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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 06.03.2003
Aktenzeichen: XI R 24/02
Rechtsgebiete: EStG, BGB, HGB
Vorschriften:
EStG § 4 Abs. 4 | |
BGB § 705 | |
HGB § 230 |
Gründe:
I.
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betrieb in den Streitjahren 1995 und 1996 eine ... praxis, deren Gewinn er durch Vermögensvergleich ermittelte. Zum 1. Oktober 1994 beteiligte er an seiner Praxis eine Stiftung als stillen Gesellschafter. Die Vermögenseinlage betrug 3 000 000 DM. Die Stiftung nahm bis zur Höhe ihrer Einlage am Verlust teil. Ihr Gewinnanteil betrug 90 v.H. aus den Überschüssen der sog. nichtärztlichen Tätigkeit der Praxis.
Die Vermögenseinlage wurde am 21. November 1994 auf zwei betrieblichen Konten des Klägers gutgeschrieben. Davon überwies der Kläger am selben Tag 900 000 DM an seine damalige und später von ihm geschiedene Ehefrau zur Abgeltung ihres Anspruchs auf Zugewinnausgleich und weitere 100 000 DM auf ein privates Festgeldkonto.
Ab dem 1. Oktober 1995 beteiligte sich anstelle der Stiftung eine GmbH als stiller Gesellschafter an der Praxis des Klägers mit einer Einlage von ebenfalls 3 000 000 DM. Mit der Einlage der GmbH zahlte der Kläger die Einlage der Stiftung zurück.
Er behandelte in den Streitjahren 1995 und 1996 die Beteiligungen der Stiftung bzw. der GmbH als typisch stille Gesellschaft und passivierte die Einlagen als Verbindlichkeiten. Die Gewinnabführungen setzte er in voller Höhe als Betriebsausgaben ab.
Im Anschluss an eine Außenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die Auffassung, die Gewinnanteile der stillen Gesellschafter seien nur in Höhe von zwei Drittel betrieblich veranlasst, weil der Kläger die Einlage zu einem Drittel für private Zwecke verwendet habe. Im Übrigen könne es sich nicht um typisch stille Gesellschaften i.S. des § 230 des Handelsgesetzbuches (HGB), sondern nur um partiarische Darlehen handeln, weil der Kläger als Arzt kein Handelsgewerbe betreibe.
Die gegen die entsprechend geänderten Einkommensteuerbescheide 1995 und 1996 erhobene Klage hatte Erfolg (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2003, 71).
Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) unter Hinweis auf den Beschluss des Großen Senats vom 8. Dezember 1997 GrS 1-2/95 (BFHE 184, 7, BStBl II 1998, 193). Der dort für Darlehenszinsen entwickelte Rechtsgrundsatz, wonach für die betriebliche Veranlassung von Schuldzinsen die Verwendung des Darlehens maßgeblich sei, gelte auch für die Gewinnanteile eines typisch stillen Gesellschafters.
Das FA beantragt das Urteil des Finanzgerichts (FG) aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen. Die Aufgabe der sog. Sekundärfolgenrechtsprechung (Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 21. Aufl., § 4 Rdnr. 520 "Schuldzinsen") sei grundsätzlich zu kritisieren. Abgesehen davon ergebe sich aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), dass Privatforderungen Gegenstand einer Vermögenseinlage eines stillen Gesellschafters sein könnten. Zwischen der Vermögenseinlage eines stillen Gesellschafters und der Darlehensvaluta eines Darlehensgläubigers bestünden Unterschiede, die deren Gleichbehandlung ausschlössen.
II.
Die Revision des FA ist begründet. Die Vorentscheidung ist aufzuheben. Die Klage ist abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass Gewinnanteile eines stillen Gesellschafters auch insoweit Betriebsausgaben sind, als die Vermögenseinlage zu privaten Zwecken verwendet worden ist. Auf die Frage, ob im Streitfall eine stille Gesellschaft oder ein (partiarisches) Darlehen vorliegt, kommt es daher letztlich nicht an (vgl. zur stillen Gesellschaft mit einem Freiberufler z.B. Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch, 30. Aufl., § 230 Rdnr. 1; Bezzenberger in Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 2, § 5 StG Rz. 2).
1. Die Gewinnanteile des typisch stillen Gesellschafters sind Betriebsausgaben des Geschäftsinhabers, wenn die durch den Vertrag über die stille Gesellschaft begründete Verpflichtung zur Zahlung von Gewinnanteilen gemäß § 4 Abs. 4 EStG durch den Betrieb veranlasst ist. Davon ist nur auszugehen, soweit die Vermögenseinlage des stillen Gesellschafters für betriebliche Zwecke verwendet wird. In Höhe von 1 000 000 DM hat der Kläger die Einlage nicht für betriebliche Zwecke verwendet. Das gilt auch, soweit das Betriebsvermögen der Praxis in die Berechnung der Zugewinnausgleichsforderung eingegangen ist (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 27. Juli 1994 X R 41/92, BFH/NV 1995, 287, m.w.N.).
a) Nach § 4 Abs. 4 EStG sind Betriebsausgaben die Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind. Sie müssen mit einer Einkunftsart (§ 2 Abs. 1 EStG) in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Handelt es sich um Aufwendungen im Zusammenhang mit der Aufnahme von Fremdkapital, muss die Kreditaufnahme durch die Erzielung von Betriebseinnahmen veranlasst sein. Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des BFH hängt das steuerliche Schicksal von Aufwendungen für ein Darlehen allein von der tatsächlichen Verwendung der Darlehensvaluta ab (vgl. z.B. Großer Senat des BFH in BFHE 184, 7, BStBl II 1998, 193; Beschluss des Großen Senats des BFH vom 4. Juli 1990 GrS 2-3/88, BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817; BFH-Urteil vom 9. Juli 2002 IX R 65/00, BFHE 199, 430, BFH/NV 2002, 1646). Diese Rechtsgrundsätze, die der BFH für Darlehenszinsen entwickelt hat, gelten für die Gewinnanteile des typisch stillen Gesellschafters entsprechend.
b) Die stille Gesellschaft ist zwar zivilrechtlich (Innen-)Gesellschaft i.S. des § 705 BGB, deren Gesellschafter --anders als die Parteien eines Darlehensverhältnisses-- gemeinsame Ziele verfolgen (vgl. z.B. BFH Urteil vom 21. Oktober 1992 X R 99/88, BFHE 170, 41, BStBl II 1993, 289). Für den Geschäftsinhaber ist jedoch die Vermögenseinlage des stillen Gesellschafters wirtschaftlich ein qualifizierter Kredit (vgl. z.B. Baumbach/Hopt, a.a.O., § 230 Rdnr. 21). Sie ist steuer- und bilanzrechtlich Fremdkapital, da sich Steuer- und Bilanzrecht vorrangig an wirtschaftlichen Gegebenheiten orientieren (vgl. z.B. Küting/Weber, Handbuch der Rechnungslegung, 4. Aufl., § 240 Rz. 22; Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl., § 1 Rz. 19, § 4 Rz. 27 ). Sie ist in der Bilanz des Geschäftsinhabers als (sonstige) Verbindlichkeit zu passivieren (vgl. z.B. Schmidt/Heinicke, a.a.O., § 5 Rdnr. 550 "stille Beteiligung; Brönner/Bareis, Die Bilanz nach Handels- und Steuerrecht, 9. Aufl., III. Rdnr. 1041; Winnefeld, Bilanzhandbuch, 2002, L 230/1; Küting/Weber, a.a.O., § 272 Rdnr. 224).
Dagegen spricht --entgegen der Meinung des FG-- auch nicht die systematische Trennung der stillen Gesellschaft und des Darlehens in § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG bzw. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Abgesehen davon, dass die Frage, ob Aufwendungen eines Steuerpflichtigen nach § 4 Abs. 4 EStG betrieblich veranlasst sind, unabhängig von der steuerrechtlichen Qualifizierung der korrespondierenden Einnahmen beim Zahlungsempfänger zu beantworten ist, spricht gerade § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG für eine Gleichbehandlung der stillen Gesellschaft und des partiarischen Darlehens. Beide Rechtsinstitute sind auch zivilrechtlich artverwandt und haben starke wirtschaftliche Berührungspunkte (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 25. März 1992 I R 41/91, BFHE 168, 239, BStBl II 1992, 889). Der getrennte Ausweis der Einnahmen aus partiarischen Darlehen und sonstigen Kapitalforderungen in § 20 Abs. 1 EStG ist im Übrigen dadurch begründet, dass nur für die in § 20 Abs. 1 Nr. 4 genannten Einnahmen Kapitalertragsteuerpflicht besteht (vgl. § 43 Abs. 1 Nr. 3 EStG).
Gegenteiliges lässt sich nicht dem vom FG in Bezug genommenen Urteil des BFH vom 2. März 1993 VIII R 47/90 (BFHE 170, 566, BStBl II 1994, 619) entnehmen. Die darin enthaltenen Ausführungen betreffen die "Umwandlung" einer Privatschuld in eine stille Gesellschaft. Darum geht es im Streitfall nicht. Der Kläger hat nach Beteiligung der Stiftung als stillen Gesellschafter mit einem Teil von deren Vermögenseinlage die Zugewinnausgleichsforderung seiner geschiedenen Frau erfüllt. Für eine Novation war kein Raum.
c) Im Übrigen entspricht es ständiger Rechtsprechung des BFH, dass Aufwendungen für die Fremdfinanzierung einer Entnahme nicht als Betriebsausgaben anzuerkennen sind (z.B. in BFHE 184, 7, BStBl II 1998, 193, unter B I. Nr. 6, m.w.N.; BFH-Beschluss vom 5. Februar 2002 VIII B 73/01, BFH/NV 2002, 908).
Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) ist nach dem tatsächlichen Geschehensablauf davon auszugehen, dass die Vermögenseinlage in Höhe von 1 000 000 DM zur Finanzierung von Entnahmen verwendet wurde. Entnahmen sind alle Wirtschaftsgüter des Betriebs (hier: Geld), die der Steuerpflichtige für sich, für seinen Haushalt oder für andere betriebsfremde Zwecke entnommen hat (§ 4 Abs. 1 Satz 2 EStG). Der Kläger hat die seinem Betrieb zur Verfügung gestellte Einlage in Höhe von 900 000 DM zur Erfüllung von Zugewinnausgleichsansprüchen und in Höhe von 100 000 DM zur Überweisung auf ein privates Festgeldkonto, also für betriebsfremde Zwecke entnommen. Nach den Beschlüssen des Großen Senats zum Schuldzinsenabzug bei Kontokorrentkonten (Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817, und in BFHE 184, 7, BStBl II 1998, 193) ist es für das Vorliegen eines einkommensteuerlich relevanten Veranlassungszusammenhangs unerheblich, ob der Steuerpflichtige die mit Fremdkapital finanzierten Aufwendungen auch durch eigene Mittel hätte bestreiten können (vgl. z.B. auch BFH-Urteil vom 22. April 1998 XI R 48/95, BFH/NV 1998, 1214).
2. Durch die Umschuldung im Streitjahr 1995 hat sich an der teilweise privaten Veranlassung der Gewinnanteile nichts geändert. Auch der Kredit der zur Ablösung eines Darlehens aufgenommen wird, ist nur insoweit Betriebsschuld, als das getilgte Darlehen dem Betriebsvermögen zuzurechnen war (vgl. z.B. Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817, unter C. II. 3. d). Das gilt auch, wenn ein stiller Gesellschafter ausscheidet und der Geschäftsinhaber mit der Vermögenseinlage eines neuen stillen Gesellschafters die Einlage des ursprünglichen Gesellschafters zurückzahlt.
Ende der Entscheidung
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