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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 22.04.1998
Aktenzeichen: XI B 9/95
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 115 Abs. 3
FGO § 56 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) hat gegen das ihm am 2. Dezember 1994 zugestellte Urteil des Finanzgerichts (FG) Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision eingelegt. Das Beschwerdeschreiben ist beim FG erst am Dienstag, den 3. Januar 1995 eingegangen.

Mit Schreiben vom 17. Januar 1995 hat das FA beim Bundesfinanzhof (BFH) die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde beantragt. Zur Begründung des Antrags auf Wiedereinsetzung trägt es vor: Der Unterzeichner der Beschwerdeschrift (Regierungsdirektor --R--) habe am 29. Dezember 1994 vormittags diese persönlich in der Poststelle des FA abgegeben und die dort beschäftigten Boten ausdrücklich angewiesen, das Schreiben auf direktem Wege --mit der Post und nicht mit dem Wagen der Oberfinanzdirektion (OFD)-- dem FG zuzuleiten. Er habe damit rechnen dürfen, daß die Nichtzulassungsbeschwerde bei Übermittlung durch die Post am nächsten Tag, also noch am 30. Dezember 1994, beim FG eingehen würde. Wenn die Boten des FA trotz der ihnen eindeutig erteilten Anweisung versehentlich das Schreiben nicht durch die Post, sondern durch den OFD-Wagen dem FG zugeleitet hätten, stünde dies einer Wiedereinsetzung nicht entgegen, da die Boten ansonsten langjährig erfahren und zuverlässig seien. Der Unterzeichner der Nichtzulassungsbeschwerde habe alles getan, um die Frist einzuhalten.

Das FA beantragt, die Revision gegen das Urteil des FG zuzulassen.

Die Klägerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin) hält die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung nicht für gegeben. Der Auftrag, das Beschwerdeschreiben per Post abzusenden, hätte einer einzelnen Person erteilt werden müssen und nicht allgemein den Mitarbeitern in der Poststelle. Zu prüfen wäre dann, ob diese Person eine sonst zuverlässige Kraft sei und ob hier ein einmaliges Fehlverhalten vorliege. Darüber hinaus wäre bei der Wichtigkeit und Dringlichkeit des Schriftstücks eine Kontrolle der Ausgangspost erforderlich gewesen.

Der Berichterstatter beim BFH hat dem FA mit Schreiben vom 21. Juli 1997 aufgegeben, sein Vorbringen hinsichtlich der ausdrücklichen Anweisung der Boten der Poststelle des FA durch R glaubhaft zu machen. Daraufhin hat R mit Schreiben vom 5. August 1997 sein bisheriges Vorbringen noch einmal bestätigt und mitgeteilt, es entziehe sich seiner Kenntnis, warum die Boten seine Anweisung nicht ausgeführt hätten. Auf sein Befragen hin hätten diese erklärt, daß sie sich nach mehr als 2 1/2 Jahren an diesen Vorgang nicht mehr erinnern könnten. Darüber hinaus legt das FA eine von R gefertigte Gesprächsnotiz über ein am 28. Dezember 1994 mit einem Herrn S von der OFD geführtes Telefongespräch vor. Am Ende der Notiz befinden sich zwei Ergänzungen, von denen eine lautet: "Unterzeichner hat NZB am 29.12.94 vormittags auf FA-Poststelle abgegeben (persönl.) m.d.B., das Sch. auf direktem Wege dem FG zuzuleiten (nicht OFD-Wagen benutzen)."

II. Die Beschwerde ist mangels rechtzeitiger Einlegung unzulässig.

Nach § 115 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem FG einzulegen, dessen Entscheidung angefochten werden soll. Die Frist für die Einlegung der Beschwerde war am 2. Januar 1995 abgelaufen. Die Beschwerdeschrift ist aber erst am Dienstag, dem 3. Januar 1995 --somit verspätet-- beim FG eingegangen.

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 Abs. 1 FGO kann dem FA nicht gewährt werden, da es nicht ausreichend glaubhaft gemacht hat, daß es ohne Verschulden an der Einhaltung der Beschwerdefrist gehindert war.

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH gelten die Grundsätze für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand für das FA in gleicher Weise wie für die Steuerpflichtigen. Demnach braucht das FA das Verschulden eines Mitarbeiters in der Poststelle zwar grundsätzlich nicht gegen sich gelten zu lassen, weil solche Bediensteten als "Boten" gelten, deren Versäumnisse nicht in gleicher Weise wie die von Bevollmächtigten zu werten sind (BFH-Beschluß vom 10. Juli 1996 II R 12/96, BFH/NV 1997, 47). Voraussetzung für die Nichtberücksichtigung des Verschuldens eines Boten ist jedoch, daß eine wirksame Ausgangskontrolle besteht oder daß --mindestens-- der Bote auf die Bedeutung und Eilbedürftigkeit der Fristsache ausdrücklich hingewiesen wird (BFH-Beschluß in BFH/NV 1997, 47, m.w.N.) und es sich bei diesem Boten um einen ansonsten zuverlässigen Mitarbeiter handelt.

Im Streitfall kann nicht von einem Botenverschulden ausgegangen werden. Nach dem Vorbringen des FA ist nicht an einen bestimmten Boten der Poststelle die ausdrückliche Anweisung ergangen, die Beschwerdeschrift unverzüglich mit der Post dem FG zuzuleiten, sondern an "die dort beschäftigten Boten". Dieses Vorbringen ist nicht mit präsenten Beweismitteln --eidesstattliche Versicherung der Boten-- glaubhaft gemacht worden (vgl. BFH-Beschluß vom 25. November 1996 III R 8/96, BFH/NV 1997, 366). Der Vermerk des R in der Gesprächsnotiz reicht nicht aus. Daß das FA die Glaubhaftmachung mangels Erinnerungsvermögens der Boten nicht mehr nachholen kann, geht zu seinen Lasten.

Ende der Entscheidung

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