. Juli 2000 lehnte das FA die Durchführung von Veranlagungen für 1997 bis 1999 ab. Für die Jahre 1997 und 1998 sei noch zu klären, ob die Einkünfte aus der Beratung dem Antragsteller oder seiner Ehefrau zuzurechnen seien. Insoweit seien die Ergebnisse eines eingeleiteten Steuerstrafverfahrens abzuwarten. Eine abschließende Bearbeitung der Einkommensteuererklärung für 1999 scheitere daran, dass diese Erklärung vom Antragsteller selbst nur als "vorläufig" bezeichnet worden sei. Dem widersprach der Antragsteller mit Schreiben vom 26. Juli 2000 insoweit, als er ausführte, dass das für das Strafverfahren zuständige FA an einer baldigen Verbescheidung interessiert sei. Mit Schreiben vom 22. August 2000 teilte der Antragsteller u.a. mit, dass er weitere Verzögerungen durch das FA nicht mehr dulden und rechtliche Schritte einleiten werde.
Den zugleich mit der Klageerhebung am 25. September 2000 gestellten Antrag des Antragstellers auf Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung des Prozessbevollmächtigten lehnte das FG mit Beschluss vom 21. Dezember 2000 ab. Die Klage sei bei der gebotenen summarischen Prüfung mangels Vorverfahrens als unzulässig anzusehen und werde daher voraussichtlich keinen Erfolg haben. Die Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) seien nicht erfüllt, weil der Antragsteller keinen Einspruch eingelegt habe. Das Schreiben des Bevollmächtigten vom 5. Juli 2000 stelle sich "eher" als bloßes Anmahnen einer sofortigen Bearbeitung dar. Selbst wenn dieses Schreiben als Einspruch angesehen werden könnte, wäre eine Untätigkeitsklage unzulässig, da zum einen die Regelfrist des § 46 Abs. 1 Satz 2 FGO von sechs Monaten seit Einlegung des Einspruchs noch nicht abgelaufen und zum anderen dem Antragsteller durch Schreiben des FA vom 20. Juli 2000 zureichende Gründe für das Zurückstellen der Veranlagung mitgeteilt worden seien.
Gegen die Ablehnung von PKH hat der Antragsteller Beschwerde eingelegt. Das Schreiben des Prozessbevollmächtigten vom 5. Juli 2000 sei eindeutig als Einspruch gegen die Untätigkeit des FA zu werten. Vorsorglich sei mittlerweile nochmals förmlich Einspruch eingelegt worden. Da FA und FG zudem eine Aussetzung der Vollziehung der Einkommensteuer abgelehnt hätten und das FA in existenzgefährdender Weise Zwangsvollstreckung betreibe, könne nicht auf die Regelfrist von sechs Monaten i.S. des § 46 Abs. 1 Satz 2 FGO abgestellt werden. Unter diesen Umständen könne allenfalls eine Frist von drei Monaten hingenommen werden. Das FG habe ferner die Möglichkeit verkannt, dass die Klage nach § 45 Abs. 2 FGO an das FA abgegeben werden könne. Spätestens seit der Einstellung des Steuerstrafverfahrens lt. Mitteilung vom 7. Dezember 2000 sei der Erlass der begehrten Steuerbescheide nicht mehr gehindert. Auch die vom FA im Schreiben vom 2. November 2000 genannte Zurechnungsproblematik bestehe nicht, denn der Antragsteller habe "stets und ersichtlich" für ein unter dem Namen seiner Ehefrau angemeldetes Unternehmen gehandelt. Bezeichnenderweise sei er auch vom FA nie zu der Zurechnungsproblematik befragt worden. Hilfsweise wird beantragt, das Verfahren im Hinblick auf den vorsorglich eingelegten Einspruch nach § 46 Abs. 1 Satz 3 FGO auszusetzen.
Das FA beantragt, die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Unter dem 1. Februar 2001 seien Einkommensteuerbescheide für die Veranlagungszeiträume 1997 bis 1999 erlassen worden, die jeweils eine Einkommensteuerschuld von 0 DM auswiesen. Der Antragsteller habe daher kein Rechtsschutzbedürfnis mehr.
Nach Mitteilung des FG haben die Beteiligten die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt. Eine Entscheidung über die Kosten des Verfahrens werde bis zur Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) über die gegenständliche Beschwerde zurückgestellt.
II. Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
1. Die Beschwerde ist zulässig, obgleich das FA mittlerweile die begehrten Einkommensteuerbescheide erlassen hat.
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist zwar eine Beschwerde gegen einen ablehnenden PKH-Beschluss des FG nicht statthaft, wenn die Hauptsache nicht mehr an den BFH gelangen kann (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 11. Juni 1999 VIII B 44/98, BFH/NV 1999, 1501; vom 24. Juli 1992 VI B 6/92, BFH/NV 1992, 835). Hat sich die Hauptsache vor dem FG aufgrund beiderseitiger Erledigungserklärung erledigt und hat das FG einen entsprechenden Kostenbeschluss erlassen, ist daher die Beschwerde grundsätzlich zu verwerfen (z.B. BFH-Beschlüsse vom 8. Februar 2000 VII B 195/99, BFH/NV 2000, 1106; vom 7. November 1991 XI B 81-86/91, BFH/NV 1992, 331). Im Streitfall bleibt die Beschwerde jedoch statthaft, weil das FG zum einen eine Entscheidung über die Kosten ausdrücklich zurückgestellt hat und zum anderen die aufgezeigten Grundsätze zur Statthaftigkeit einer PKH-Beschwerde nicht ausnahmslos gelten. So hat der erkennende Senat mit Beschluss vom 27. Dezember 2000 XI B 123/00 (BFH/NV 2001, 919) entschieden, dass es mit Sinn und Zweck der PKH unvereinbar sei, einem mittellosen Antragsteller die Kosten eines bei Beschwerdeeinlegung zulässigen Verfahrens nur deswegen aufzuerlegen (§ 135 Abs. 2 FGO), weil das FA --wie im Streitfall-- während des Beschwerdeverfahrens von sich aus dem Klagebegehren Rechnung getragen hat.
2. Die Beschwerde ist aber unbegründet, weil die seinerzeit beabsichtigte Rechtsverfolgung bei summarischer Überprüfung mangels Zulässigkeit der Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bot (§ 142 FGO i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung --ZPO--).
a) Nach § 44 Abs. 1 FGO ist in den Fällen, in denen ein außergerichtlicher Rechtsbehelf gegeben ist, die Klage --vorbehaltlich der §§ 45 und 46 FGO-- nur zulässig, wenn das Vorverfahren über den außergerichtlichen Rechtsbehelf ganz oder zum Teil erfolglos geblieben ist. Erfolglos ist ein Rechtsbehelf grundsätzlich nur dann gewesen, wenn das Vorverfahren seinen förmlichen Abschluss in einer rechtswirksamen Einspruchsentscheidung gefunden hat (vgl. z.B. Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 44 Rdnr. 9). Eine Einspruchsentscheidung ist im Streitfall unstreitig nicht ergangen.
b) Auch die Voraussetzungen für eine Untätigkeitsklage i.S. des § 46 Abs. 1 FGO lagen nicht vor. Danach ist die Klage abweichend von § 44 FGO ohne vorherigen Abschluss des Vorverfahrens zulässig, wenn über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden wurde.
Der Senat lässt dahingestellt, ob der Auffassung des FG, ein Einspruch gegen die Ablehnung einer Veranlagung sei nicht eingelegt worden, unter Berücksichtigung des Telefongesprächs des Antragstellers mit dem FA vom 17. April 2000, des Schreibens des Prozessbevollmächtigten vom 5. Juli 2000 sowie der persönlichen Schreiben des Antragstellers vom 26. Juli und 22. August 2000 zu folgen ist. Auch wenn insbesondere das Schreiben des Prozessbevollmächtigten vom 5. Juli 2000 als Einspruch anzusehen sein sollte, so hätte das FA im Schreiben vom 20. Juli 2000 zureichende Gründe für die Zurückstellung der Veranlagungen 1997 bis 1999 mitgeteilt, denn der Antragsteller konnte im Streitfall nach objektiven Gesichtspunkten noch keine Entscheidung über seinen Einspruch erwarten (vgl. z.B. Steinhauff in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 46 FGO Rdnr. 52).
aa) Betreffend die Veranlagungen für 1997 und 1998 hat das FA eine sofortige Veranlagung mit der Begründung abgelehnt, dass noch Feststellungen über die Zurechnung der Einkünfte beim Antragsteller bzw. seiner Ehefrau zu treffen seien. Nach Aktenlage waren tatsächlich entsprechende Feststellungen noch zu treffen (vgl. z.B. Dienstvertrag zum Rahmenvertrag vom 16. Oktober 1997 zwischen dem Antragsteller persönlich und der X-GmbH vom 13. Januar 1998; Anlage persönlich unterschrieben vom Antragsteller; Schreiben der Gesellschaft für X-GmbH vom 24. November 1998; Rahmenvertrag zwischen der Y-AG und dem unter dem Namen seiner Ehefrau angemeldeten Betrieb vom 14. September 1996, unterschrieben von der Ehefrau des Antragstellers). Wie den Akten ferner zu entnehmen ist, hat zudem die Ehefrau des Antragstellers substantiiert bestritten, die Einkünfte erzielt zu haben (vgl. z.B. Schreiben der Rechtsanwälte ... vom 14. September 2000). Vor diesem Hintergrund war noch eine weitere Sachaufklärung geboten, so dass sich der vom FA für die verzögerten Veranlagungen 1997 und 1998 seinerzeit genannte Grund als zureichend i.S. des § 46 Abs. 1 FGO darstellte (vgl. z.B. Steinhauff in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., § 46 FGO Rdnr. 53; Gräber/ von Groll, a.a.O., § 46 Rdnr. 19, m.w.N.).
bb) Für 1999 hat das FA eine "abschließende Bearbeitung" mit der Begründung abgelehnt, der Antragsteller selbst habe eine nur als vorläufig gekennzeichnete Erklärung abgegeben. Damit komme zum Ausdruck, dass die Erklärung nicht vollständig sei.
Der Senat kann dahingestellt lassen, ob eine Veranlagung bei drohender Vollstreckung von Vorauszahlungsbescheiden, die noch unter Berücksichtigung von Einkünften aus einem --mittlerweile eingestellten-- Gewerbebetrieb ergangen sind, mit dem Hinweis auf die Vorläufigkeit einer Steuererklärung abgelehnt werden kann. Im Streitfall stellt sich der dem Antragsteller vom FA mitgeteilte Grund für die Verzögerung der Veranlagung 1999 nämlich deswegen als zureichend i.S. des § 46 FGO dar, weil nach Aktenlage die Einkommensteuer-Vorauszahlungen für 1999 bereits auf 0 DM herabgesetzt worden waren (vgl. Bescheid vom 19. Februar 1999 und Schreiben des FA an die Ehefrau des Antragstellers vom 19. Februar 1999). Damit hatte das FA bereits der Tatsache Rechnung getragen, dass der Gewerbebetrieb zum 31. Dezember 1998 abgemeldet worden war und der Antragsteller nach eigenen Angaben im Veranlagungszeitraum 1999 --mit Ausnahme der unstreitigen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung-- nur Sozialhilfe bezogen hat. Unter diesen Umständen war eine sofortige Veranlagung unter Berücksichtigung der nur "vorläufigen" Einkommensteuererklärung nicht geboten.
Ende der Entscheidung
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