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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 23.09.1998
Aktenzeichen: XI R 1/98
Rechtsgebiete: FGO, EStG


Vorschriften:

FGO § 126 Abs. 2
FGO § 118 Abs. 2
EStG § 4 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) unterhält einen Gewerbebetrieb (Vertrieb von technischen Gasen) mit Betriebsstätten an ihrem Wohnort in N und in M. In der Betriebsstätte in M sind der Ehemann der Klägerin und ihre beiden ebenfalls in N wohnenden Söhne tätig. Für die Fahrten zwischen N und M hat die Klägerin ihrem Ehemann und ihren Söhnen betriebliche Kfz zur Verfügung gestellt. Die Kosten für diese Fahrten will die Klägerin als Betriebsausgaben abziehen. Demgegenüber ist der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) der Auffassung, daß die Klägerin die Kosten für die Fahrten aus privaten Gründen übernommen habe.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Die Klägerin habe durch die kostenlose Gestellung von betrieblichen Kraftfahrzeugen für die Fahrten ihres Ehemannes und ihrer Söhne in erster Linie Kosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte dieser Arbeitnehmer übernommen. Klare arbeitsvertragliche Vereinbarungen seien nicht nachgewiesen worden. Die Äußerungen im Rahmen des jetzigen Klageverfahrens liefen darauf hinaus, daß man sich über die rechtlichen Rahmenbedingungen keine Gedanken gemacht habe, d.h. auch keine Vereinbarungen getroffen habe. Hinsichtlich des Arbeitnehmers V, der hin und wieder mitgefahren sei, habe das FA zwischenzeitlich die anteiligen Aufwendungen als Betriebsausgaben abgezogen.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts. Bei den Fahrten zwischen N und M handele es sich um Fahrten zwischen zwei Betriebsstätten, die stets betrieblich veranlaßt seien. Selbst wenn es sich um Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte gehandelt haben sollte, könne sie --die Klägerin-- die entstandenen Kosten als Betriebsausgaben abziehen. Mündliche Vereinbarungen seien ausreichend, wenn sie zu Beginn des Vertragsverhältnisses klar und eindeutig getroffen und tatsächlich durchgeführt seien. Das sei der Fall. Auch liege die Gesamtheit der vereinbarten Bezüge im Rahmen dessen, was ein fremder Dritter erhalten hätte. Allein die Tatsache, daß die in M wohnenden Arbeitnehmer ihre geringfügigen Fahrtkosten nicht erstattet erhalten hätten, rechtfertige keine Nichtanerkennung der Kfz-Kosten. Von Bedeutung sei aber, daß der nicht familienangehörige Arbeitnehmer V das Kfz für Fahrten zwischen N und M habe kostenlos benutzen dürfen. Sei aber die Übernahme der Kosten des V betrieblich veranlaßt, so könne die betriebliche Veranlassung bei den familienangehörigen Arbeitnehmern nicht verneint werden. Bezüglich der beiden angestellten Söhne könne die zu Ehegatten entwickelte Rechtsprechung nur begrenzt übertragen werden (Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 17. Aufl., 1998, § 4 Rz. 520, "Angehörige", b, ee).

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Bescheide über die Feststellung der Einkünfte 1982 bis 1985 und die Gewerbesteuermeßbeträge 1982, 1984 und 1985 dahingehend zu ändern, daß weitere Aufwendungen als Betriebsausgaben abgezogen werden.

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision wird gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) als unbegründet zurückgewiesen.

Die in der Übernahme der Kfz-Kosten bestehenden Aufwendungen sind nicht gemäß § 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) betrieblich veranlaßt.

a) Entgegen der Auffassung der Klägerin hat das FG die Fahrten des Ehemanns und der Söhne von N nach M zutreffend als solche zwischen Wohnung und Arbeitsstätte beurteilt. Der Ehemann und die Söhne hatten ihre Arbeitsleistung allein in M zu erbringen.

b) Diese Einordnung steht der Abziehbarkeit dieser Aufwendungen als Betriebsausgaben der Klägerin allerdings nicht von vornherein entgegen; denn einem Arbeitgeber ist es unbenommen, die Kosten seines Arbeitnehmers für die Fahren zwischen Wohnung und Arbeitsstätte als Teil des Arbeitsentgelts zu übernehmen. Sofern es sich allerdings --wie im Streitfall-- um Leistungen zwischen nahen Angehörigen handelt, müssen diese Leistungen einem Fremdvergleich standhalten.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) können Rechtsbeziehungen zwischen nahen Angehörigen nur dann der Besteuerung zugrunde gelegt werden, wenn sie klar und eindeutig und zivilrechtlich wirksam vereinbart sind, entsprechend durchgeführt werden, inhaltlich dem zwischen Fremden Üblichen entsprechen und angemessen sind (vgl. BFH-Urteile vom 18. März 1993 IV R 61-62/91, BFH/NV 1994, 457; vom 16. Mai 1995 XI R 87/93, BFHE 178, 129, BStBl II 1995, 873; vom 6. Juli 1995 IV R 79/94, BFHE 178, 180; vom 9. Mai 1996 IV R 64/93, BFHE 180, 380, BStBl II 1996, 642; Schmidt/Heinicke, a.a.O., § 4 Rz. 520, "Angehörige", a-c). Nach der neueren Rechtsprechung des BFH schließt bei der im Rahmen des Fremdvergleichs für die Beurteilung maßgebenden Gesamtheit der objektiven Gegebenheiten nicht mehr jede geringfügige Abweichung einzelner Sachverhaltsmerkmale vom Üblichen notwendigerweise die steuerrechtliche Anerkennung des Vertragsverhältnisses aus. Voraussetzung ist aber, daß die Hauptpflichten stets klar und eindeutig vereinbart sind sowie entsprechend dem Vereinbarten durchgeführt werden (BFH-Urteile vom 7. Mai 1996 IX R 69/94, BFHE 180, 377, BStBl II 1997, 196; vom 20. Oktober 1997 IX R 38/97, BFHE 184, 463, BStBl II 1998, 106; vom 17. Februar 1998 IX R 30/96, BFHE 185, 397, BStBl II 1998, 349). Die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Anerkennung von Arbeitsverhältnissen zwischen nahen Angehörigen beziehen sich --dem Grundsatz nach-- auch auf Vereinbarungen zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (BFH-Beschluß vom 11. April 1997 III B 142/96, BFH/NV 1997, 667).

c) Im Streitfall sind nach den Feststellungen des FG arbeitsvertragliche Vereinbarungen hinsichtlich der Fahrten zwischen N und M nicht nachgewiesen worden. Nach diesen Feststellungen, die den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO binden, ist davon auszugehen, daß sich die Klägerin über die rechtlichen Rahmenbedingungen der Kfz-Überlassung nicht im klaren war. Dies kommt insbesondere darin zum Ausdruck, daß sie sich --auch noch im Revisionsverfahren-- vorrangig darauf berufen hat, die Fahrten zwischen N und M seien als Dienstreisen anzusehen, und sich nur hilfsweise darauf beruft, daß die Überlassung auch Teil der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen gewesen sein könnte. Voraussetzung der Anerkennung von Leistungen zwischen nahen Angehörigen ist aber zumindest, daß Klarheit über den Umfang der wechselseitigen Rechte und Pflichten besteht; bestehen --wie bei der Überlassung der Fahrzeuge für die Fahrten zwischen N und M-- über die Art und die Zuordnung der erbrachten Leistungen nur ungenaue Vorstellungen, so können diese Leistungen nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden. Im Streitfall ist unklar geblieben, ob es sich überhaupt um Leistungen im Rahmen der Arbeitsverhältnisse handelte.

Aus der jahrelangen unentgeltlichen Überlassung der Fahrzeuge kann nicht auf das Vorliegen von klaren und eindeutigen Vereinbarungen zwischen der Klägerin und ihren Angehörigen geschlossen werden. Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, es habe --entsprechend der jahrelangen Praxis-- darüber Einigkeit bestanden, daß die Fahrzeuge ihrem Ehemann und den beiden Söhnen für die Fahrten zwischen N und M unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden sollten und daß insoweit eine schriftliche Vereinbarung nicht erforderlich war. Die unentgeltliche Überlassung --mag sie auch jahrelang ohne Einschränkungen praktiziert worden sein und nur einen Teil des im übrigen steuerlich anerkannten Arbeitsverhältnisses betreffen-- kann die ausdrückliche rechtliche Vereinbarung nicht ersetzen.

Schließlich verhilft auch der Umstand, daß die Aufwendungen für die Mitfahrten des Arbeitnehmers V als betrieblich veranlaßt beurteilt worden sind, der Revision nicht zum Erfolg. Die für nahe Angehörige maßgebenden Grundsätze sind auf V nicht anwendbar; insoweit ist allein die betriebliche Veranlassung maßgebend. Wenn die Klägerin darauf hinweist, daß die Leistungen an V für die allgemeine Üblichkeit dieser Leistungen sprächen, so kommt es auf diesen Punkt im Streitfall nicht an. Da bereits über die Frage, ob die Leistungen an den Ehemann und die Söhne überhaupt im Rahmen der Arbeitsverhältnisse erbracht wurden, Unklarheit besteht und eine ausdrückliche rechtliche Vereinbarung über die Kfz-Überlassung fehlt, ist die Frage der Üblichkeit hier ohne Bedeutung.



Ende der Entscheidung

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