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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 03.07.2002
Aktenzeichen: XI R 20/01
Rechtsgebiete: AO 1977, ZRFG
Vorschriften:
AO 1977 § 163 Abs. 1 | |
AO 1977 § 120 Abs. 2 Nr. 2 | |
AO 1977 § 130 Abs. 2 | |
ZRFG § 3 Abs. 3 |
Gründe:
I.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreibt ein ... unternehmen. Er begann im Jahr 1989 auf fremdem Grund und Boden mit der Errichtung einer Lagerhalle, die zum 1. März 1991 fertig gestellt wurde. Hierfür beantragte der Kläger die Zulassung von Sonderabschreibungen nach § 3 des Zonenrandförderungsgesetzes (ZRFG). Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) ließ die Sonderabschreibungen mit Bescheid vom 10. April 1992 unter folgender Bedingung zu:
"Die unbeweglichen Wirtschaftsgüter ....
- gehören mindestens drei Jahre nach ihrer Anschaffung oder Herstellung ... zum Anlagevermögen ... der Betriebsstätte im Zonenrandgebiet,
- werden in jedem Jahr des Dreijahreszeitraums zu eigenbetrieblichen Zwecken verwendet ....
Wird eine dieser Bedingungen nicht erfüllt, entfällt die Bewilligung rückwirkend. In diesem Fall sind die Sonderabschreibungen insoweit im Jahr ihrer Inanspruchnahme rückgängig zu machen. Davon betroffene Gewinnfeststellungsbescheide und Steuerbescheide werden nach § 175 AO geändert."
Zum 1. März 1991 gründete der Kläger mit zwei weiteren Gesellschaftern die "L-GmbH" (GmbH), an der er zunächst mit 20 v.H. und ab dem 3. September 1991 mit 52 v.H. beteiligt war. Mit denselben Gesellschaftern gründete der Kläger außerdem die P-GbR (GbR), in der er von Anfang an die Kapital- und Stimmenmehrheit besaß.
Für die Lagerhalle bildete der Kläger für 1989 mit Zustimmung des FA eine steuerfreie Rücklage von 435 000 DM. Im Rahmen der Einkommensteuer-Veranlagung 1990 nahm der Kläger eine Sonderabschreibung in Höhe von 145 000 DM vor.
Nachdem im Rahmen einer beim Kläger durchgeführten Außenprüfung festgestellt wurde, dass die Lagerhalle seit ihrer Fertigstellung an die GmbH vermietet war, widerrief das FA mit Verfügung vom 23. Juni 1993 den Bescheid über die Bewilligung der Sonderabschreibungen nach § 3 ZRFG; die Voraussetzung der eigenbetrieblichen Nutzung für mindestens drei Jahre sei nicht erfüllt. Die entsprechenden Steuerbescheide seien zu ändern.
Mit Schreiben vom 28. Juni 1993 teilte der Kläger mit, dass er mit dieser Entscheidung nicht einverstanden sei. Das FA behandelte das Schreiben als Beschwerde und legte den Vorgang der Oberfinanzdirektion (OFD) vor. Diese entschied, die Beschwerde gegen den "Widerruf" sei zulässig, aber unbegründet. Eine Betriebsaufspaltung komme erst ab dem 3. September 1991 in Betracht; die Lagerhalle sei jedoch bereits ab 1. März 1991 der GmbH zur Nutzung überlassen worden.
Das FA erließ für die Veranlagungszeiträume 1989 und 1990 Änderungsbescheide (11. Oktober 1994/12. Juli 1995; § 129 der Abgabenordnung --AO 1977--) und für den Veranlagungszeitraum 1991 unter dem 15. Mai 1995 einen Erstbescheid. Die Einsprüche gegen die Bescheide wies das FA mit der Begründung zurück, dass über die Bewilligung der Sonderabschreibungen in einem gesonderten Verfahren entschieden worden sei.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unzulässig ab; es bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis. Über die Bewilligung von Sonderabschreibungen sei in einem besonderen Verfahren zu entscheiden; der Bewilligungsbescheid sei Grundlagenbescheid. Die Sonderabschreibungen seien zwar mit einer auflösenden Bedingung verknüpft, so dass mit Eintritt der Bedingung die Sonderabschreibungen automatisch entfielen, ohne dass es einer Rücknahme oder eines Widerrufs bedürfe; die Widerrufsverfügung des FA erfülle jedoch alle Begriffsmerkmale eines Verwaltungsaktes. Entsprechend habe der Kläger "gegen den Bescheid vom 23. Juni 1993 über den Widerruf der Sonderabschreibungen" Einwendungen erhoben. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe dieses verfahrensrechtliche Vorgehen gebilligt (BFH-Urteil vom 16. Juni 1994 IV R 97/93, BFH/NV 1995, 279).
Mit der Revision machen die Kläger geltend:
1. Gerügt werde die Verletzung des § 40 der Finanzgerichtsordnung (FGO) und des Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG). Der Streit um die Frage, ob die auflösenden Bedingungen eines Bewilligungsbescheides nach § 3 ZRFG eingetreten seien, könne auch im Rahmen der Einkommensbesteuerung geführt werden.
2. Der Bewilligungsbescheid nach § 3 ZRFG sei Grundlagenbescheid für das Steuerfestsetzungsverfahren. Sei der Grundlagenbescheid wirksam, müsse er im Folgebescheidsverfahren berücksichtigt werden. Ob er wirksam sei, sei im Folgebescheidsverfahren eigenständig zu prüfen. Entsprechendes gelte, wenn die Wirksamkeit des Grundlagenbescheides von einem Bedingungseintritt abhänge. Sei eine auflösende Bedingung eingetreten, bedürfe es keiner Rücknahme oder Widerrufs des Grundlagenbescheides. Der Grundlagenbescheid sei nicht mehr wirksam. Der Streit, ob die auflösende Bedingung eingetreten sei, sei im Verfahren über den Folgebescheid zu führen.
3. Für Bewilligungsbescheide nach § 3 ZRFG räume die Finanzverwaltung aus Gründen der Rechtsklarheit ein besonderes Verfahren ein, nach dem der Bewilligungsbescheid förmlich aufzuheben sei; der BFH habe dieses Verfahren gebilligt (BFH-Urteile vom 16. Juni 1994 IV R 48/93, BFHE 175, 109, BStBl II 1996, 82; in BFH/NV 1995, 279). Der BFH habe bisher noch nicht entschieden, ob damit die allgemeinen Grundsätze aufgehoben würden und der Streit über den Eintritt der auflösenden Bedingung ausschließlich im Rahmen des Aufhebungsbescheides zu führen sei.
4. Der Aufhebungsbescheid habe keinen Regelungscharakter. Er wiederhole lediglich die bereits per Gesetz eingetretene Rechtsfolge. Beide Verfahren stünden gleichwertig nebeneinander. Es stehe dem Steuerpflichtigen frei, ob er den Rechtsstreit im Rahmen des Aufhebungs- oder des Folgebescheidsverfahrens führe. Die Klage sei demnach zulässig.
5. Die Klage sei auch begründet; die Verbleibensvoraussetzungen seien erfüllt.
Die Kläger beantragen,
das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
1. Es bestehe kein schützenswertes Interesse an der Durchführung eines weiteren Verfahrens. Die Kläger hätten von der Möglichkeit, gegen den Aufhebungsbescheid vom 23. Juni 1993 Klage zu erheben, keinen Gebrauch gemacht.
2. Die Klage sei auch nicht begründet. Die Verbleibensvoraussetzungen seien nicht erfüllt; rückwirkende Vereinbarungen seien steuerlich irrelevant.
II.
Die Revision ist gemäß § 126 Abs. 2 FGO als unbegründet zurückzuweisen. Die Entscheidung des FG ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
1. Nach § 3 Abs. 1 ZRFG kann bei Steuerpflichtigen, die in einer gewerblichen Betriebsstätte im Zonenrandgebiet Investitionen vornehmen, im Hinblick auf die wirtschaftlichen Nachteile, die sich aus den besonderen Verhältnissen dieses Gebietes ergeben, auf Antrag zugelassen werden, dass bei Steuern vom Einkommen einzelne Besteuerungsgrundlagen, soweit sie die Steuern mindern, schon zu einem früheren Zeitpunkt berücksichtigt werden. Insbesondere dürfen unter bestimmten Voraussetzungen bei Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens Sonderabschreibungen gewährt werden (§ 3 Abs. 2 Satz 1 ZRFG). Über die Bewilligung von Sonderabschreibungen ist nach In-Kraft-Treten der AO 1977 in einem besonderen Verfahren außerhalb des Steuerfestsetzungsverfahrens zu entscheiden; diese Entscheidung kann mit der Steuerfestsetzung verbunden werden (§ 3 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 ZRFG). Werden Sonderabschreibungen unter einer auflösenden Bedingung gemäß § 120 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977 bewilligt, entfallen mit Eintritt dieser Bedingung die Sonderabschreibungen rückwirkend; einer Rücknahme oder eines Widerrufs des Bewilligungsbescheides nach §§ 130, 131 AO 1977 bedarf es hierzu nicht. Der Bewilligungsbescheid ist allenfalls aus Gründen der Rechtsklarheit insoweit förmlich aufzuheben, als die auflösende Bedingung eingetreten ist (BFH-Urteil in BFH/NV 1995, 279, m.w.N.). Die aus Gründen der Rechtsklarheit erfolgende förmliche Aufhebung ist ein selbständiger Verwaltungsakt mit eigenem Regelungsgehalt. Der Regelungsgehalt besteht darin, dass mit bindender Wirkung eine bestimmte Rechtsfolge festgestellt wird (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 118 AO 1977 Tz. 33).
Der Erlass eines Bescheides über den Wegfall der Begünstigung entspricht dem gesetzlichen Anliegen --wie es in § 3 Abs. 1 und 3 ZRFG zum Ausdruck kommt--, Entscheidungen über die Gewährung der Steuervergünstigungen nach dem ZRFG in einem besonderen Verfahren zu treffen. Das gilt nicht nur für deren Gewährung, sondern auch für deren Aufhebung. Ist die Verwaltung berechtigt, bestimmte Verwaltungsakte zu erlassen, hat sie auch die Berechtigung, diese Entscheidung bei Wegfall der entsprechenden Voraussetzungen wieder aufzuheben. Angesichts der relativ engen Voraussetzungen für die Rücknahme rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakte (vgl. § 130 Abs. 2 AO 1977) sowie des Fehlens eines ausdrücklichen "Rücknahmevorbehalts" (vgl. § 131 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977) und einer § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 vergleichbaren Regelung stellt die Verwaltung die Begünstigung unter die --in § 120 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977 ausdrücklich vorgesehene-- konstitutiv wirkende auflösende Bedingung der Einhaltung der Begünstigungsvoraussetzungen. Den Eintritt dieser Bedingung bringt die Verwaltung durch einen Bescheid zum Ausdruck.
2. Sind die Voraussetzungen des § 120 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977 nicht erfüllt, weil das "Ereignis", das zum Wegfall der Begünstigung nach § 3 Abs. 1 ZRFG führt, bereits vor Erlass des Bewilligungsbescheides eingetreten war, ist der Bewilligungsbescheid gemäß §§ 130 f. AO 1977 zurückzunehmen oder zu widerrufen (vgl. BFH-Urteil vom 16. Juni 1994 IV R 48/93, BFHE 175, 109, BStBl II 1996, 82). Ein solcher Bescheid ist gestaltender Natur.
3. Im Streitfall kann offen bleiben, ob eine klarstellende Aufhebung oder eine Rücknahme bzw. ein Widerruf gegeben waren. In jedem Fall hatte das Schreiben des FA vom 23. Juni 1999 entgegen der Auffassung der Kläger --aus der Sicht eines objektiven Betrachters (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 30. November 1999 IX R 57/98, BFH/NV 2000, 678, m.w.N.)-- Regelungscharakter i.S. des § 118 AO 1977. Dies ergibt sich insbesondere aus seinem Wortlaut. So lauten der Betreff: "Teilweiser Widerruf des Bescheides über die Bewilligung von Sonderabschreibungen nach § 3 ZRFG vom 10.04.1992" und der Eingangssatz "Hiermit widerrufe ich...". In der Begründung weist das FA zudem darauf hin, dass die Voraussetzungen, unter denen die Sonderabschreibung zugelassen wurde, nicht eingehalten wurden und daher die Sonderabschreibung rückgängig zu machen sei. Das Fehlen der Rechtsbehelfsbelehrung kann zwar bei Würdigung der Gesamtumstände Indiz gegen das Vorliegen eines Verwaltungsaktes sein (BFH-Urteil vom 12. Juni 1997 I R 72/96, BFHE 183, 30, BStBl II 1997, 660), nimmt für sich allein einem Verwaltungsakt aber nicht den Regelungscharakter (vgl. § 356 Abs. 2 AO 1977).
Auch der damalige Klägervertreter hat das Schreiben als Verwaltungsakt verstanden. Er hat mit Schreiben vom 28. Juni 1993, also innerhalb der Rechtsbehelfsfrist, Einwendungen gegen den "Bescheid vom 23. Juni 1993 über den Widerruf der Sonderabschreibung.." erhoben und erklärt, er sei mit dieser "Entscheidung" nicht einverstanden.
4. Der Bescheid über die Aufhebung der Vergünstigungen nach § 3 ZRFG wirkt als Grundlagenbescheid, der die Möglichkeit eröffnet, den Wegfall der Voraussetzungen in einem separaten Verfahren zu klären. Das bedeutet, dass der Streit über die Voraussetzungen der Sonderabschreibung allein in diesem Verfahren zu führen ist. Dies gilt erst recht, wenn der Steuerpflichtige --wie im Streitfall-- von der Möglichkeit der Anfechtung Gebrauch macht, aber --aus welchen Gründen auch immer-- nach Ergehen der abschließenden Verwaltungsentscheidung auf die Erhebung der Klage verzichtet.
Der von den Klägern vorgetragenen Auffassung, dass beide Möglichkeiten (Anfechtung des Aufhebungsbescheides und Anfechtung des Steuerbescheides) zur Auswahl des Steuerpflichtigen stünden, kann nicht gefolgt werden. Regelungen, die in einem Grundlagenbescheid getroffen sind, können allein durch Anfechtung dieses Bescheides angegriffen werden.
Ende der Entscheidung
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