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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 20.06.2003
Aktenzeichen: XI R 25/03
Rechtsgebiete: FGO, ZPO


Vorschriften:

ZPO § 139
ZPO § 42 Abs. 2
FGO § 51 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Mit Urteil hat das Finanzgericht (FG) die Klage des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) teilweise abgewiesen. Die Veräußerungen der Eigentumswohnungen am X-Weg seien --im Unterschied zu den Wohnungen am Y-Weg-- im Rahmen eines gewerblichen Grundstückshandels vorgenommen worden. Das FG bezog sich dabei im Wesentlichen auf das Urteil des erkennenden Senats vom 9. Mai 2001 XI R 34/99 (BFH/NV 2001, 1545). In diesem Verfahren hatte der Senat die Revision des Klägers gegen die ablehnende Entscheidung des FG wegen Einkommensteuer 1989 und 1990 zurückgewiesen.

Der Kläger hat gegen das Urteil des FG Revision eingelegt und mit Schriftsatz vom 14. Mai 2003 die Richter, die an dem Verfahren XI R 34/99 mitgewirkt haben, wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Zur Begründung trägt er vor:

1. Der XI. Senat habe gefolgert, dass der Kläger die rechtliche Beratung bei Erarbeitung sog. Ersterwerbermodelle übernommen habe. Das sei niemals vorgetragen worden und auch nicht der Fall gewesen. Auch die weitere Annahme, dass der Kläger "aufgrund der sich hieraus ergebenden beruflichen Verbindungen Möglichkeiten zum günstigen Erwerb von Eigentumswohnungen erhielt", treffe nicht zu. Der Kläger sei auch nicht "Insider" der Bau- und Immobilienbranche gewesen.

2. In der Entscheidung vom 9. Mai 2001 XI R 34/99 sei davon ausgegangen worden, dass die vom Kläger erworbenen Eigentumswohnungen "voll umfänglich" fremd finanziert worden seien. Hingegen habe der Kläger vorgetragen, dass er die Wohnungen bis zu 80 v.H. der aktuellen Verkehrswerte habe belasten können; sie seien aber nicht "voll umfänglich" fremd finanziert worden.

Das FG habe nicht festgestellt, dass der Kläger "Insider der Bau- und Immobilienbranche" gewesen sei, und auch nicht, dass die Eigentumswohnungen "voll umfänglich finanziert" worden seien.

3. Der Kläger habe im Fünf-Jahres-Zeitraum drei Wohnungen und innerhalb von weiteren 9 1/2 Monaten nur zwei weitere Wohnungen verkauft. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe sich, indem er einen gewerblichen Grundstückshandel angenommen habe, über die vorhandenen Rechtsgrundsätze hinweggesetzt.

4. Der Senat habe nicht in Erwägung gezogen, dass gewichtige Indizien gegen eine von vornherein bestehende Veräußerungsabsicht gesprochen hätten. Die Notwendigkeit der Finanzierung des Sanierungsaufwandes in M habe sich dadurch ergeben, dass seine Mutter ihm nach der Wiedervereinigung die Immobilie in M geschenkt habe. Es sei unstreitig, dass der Kläger die Kaufpreise aus der Veräußerung der Wohnungen in O zur Finanzierung der Sanierungsmaßnahmen in M verwendet habe. Diese Wohnungen würden eine weit höhere Rendite abwerfen. Auch dieser Vortrag sei vom Senat mit keinem Wort erwogen worden.

5. Der BFH habe in dem Verfahren XI R 34/99 die verfahrensrechtlichen Grundsätze des § 139 der Zivilprozessordnung (ZPO) verletzt. Der Senat hätte darauf hinweisen müssen, dass er den Kläger als "Insider" der Bau- und Immobilienbranche ansehen würde. Der Kläger hätte dann erläutert, dass er zu keiner Zeit berufliche Verbindungen zur Bau- und Immobilienbranche gehabt habe. Der Senat hätte auch darauf hinweisen müssen, dass er von einer "voll umfänglichen Fremdfinanzierung" ausgehen würde. Der Kläger habe mit dem Verkauf der Eigentumswohnungen nur eine der Finanzierungsmöglichkeiten genutzt, die sich ihm aufgrund seines Vermögens geboten habe. Er sei zu keinem Zeitpunkt gezwungen gewesen, die Eigentumswohnungen in O zur Finanzierung der Sanierungsmaßnahmen in M zu verkaufen.

Wegen des Fehlens der Hinweise sei die Entscheidung vom 9. Mai 2001 als Überraschungsentscheidung anzusehen. Der Senat habe seine Fürsorge- und Förderungspflicht in verfassungswidriger Weise missachtet.

Die Entscheidungen des BFH seien von Willkür geprägt. Der Umfang und das Gewicht dieser Pflichtwidrigkeit schlössen aus, dass der Senat in dem Revisionsverfahren XI R 25/03 sachlich und unparteiisch entscheiden werde. Der Senat werde wiederum den Tatsachenvortrag des Klägers missachten und den Sachverhalt verfälschen. Der Senat werde sich auch weiterhin nicht an der "höchstrichterlichen Rechtsprechung des BFH und/oder der Rechtsprechung der Finanzgerichte orientieren, sondern eigene Rechtsgrundsätze entwickeln", da er offenbar mit allen Mitteln verhindern wolle, dass der Kläger zu seinem Recht komme. Das Ausmaß der Pflichtwidrigkeiten der Mitglieder des Senats sei nicht anders zu erklären als mit einer negativen Einstellung gegenüber dem Kläger. Nach den Fehlentscheidungen des Senats stehe fest, dass die Richter nicht die zur Vermeidung von Fehlentscheidungen notwendige Unvoreingenommenheit und Distanz besäßen.

Der Kläger beantragt, die Mitglieder des XI. Senats, soweit sie an der Entscheidung XI R 34/99 mitgewirkt haben, wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) hat sich nicht geäußert.

II. Der Antrag ist unzulässig.

1. Gemäß § 51 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 42 Abs. 2 ZPO findet die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.

Das Institut der Richterablehnung soll eine unparteiische Rechtspflege sichern und die Unparteilichkeit des mit der Sache befassten Richters sicherstellen; es soll aber nicht gegen unrichtige Rechtsansichten oder gegen unzutreffende Sachverhaltsermittlungen oder -darstellungen des Richters schützen. Eine Richterablehnung kann grundsätzlich nicht mit Erfolg auf die angebliche Rechtsfehlerhaftigkeit von Entscheidungen in früheren Verfahren gestützt werden (BFH-Beschluss vom 31. Juli 2002 V B 18/02, BFH/NV 2003, 58). Ebenfalls nicht statthaft ist ein Befangenheitsgesuch, wenn der Beteiligte sich erkennbar vor einer für ihn möglicherweise ungünstigen Rechtsauffassung des Richters schützen will (BFH-Beschluss vom 20. Juli 1994 I B 140/93, BFH/NV 1995, 400; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., 2002, § 51 Rz. 40). Die Überprüfung richterlicher Entscheidungen hat allein im Rechtsmittelweg zu erfolgen, es sei denn, es liegen Anhaltspunkte für eine unsachliche Einstellung des Richters oder für Willkür vor (Gräber/Koch, a.a.O., Rz. 51). Verfahrensverstöße oder sonstige Rechtsfehler eines Richters bilden --selbst wenn sie objektiv vorliegen-- grundsätzlich keinen Ablehnungsgrund. Insoweit stehen den Beteiligten die allgemeinen Rechtsbehelfe --auch zur Überprüfung von Verfahrensfehlern-- zur Verfügung.

Rechtsverstöße können eine Besorgnis der Befangenheit ausnahmsweise dann rechtfertigen, wenn Gründe dargetan sind, die dafür sprechen, dass die Fehlerhaftigkeit auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegenüber dem ihn ablehnenden Beteiligten beruht oder wenn der Grad der Fehlerhaftigkeit so groß ist, dass der Schluss auf Willkür gerechtfertigt erscheint (BFH-Beschluss vom 28. November 2001 VII B 67/01, juris-Nr. STRE200250034). Dies setzt ohne weiteres erkennbare und gravierende Verfahrensfehler oder eine Häufung von Rechtsverstößen voraus (BFH-Beschluss vom 27. März 1997 XI B 190/96, BFH/NV 1997, 780). Unter denselben Voraussetzungen können Rechtsfehler eines Richters in einem früheren Verfahrensabschnitt, in früheren Verfahren oder in Parallelverfahren ausnahmsweise die Besorgnis der Befangenheit begründen (BFH-Beschluss in BFH/NV 2003, 58; Gräber/Koch, a.a.O., Rz. 53, 56).

Die pauschale Ablehnung aller Richter eines Spruchkörpers ohne Angabe ernstlicher Gründe in der Person des einzelnen Richters ist rechtsmissbräuchlich und daher unzulässig, sofern nicht konkrete Anhaltspunkte im Hinblick auf eine Kollegialentscheidung vorgebracht werden, die auf eine Befangenheit aller Mitglieder des Spruchkörpers deuten (BFH-Beschlüsse vom 15. Dezember 2000 VII B 201/00, BFH/NV 2001, 637; vom 30. April 2002 X S 10/01 (PKH), BFH/NV 2002, 1050; Gräber/Koch, a.a.O., Rz. 27).

2. Im Streitfall ist das Befangenheitsgesuch nach diesen Maßstäben rechtsmissbräuchlich und daher als unzulässig zu verwerfen.

Die pauschale Ablehnung der Richter, die an der Entscheidung XI R 34/99 mitgewirkt haben, ist mangels Angabe ernstlicher Gründe in der Person des einzelnen Richters rechtsmissbräuchlich. Konkrete Anhaltspunkte, die auf eine Befangenheit aller Mitglieder des Spruchkörpers hindeuten, sind nicht gegeben.

Der Kläger begründet sein Ablehnungsgesuch allein mit der vermeintlichen Fehlerhaftigkeit der Entscheidung in der Sache XI R 34/99. Er will sich damit erkennbar vor einer für ihn möglicherweise ungünstigen Rechtsauffassung des Senats schützen. Rechtsfehler eines Richters in einem früheren Verfahrensabschnitt, in einem früheren Verfahren oder in einem Parallelverfahren können aber --wie dargelegt-- die Besorgnis der Befangenheit grundsätzlich nicht begründen; die Überprüfung richterlicher Entscheidungen hat allein im Rechtsmittelweg zu erfolgen. Etwas anderes gilt nur, wenn die mögliche Fehlerhaftigkeit auf einer unsachlichen Einstellung gegenüber den ablehnenden Beteiligten oder auf Willkür beruht. Weder für eine unsachliche Einstellung der einzelnen an der Entscheidung XI R 34/99 beteiligten Richter noch für deren willkürliches Verhalten sind Anhaltspunkte erkennbar. Der Senat weist im Übrigen darauf hin, dass sich die volle Fremdfinanzierung aus dem damals angefochtenen FG-Urteil ergab und bereits im Tatbestand des Gerichtsbescheids des Senats enthalten war, ohne dass sich der Kläger dagegen gewendet hätte.

3. Ein rechtsmissbräuchlich gestelltes Ablehnungsgesuch darf unter Mitwirkung der abgelehnten Richter und ohne vorherige Einholung dienstlicher Äußerungen dieser Richter als unzulässig verworfen werden (BFH-Beschluss vom 16. September 1999 VII B 231/99, BFH/NV 2000, 331; Gräber/Koch, a.a.O., Rz. 68, 71).

4. Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen.



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