Judicialis Rechtsprechung
Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:
Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 06.09.2000
Aktenzeichen: XI R 18/00
Rechtsgebiete: EStG, GewStG
Vorschriften:
EStG § 4 Abs. 1 | |
GewStG § 7 |
Die Bilanzberichtigung für Zwecke der Festsetzung der Gewerbesteuer hindert nicht die entsprechende einkommensteuerrechtliche Korrektur in einem späteren Veranlagungszeitraum.
EStG § 4 Abs. 1 GewStG § 7
Urteil vom 6. September 2000 - XI R 18/00 -
Vorinstanz: FG Hamburg (EFG 2000, 441)
Gründe
I.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erzielt Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Aufgrund von Buchungsfehlern wies er in seiner Bilanz auf den 31. Dezember 1989 einen um 139 393 DM zu hohen Forderungsbestand aus. Nach erfolgswirksamer Berichtigung der Bilanz auf den 31. Dezember 1989 änderte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) den Gewerbesteuerbescheid 1989. Der bereits bestandskräftige Einkommensteuerbescheid 1989 wurde nicht geändert.
Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer 1990 wurde der Forderungsausweis nicht korrigiert. Einspruch und Klage gegen den (geänderten) Einkommensteuerbescheid 1990 vom 7. März 1996 hatten keinen Erfolg; das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2000, 441 veröffentlicht. Eine "Rückwärtsberichtigung" der Bilanz bis zur Fehlerquelle sei nur dann zulässig, wenn die Veranlagung änderungsfähig sei oder --was hier nicht in Betracht komme-- der Bilanzierungsfehler steuerlich bisher ohne Auswirkung gewesen sei. Das FA habe zutreffend die Schlussbilanz auf den 31. Dezember 1989 geändert. Eine Korrektur des Forderungsbestandes nur für die Einkommensteuer komme nicht in Betracht.
Mit der Revision macht der Kläger geltend:
1. Das FA hätte die Gewerbesteuer 1989 nicht ändern dürfen, da der Einkommensteuerbescheid bereits bestandskräftig gewesen sei. Nur so könne verhindert werden, dass für unterschiedliche Steuerarten unterschiedliche Bilanzen maßgebend seien.
2. Das Recht auf rechtliches Gehör sei verletzt worden. In der mündlichen Verhandlung habe das Gericht den Eindruck vermittelt, dass der Klage stattgegeben würde. Daraufhin habe die Prozessbevollmächtigte davon Abstand genommen, zur Problematik des Rechtsstreits umfassend Stellung zu nehmen.
Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und unter Änderung des Einkommensteuerbescheides vom 7. März 1996 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26. Mai 1997 die Einkommensteuer 1990 von ... DM auf ... DM herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
1. Es gebe keine von den allgemeinen Vorschriften der Abgabenordnung abweichende Vorschrift, aufgrund derer ein bereits bestandskräftiger Einkommensteuerbescheid wieder aufgehoben werden könne. Wegen der Einheitlichkeit der Bilanz sei die berichtigte Bilanz auch für die Einkommensteuer 1990 verbindlich.
2. Die Verhandlung sei so abgelaufen, wie der Kläger dies vorgetragen habe. Daraus folge aber nicht eine Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör.
II.
Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das angefochtene Urteil verletzt die Grundsätze des Bilanzenzusammenhangs (§ 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG--).
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) müssen Bilanzen für Zwecke der Veranlagung und der Gewinnfeststellung grundsätzlich im Fehlerjahr und in den Folgejahren berichtigt werden. Ist eine solche Berichtigung aber nicht mehr möglich, weil die Feststellungs- oder Veranlagungsbescheide bestandskräftig sind und keine Änderungsvorschrift für diese Bescheide eingreift, so ist die Korrektur in der Schlussbilanz des ersten Jahres nachzuholen, in dem dies mit steuerlicher Wirkung möglich ist. Diese, aus dem Prinzip des formellen Bilanzenzusammenhangs abzuleitenden Folgerungen gelten indes nicht ausnahmslos; vielmehr erfahren sie Durchbrechungen sowohl unter Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze von Treu und Glauben als auch dann, wenn der fehlerhafte Bilanzansatz in den (bestandskräftigen) Vorjahren ohne Auswirkung auf die Höhe der festgesetzten Steuern geblieben ist (BFH-Urteil vom 28. April 1998 VIII R 46/96, BFHE 185, 492, BStBl II 1998, 443, mit zahlreichen Nachweisen).
Nach diesen Grundsätzen konnte das FA im Streitfall im Rahmen der noch nicht bestandskräftigen Gewerbesteuer-Festsetzung 1989 den in diesem Jahr zu hohen Forderungsausweis zugunsten des Klägers korrigieren.
2. Entgegen der Auffassung des FG verhindert diese Korrektur aber nicht die einkommensteuerrechtliche Berichtigung des Forderungsausweises im Zuge der Einkommensteuer-Veranlagung des Streitjahres 1990. Ob die Voraussetzungen für eine Bilanzberichtigung vorliegen, ist für Einkommensteuer und Gewerbesteuer gesondert zu prüfen (Schmidt/Heinicke, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 19. Aufl., 2000, § 4 Rz. 684).
a) Der einkommensteuerliche Gewinn ist nach § 4 Abs. 1, § 5 EStG zu ermitteln. Gemäß § 7 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) ist dem Gewerbeertrag --vorbehaltlich der sich aus dem Gewerbesteuerrecht ergebenden Besonderheiten-- der nach den Vorschriften des EStG zu ermittelnde Gewinn aus Gewerbebetrieb zugrunde zu legen. Gewinn und Gewerbeertrag sind verfahrensrechtlich selbständig zu ermitteln (BFH-Urteil vom 9. August 1989 X R 110/87, BFHE 158, 520, BStBl II 1990, 195). § 7 GewStG begründet keine Bindungswirkung für die Gewerbesteuer an den einkommensteuerrechtlichen Gewinn (BFH-Urteil vom 21. Januar 1992 VIII R 72/87, BFHE 169, 219, BStBl II 1992, 958). Das gilt ungeachtet der Tatsache, dass § 7 GewStG auf die Gewinnermittlungsvorschriften des EStG Bezug nimmt, dass § 35b GewStG eine vereinfachte Bescheidänderung vorsieht (dazu vgl. BFH-Urteil vom 10. März 1999 XI R 28/98, BFHE 188, 409, BStBl II 1999, 475) und dass bilanzsteuerrechtliche Wahlrechte für Zwecke der Gewerbesteuer nicht anders als für Zwecke der Einkommensteuer ausgeübt werden dürfen (BFH-Urteil in BFHE 158, 520, BStBl II 1990, 195).
Daraus folgt, dass für die jeweilige Veranlagung die Bilanzansätze als Ausgangswerte maßgeblich sind, die in der Vorjahresbilanz als Abschlusswerte enthalten waren. § 4 Abs. 1 EStG definiert den Gewinn als Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahrs und dem Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs. Maßgeblich ist also das Betriebsvermögen, das bei der jeweiligen Steuerart der Veranlagung tatsächlich zugrunde gelegen hat.
Entgegen der Auffassung des FG bewirkt die im Erhebungszeitraum 1989 vorgenommene Korrektur des Forderungsbestandes bei der Gewerbesteuer nicht die Änderung des einkommensteuerrechtlichen Endvermögens. Diese Auffassung verkennt die verfahrensrechtliche Selbständigkeit der einkommensteuerrechtlichen Gewinnermittlung und würde im Übrigen dazu führen, dass die einkommensteuerrechtliche Fehlerkorrektur von der verfahrensrechtlichen Änderbarkeit der Gewerbesteuerveranlagung abhinge.
Darüber hinaus geht das FG zu Unrecht von einem Grundsatz der Einheitlichkeit der Bilanz aus. Es kann dahingestellt bleiben, ob und inwieweit die Gewinnermittlung für Zwecke der Gewerbesteuer eine eigenständige rechtliche Bedeutung hat und ob eine eigenständige Gewerbesteuerbilanz existiert. Bereits aufgrund der Unterschiede von Einkommensteuer und Gewerbesteuer können sich unterschiedliche Bilanzpositionen ergeben (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 13. Januar 1977 IV R 9/73, BFHE 121, 355, BStBl II 1977, 472); Unterschiede können sich weiterhin aus dem unterschiedlichen verfahrensrechtlichen Ablauf der einzelnen Veranlagungen ergeben. Die Bilanzansätze für Zwecke der Einkommen- und der Gewerbesteuer können sich daher unterschiedlich entwickeln.
b) Ist eine Forderung zu Unrecht gewinnerhöhend aktiviert worden, so ist diese Forderung nach den Grundsätzen des Bilanzenzusammenhangs im ersten offenen Veranlagungszeitraum, im Streitfall also im Streitjahr, gewinnmindernd auszubuchen (vgl. Weber-Grellet in Kirchhof/Söhn, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 4 Rdnr. C 296).
3. Angesichts der Aufhebung der Vorentscheidung aus anderen Gründen kann die Frage der Verletzung des rechtlichen Gehörs dahinstehen.
Ende der Entscheidung
Bestellung eines bestimmten Dokumentenformates:
Sofern Sie eine Entscheidung in einem bestimmten Format benötigen, können Sie sich auch per E-Mail an info@protecting.net unter Nennung des Gerichtes, des Aktenzeichens, des Entscheidungsdatums und Ihrer Rechnungsanschrift wenden. Wir erstellen Ihnen eine Rechnung über den Bruttobetrag von € 4,- mit ausgewiesener Mehrwertsteuer und übersenden diese zusammen mit der gewünschten Entscheidung im PDF- oder einem anderen Format an Ihre E-Mail Adresse. Die Bearbeitungsdauer beträgt während der üblichen Geschäftszeiten in der Regel nur wenige Stunden.