Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 10.12.2008
Aktenzeichen: XI R 1/08
Rechtsgebiete: UStG, AO


Vorschriften:

UStG § 9 Abs. 1
UStG § 13 Abs. 1 Nr. 1
UStG § 16 Abs. 1
UStG § 18 Abs. 3
UStG § 18 Abs. 4
UStG § 23 Abs. 3
AO § 38
Ein rückwirkender Wechsel von der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten (§ 20 UStG) zur Besteuerung nach vereinbarten Entgelten (§ 16 UStG) ist bis zur formellen Bestandskraft der jeweiligen Jahressteuerfestsetzung zulässig.
Gründe:

I.

Streitig ist, ob die Umsätze des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) zu Recht nach vereinbarten Entgelten besteuert wurden.

Der Kläger betrieb im Streitjahr 1996 ein Einzelunternehmen, für das ihm antragsgemäß die Besteuerung der Umsätze nach vereinnahmten Entgelten gestattet worden war; entsprechend verfuhr er in den monatlich abgegebenen Umsatzsteuer-Voranmeldungen.

Nach Gründung einer GmbH brachte der Kläger sein Einzelunternehmen aufgrund eines am 22. Januar 1997 geschlossenen Einbringungsvertrages --rückwirkend-- zum 4. November 1996 in diese GmbH ein. Am 4. Dezember 1997 reichte er die Umsatzsteuerjahreserklärung 1996 seines Einzelunternehmens für die Zeit vom 1. Januar bis 3. November 1996 ein. Diese Erklärung beruhte wegen der Erfassung von offenen Forderungen auf einer Sollbesteuerung der Umsätze und führte zu einer --bestandskräftig gewordenen-- Vorbehaltsfestsetzung für 1996 über 159 395,50 DM.

Mit Antrag vom 15. Februar 2000 sowie einer berichtigten Umsatzsteuererklärung 1996 vom 24. Februar 2000 begehrte der Kläger --seinen Voranmeldungen entsprechend-- eine Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten. Nachdem der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Steuerfestsetzung 1996 zunächst erklärungsgemäß mit Bescheid vom 16. März 2000 geändert hatte, hob es diesen Änderungsbescheid am 12. Mai 2000 gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) wieder auf. Einspruch und Klage gegen diesen Aufhebungsbescheid hatten keinen Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2008, 1247 veröffentlicht.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision macht der Kläger geltend, seine Umsatzsteuererklärung 1996 vom 4. Dezember 1997 habe mit der Rechtslage nicht im Einklang gestanden. Der darin vollzogene Übergang zur Sollbesteuerung sei wegen Verstoßes gegen das steuerliche Rückwirkungsverbot nicht zulässig gewesen. Das Rückwirkungsverbot betreffe auch Sachverhalte, bei denen durch Ausübung eines steuerlichen Wahlrechts eine steuerlich relevante Wirkung erzeugt worden sei. Diese Wirkung trete im Falle der Istbesteuerung mit dem Ablauf des Voranmeldungszeitraums ein, in dem die Entgelte vereinnahmt worden seien. Daraus sei mit dem FG Berlin (Urteil vom 21. Oktober 1981 VI 263/77, EFG 1982, 440) zu folgern, dass ein Verzicht auf die Istbesteuerung nur bis zum Beginn des jeweils laufenden Voranmeldungszeitraums erfolgen könne.

Soweit das FG keinen Anlass sehe, das Wahlrecht des § 20 des Umsatzsteuergesetzes 1993 in der für das Streitjahr 1996 geltenden Fassung (UStG) restriktiver zu handhaben als die Widerrufsmöglichkeiten nach §§ 9, 19, 23 UStG, sei dem entgegenzuhalten, dass es in diesen Fällen nur darum gehe, ob die entsprechenden Umsätze mit oder ohne Umsatzsteuer besteuert würden. Bei § 20 UStG dagegen gehe es um den Zeitpunkt der Entstehung der Steuer überhaupt. Darüber hinaus stehe einem Vergleich mit § 19 und § 23 UStG entgegen, dass es dort nach Ablauf der Unanfechtbarkeit langjährige Bindungswirkungen gebe.

Die berichtigte Umsatzsteuererklärung 1996 vom 24. Februar 2000 beinhalte keinen erneuten Antrag auf Istbesteuerung, sondern lediglich die Korrektur der fehlerhaften Umsatzsteuererklärung 1996.

Der Kläger beantragt,

die Vorentscheidung des FG, die Einspruchsentscheidung des FA vom 27. Juni 2002 sowie den Aufhebungsbescheid für 1996 vom 12. Mai 2000 aufzuheben.

Das FA beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Bei Einreichung der Umsatzsteuererklärung 1996 sei noch keine bestandskräftige Steuerfestsetzung für 1996 vorhanden und ein Wechsel zur Sollbesteuerung daher möglich gewesen.

II.

Die Revision des Klägers ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Umsätze des Klägers sind zu Recht nach vereinbarten Entgelten und nicht --wie mit der geänderten Umsatzsteuererklärung 1996 vom 24. Februar 2000 begehrt-- nach vereinnahmten Entgelten besteuert worden.

Die Umsatzsteuer ist gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 UStG nach vereinbarten Entgelten zu berechnen, soweit nicht § 20 UStG gilt. Danach kann das FA auf Antrag gestatten, dass ein Unternehmer unter bestimmten Voraussetzungen die Steuer nicht nach vereinbarten Entgelten (§ 16 Abs. 1 Satz 1 UStG), sondern nach den vereinnahmten Entgelten berechnet.

1.

Nach den Feststellungen des FG hatte das FA dem Kläger für das Streitjahr gestattet, seine Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten zu berechnen; davon hat er zwar für die Voranmeldungen des Streitjahres Gebrauch gemacht, nicht jedoch für die Umsatzsteuerjahreserklärung 1996.

2.

Im Rahmen der Umsatzsteuerjahreserklärung 1996 ist der Kläger --wie das FG zu Recht entschieden hat-- wirksam von der Ist- zur Sollbesteuerung zurückgekehrt. Da es sich bei der Gestattung der Istbesteuerung um einen begünstigenden --sonstigen-- Verwaltungsakt handelt und die Sollbesteuerung der gesetzliche Regelfall ist, steht es dem Unternehmer grundsätzlich frei, von der Gestattung keinen Gebrauch zu machen und ohne weiteres zur Sollbesteuerung zurückzukehren; dafür ist weder ein Antrag des Steuerpflichtigen noch eine Erlaubnis des FA erforderlich (vgl. Wagner in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 20 Rz 40; FG München, Urteil vom 9. Dezember 1999 14 K 289/96, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht 2000, 231; Urteil des FG Berlin in EFG 1982, 440).

3.

Diesem --rückwirkenden-- Wechsel von der Ist- zur Sollbesteuerung innerhalb eines laufenden Besteuerungszeitraums stehen weder materiell-rechtliche noch verfahrensrechtliche Gründe entgegen.

a)

Nach § 20 Abs. 1 Satz 3 UStG dürfen zwar im Falle eines Wechsels Umsätze nicht doppelt erfasst werden oder unversteuert bleiben. Diese Norm betrifft jedoch die Durchführung des Besteuerungsverfahrens und regelt lediglich die Art und Weise des Übergangs, setzt also einen Wechsel der Besteuerungsform voraus.

b)

Entgegen der Ansicht des Klägers verstößt dieser Wechsel nicht gegen das aus § 38 AO abgeleitete steuerliche Rückwirkungsverbot. Nach § 38 AO entstehen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Daraus folgt nach ganz allgemeiner Ansicht, dass ein durch Tatbestandsverwirklichung entstandener Steueranspruch grundsätzlich unabänderlich ist und insbesondere durch Rückbeziehung, Rückdatierung und Rückgängigmachung tatsächlicher oder rechtlicher Vorgänge nicht mehr beeinflusst werden kann (vgl. Kruse in Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 38 AO Rz 30; Klein/ Brockmeyer, AO, 9. Aufl., § 38 Rz 11).

aa)

Der Übergang von Ist- zu Sollbesteuerung stellt schon keinen Eingriff i.S. von § 38 AO in den gesetzlichen Umsatzsteuertatbestand dar. Nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG entsteht die Steuer bei der Berechnung nach vereinnahmten Entgelten zwar mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Entgelte vereinnahmt worden sind. Ein Wechsel bedeutet aber insofern keinen Eingriff in den Besteuerungssachverhalt, als er nicht zur Folge hat, dass dadurch das Vorliegen einer i.S. von § 1 Abs. 1 UStG steuerbaren und steuerpflichtigen Lieferung oder sonstigen Leistung entfallen würde. Ob ein Umsatz überhaupt steuerpflichtig ist und welcher Steuersatz zur Anwendung kommt, richtet sich vielmehr nach den tatsächlichen Verhältnissen im Zeitpunkt der Leistung und ist daher unabhängig vom Zeitpunkt der Entgeltsvereinnahmung (vgl. Geist in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 20 Rz 55).

bb)

Abgesehen davon ist zu berücksichtigen, dass das Rückwirkungsverbot keine absolute, sondern nur grundsätzliche Geltung beansprucht und daher Ausnahmen zulässig sind.

(1)

Hat etwa der Unternehmer die Gestattung der Istbesteuerung durch unlautere, unvollständige oder unrichtige Angaben erwirkt, kann das FA den begünstigenden, aber rechtswidrigen Verwaltungsakt (§ 118 AO) gemäß § 130 Abs. 2 Nr. 2 und 3 AO auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurücknehmen (vgl. Geist in Rau/Dürrwächter, a.a.O., § 20 Rz 46.1; Kruse in Tipke/Kruse, a.a.O., § 130 AO Rz 48). Dem steht nicht entgegen, dass für den Zeitraum bis zur Rücknahme der Gestattung die Umsatzsteuer-Voranmeldungen auf der Grundlage von Zahlungseingängen abgegeben wurden und i.S. von § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG zur Entstehung von Steuern geführt haben.

(2)

Darüber hinaus entspricht es allgemeiner Ansicht im Schrifttum, der sich der Senat anschließt, dass das Rückwirkungsverbot der Ausübung von gesetzlichen Wahlrechten bzw. Optionen nicht entgegensteht, wenn sich diese nicht auf die Verwirklichung eines Lebenssachverhalts, sondern nur auf die Höhe der Steuer auswirken (vgl. Kruse in Tipke/Kruse, a.a.O., § 38 AO Rz 14; Klein/Brockmeyer, a.a.O., § 38 Rz 13; Schuster in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 38 AO Rz 29; Schmieszek in Beermann/Gosch, AO § 38 Rz 20). Unabhängig von der Entstehung der Umsatzsteuer nach vereinbarten Entgelten gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG kann ein Antrag auf Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten daher grundsätzlich auch noch im Laufe und selbst nach Ablauf eines Jahres --also rückwirkend-- gestellt und genehmigt werden (vgl. Flückiger in Plückebaum/ Malitzky/Widmann, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, § 20 Rz 107; Henseler in Hartmann/Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz, § 20 Rz 26; Zeuner in Bunjes/Geist, UStG, 8. Aufl., § 20 Rz 16; Korn, Umsatzsteuer-Kongress-Bericht 1988/1989, S. 15, 28). Wenn aber die nachträgliche bzw. rückwirkende Gestattung der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten keinen Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot bewirkt, muss dies auch für den Verzicht auf die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten (actus contrarius) gelten. Denn auch dadurch wird nicht in den der Besteuerung zugrunde liegenden Lebenssachverhalt eingegriffen, sondern lediglich die Höhe der Umsatzsteuer im jeweiligen Besteuerungszeitraum verändert.

(3)

Diese Auffassung steht im Einklang mit dem gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit. Dieser Grundsatz gehört zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, die Teil der Gemeinschaftsrechtsordnung und auch von den Mitgliedstaaten zu beachten sind (vgl. Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften --EuGH-- vom 11. Mai 2006 Rs. C-384/04 --Federation of Technological Industries--, Slg. 2006, I-4191, Leitsatz 1). Er beinhaltet insbesondere, dass der Betroffene bei finanziell belastenden Regelungen in der Lage sein muss, den Umfang der ihm auferlegten Verpflichtungen genau zu erkennen (vgl. EuGH-Urteil vom 29. April 2004 Rs. C-17/01 --Sudholz--, Slg. 2004, I-4243, Randnr. 34).

Der Wechsel von Ist- zur Sollbesteuerung führt zwar im Regelfall zu einer wirtschaftlichen Belastung des Steuerpflichtigen. Dessen Umfang ist jedoch für den Steuerpflichtigen nicht nur ohne weiteres erkennbar, sondern auch von der Ausübung eines Wahlrechts abhängig. Der Grundsatz der Rechtssicherheit wird daher jedenfalls dann nicht berührt, wenn das FA bei gesetzlich eingeräumten Wahlrechten einem Begehren des Steuerpflichtigen entspricht.

c)

Einer Rückkehr zur Sollbesteuerung stehen auch keine verfahrensrechtlichen Hindernisse entgegen. Der Kläger konnte die Rückkehr bis zur Unanfechtbarkeit (formellen Bestandskraft) der Jahressteuerfestsetzung erklären. Zum Zeitpunkt des Wechsels am 4. Dezember 1997 (Eingang der Umsatzsteuerjahreserklärung 1996) gab es noch keine bestandskräftige Umsatzsteuerfestsetzung für 1996.

aa)

Der Zeitpunkt, bis zu dem nach einer Option zur Istbesteuerung rückwirkend auf diese verzichtet werden kann, ist ebenso wenig geregelt wie der Zeitpunkt für eine Gestattung der Istbesteuerung. Für Letztere ist jedoch allgemein anerkannt, dass sie jedenfalls dann nicht mehr zulässig ist, wenn sie sich auf einen Besteuerungszeitraum erstreckt, der bereits durch eine bestandskräftige Umsatzsteuerfestsetzung abgeschlossen ist (vgl. Wagner in Sölch/Ringleb, a.a.O., § 20 Rz 30; Reiß in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 20 Rz 18; Zeuner in Bunjes/Geist, a.a.O., § 20 Rz 16; Korn, Umsatzsteuer-Kongress-Bericht 1988/1989, S. 15, 28; Devermann in Offerhaus/ Söhn/Lange, § 20 UStG Rz 106; im Ergebnis auch Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 28. August 2002 V B 65/02, BFH/NV 2003, 210; weitergehend --bis zur Änderbarkeit nach § 164 AO-- Flückiger in Plückebaum/Malitzky/Widmann, a.a.O., § 20 Rz 107). Hat der Steuerpflichtige die Istbesteuerung in Anspruch genommen, dann kann für die Rückgängigmachung kein längerer Zeitraum als für ihre Ausübung eingeräumt werden. Denn für die Rückgängigmachung eines Wahlrechts als "actus contrarius" gelten --auch in zeitlicher Hinsicht-- die gleichen Grenzen wie für die Ausübung des Wahlrechts.

bb)

Über die gesetzlich geregelten Fälle hinausgehend hat auch die Rechtsprechung eine Rückgängigmachung von Verfahrenshandlungen nur bis zur formellen Bestandskraft der Steuerfestsetzung des Kalenderjahres anerkannt, für die sie gelten soll.

(1)

Das Umsatzsteuergesetz regelt in § 19 Abs. 2 Satz 1 UStG die Option des Kleinunternehmers zur Regelbesteuerung und in § 23 Abs. 3 Satz 1 UStG die Option zur Besteuerung nach Durchschnittssätzen. In beiden Fällen muss der jeweilige Widerruf bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung (§ 18 Abs. 3 und 4 UStG) und damit innerhalb der formellen Bestandskraft erfolgen.

(2)

§ 9 Abs. 1 UStG ermöglicht eine Option zur Steuerpflicht, regelt aber --im Unterschied zu §§ 19, 23 UStG-- nicht, bis zu welchem Zeitpunkt diese zu erklären ist und bis zu welchem Zeitpunkt eine erklärte Option noch rückgängig gemacht werden kann. Unter Hinweis auf die rechtssystematisch vergleichbare Situation beim Widerruf eines Verzichts auf die Anwendung des § 19 Abs. 1 UStG hat der BFH eine Bindungswirkung an die Option zur Steuerpflicht ab dem Eintritt der formellen Bestandskraft der jeweiligen Steuerfestsetzung bejaht (vgl. BFH-Beschluss vom 6. August 1998 V B 146/97, BFH/NV 1999, 223; im Unterschied zur nachträglichen Ausübung der Option vgl. Klenk in Sölch/Ringleb, a.a.O., § 9 Rz 68). Dieselbe zeitliche Grenze gilt im Übrigen auch für eine Änderung des Aufteilungsmaßstabes nach § 15 Abs. 4 UStG (vgl. BFH-Urteile vom 2. März 2006 V R 49/05, BFHE 213, 249, BStBl II 2006, 729, und vom 28. September 2006 V R 43/03, BFHE 215, 335, BStBl II 2007, 417; BFH-Beschluss vom 14. März 2008 V B 137/06, BFH/NV 2008, 1213).

Da sowohl die Rückgängigmachung der Optionen nach §§ 9, 19, 23 UStG als auch die Rückgängigmachung der Istbesteuerung im Rahmen des § 20 UStG die rückwirkende Änderung von Verfahrenshandlungen betrifft und sachliche Gründe für eine unterschiedliche Behandlung nicht ersichtlich sind, hält der Senat einen Verzicht auf die Istbesteuerung bis zum Eintritt der formellen Bestandskraft für zulässig (vgl. auch Wagner in Sölch/Ringleb, a.a.O., § 20 Rz 31; Burhoff in Peter/Burhoff/Stöcker, Umsatzsteuer, Kommentar, § 20 Rz 49).

cc)

Dabei kommt es nicht auf die formelle Bestandskraft der jeweiligen Umsatzsteuer-Voranmeldung an, sondern auf die formelle Bestandskraft der Jahressteuerfestsetzung. Denn maßgeblicher Besteuerungszeitraum für die Umsatzsteuer ist das Kalenderjahr (§ 16 Abs. 1 Satz 2 UStG). Daher werden die auf (monatlich oder vierteljährlich abzugebenden) Voranmeldungen beruhenden Festsetzungen durch eine Jahressteuerfestsetzung (§ 18 Abs. 3 UStG) abgelöst; in verfahrensrechtlicher Hinsicht führt dies dazu, dass --in einem die Voranmeldungen betreffenden Rechtsstreit-- ein Jahressteuerbescheid zum Gegenstand des Verfahrens wird (§ 68 FGO) und sich der Rechtsstreit hinsichtlich der Voranmeldungen i.S. von § 124 Abs. 2 AO "auf andere Weise" erledigt (ständige BFH-Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschluss vom 22. Oktober 2003 V B 103/02, BFH/NV 2004, 502). Hinzu kommt, dass auch die gesetzlichen Regelungen zum Widerruf der Optionen des § 19 und des § 23 UStG auf § 18 Abs. 3 und 4 UStG und damit auf die Jahressteuerfestsetzung verweisen. Gründe für eine hiervon abweichende Behandlung des Wechsels zwischen Ist- und Sollbesteuerung sind nicht erkennbar.

dd)

Dem danach zulässigen Wechsel von Ist- zur Sollbesteuerung kann der Kläger nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass es in den Fällen der §§ 19, 23 UStG nur darum gehe, ob die entsprechenden Umsätze mit oder ohne Umsatzsteuer besteuert würden, während es bei § 20 UStG um den Zeitpunkt der Entstehung der Steuer überhaupt gehe. Abgesehen davon, dass es im Falle der Kleinunternehmeroption nach § 19 UStG ebenfalls um die Entstehung einer --bislang nicht erhobenen-- Umsatzsteuer geht, greift dieser Einwand nicht im Falle des Widerrufs einer Option nach § 9 Abs. 1 UStG. Denn mit der Option entsteht und durch den Widerruf der Option entfällt die den jeweiligen Umsatz betreffende Umsatzsteuer.

Soweit der Kläger meint, einem Vergleich mit § 19 und § 23 UStG stehe auch entgegen, dass es dort nach Ablauf der Unanfechtbarkeit langjährige Bindungswirkungen gebe, ist zu berücksichtigen, dass dieser Gesichtspunkt zwar für die Ausübung der Option zutrifft, nicht aber für den mit den Verhältnissen im Streitfall vergleichbaren Widerruf der Option. Im Übrigen handelt es sich bei der langjährigen Bindungswirkung der §§ 19 23 UStG um eine weitergehende gesetzliche Einschränkung, die aber nichts über den Zeitpunkt der Bindungswirkung besagt.

4.

Zu Recht hat das FG schließlich entschieden, dass --nach vollzogener Rückkehr zur Sollbesteuerung-- dem Kläger durch die antragsgemäße Vorbehaltsfestsetzung vom 16. März 2000 nicht erneut eine Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten gestattet werden konnte. Denn die Steuerfestsetzung aufgrund der Jahreserklärung vom 4. Dezember 1997 (§ 18 Abs. 3 Satz 1 UStG i.V.m. § 168 AO), der eine Besteuerung nach vereinbarten Entgelten zugrunde lag, ist formell bestandskräftig geworden. Mit dem Eintritt der formellen Bestandskraft ist sowohl für den Kläger als auch für das FA hinsichtlich der Besteuerungsart eine Bindungswirkung eingetreten. Auf die Unabänderbarkeit der Steuerfestsetzung kommt es insoweit nicht an. Das FA konnte daher den Steuerbescheid vom 16. März 2000, dem entgegen der bereits eingetretenen Bindungswirkung eine Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten zugrunde lag, gemäß § 164 Abs. 2 AO wieder aufheben.

Da dem Kläger somit für das Streitjahr eine Rückkehr zur Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten versagt bleibt, ist unerheblich, dass die ursprüngliche Umsatzsteuerjahreserklärung 1996 insoweit fehlerhaft war, als der Kläger darin die Folgen der Einbringung auf den 4. November 1996 zurückbezogen hat, obwohl die Rückwirkungsfiktion nach § 2 Abs. 1 des Umwandlungssteuergesetzes nicht für die Umsatzsteuer gilt (vgl. Widmann in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 2 UmwStG Rz 290, m.w.N.).

Ende der Entscheidung

Zurück