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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 29.10.1998
Aktenzeichen: XI R 3/98
Rechtsgebiete: FGO, VwZG, ZPO


Vorschriften:

FGO § 62 Abs. 3 Satz 5
FGO § 116 Abs. 1 Nr. 3
FGO § 119 Nr. 4
FGO § 126 Abs. 3 Nr. 2
FGO § 53 Abs. 1 u. 2
VwZG § 8 Abs. 1 Satz 2
VwZG § 3
ZPO § 182
ZPO § 415 Abs. 2
ZPO § 183
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. In der Sache ist die Höhe der erzielten Einkünfte streitig. Im finanzgerichtlichen Verfahren wurde dem Kläger und Revisionskläger (Kläger) aufgegeben, die Anschaffung bestimmter Geräte, deren Kosten sowie den geltend gemachten Wertverlust darzulegen. Der Kläger kam dieser Aufforderung nicht nach.

Die Ladung des Klägers zur mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) wurde gemäß § 62 Abs. 3 Satz 5 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an die von ihm bevollmächtigte B-Aktiengesellschaft (B), A-Straße 12, gerichtet. Die Ladung wurde als unzustellbar zurückgegeben. Daraufhin wurde der ebenfalls bevollmächtigte Geschäftsführer der B, der Steuerberater L --unter Verkürzung der Ladungsfrist auf 10 Tage-- geladen. Die in der Ladung angegebene Adresse "B-Straße 5" (an diesem Ort betreibt die B eine Zweigniederlassung) wurde von der Post in "A-Straße 12" geändert. Die Zustellung wurde an dieser Adresse der B ersatzweise durch Niederlegung bei der Post vorgenommen.

An der mündlichen Verhandlung nahmen weder der Kläger noch sein Prozeßbevollmächtigter teil. Das FG wies die Klage ab. Die entscheidungserheblichen Fragen seien offen geblieben. Dies gereiche dem Kläger zum Nachteil, da er für steuermindernde Tatsachen die Beweislast trage.

Mit der Revision rügt der Kläger, wegen mangelnder Ladung seines Prozeßbevollmächtigten im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten gewesen zu sein (§ 116 Abs. 1 Nr. 3, § 119 Nr. 4 FGO).

Er beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte hat keinen Antrag gestellt. Die Beschreibung der örtlichen Verhältnisse sei zutreffend. Mangels eigener Kenntnisse werde auf die Ausführungen des FG Bezug genommen.

II. Die Revision ist gemäß § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO statthaft; sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 119 Nr. 4 FGO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

Der Kläger war --was das FG nicht erkennen konnte-- nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten. Ein Beteiligter ist im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten (§ 119 Nr. 4 FGO), wenn er nicht ordnungsgemäß zur mündlichen Verhandlung geladen worden ist und deshalb nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen kann (Beschluß des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 7. Februar 1996 X R 79/95, BFH/NV 1996, 567; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., Stand Oktober 1996, § 119 FGO Tz. 20; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., 1997, § 119 Rz. 19). Gemäß § 62 Abs. 3 FGO, § 8 Abs. 1 Satz 2 des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG) müssen Zustellungen an den für den Rechtszug bestellten Prozeßbevollmächtigten erfolgen.

Die an die Bevollmächtigte B gerichtete Ladung ist nicht ausgeführt worden. Auch L, der ebenfalls zum Prozeßbevollmächtigten bestellt worden war, ist nicht ordnungsgemäß geladen worden. Nach § 53 Abs. 1 und 2 FGO, § 3 VwZG, § 182 der Zivilprozeßordnung (ZPO) kann die Zustellung ersatzweise durch Niederlegung des zu übergebenden Schriftstücks bei der Post und schriftliche Mitteilung über die Niederlegung erfolgen, wenn die Zustellung "nach diesen Vorschriften" (das sind die § 182 ZPO vorausgehenden Vorschriften) nicht vorgenommen werden kann (vgl. von Feldmann, in Münchener Kommentar zur Zivilprozeßordnung, Bd. 1, 1992, § 182 Rz. 1). Diese Voraussetzung war nicht gegeben. Wie im Schreiben der Deutschen Post AG vom 26. November 1997 ausgeführt ist, waren der mit der Zustellung betrauten Vertretungskraft die örtlichen Verhältnisse nicht bekannt, so daß der Versuch, die Zustellung an L vorzunehmen, bereits an der Gartenpforte endete, ohne daß die Zustellerin von der Möglichkeit, das Grundstück zu betreten und an der Haustür zu klingeln, Gebrauch gemacht hatte. Die Beweiskraft der Zustellungsurkunde steht dieser Beurteilung nicht entgegen, denn bei öffentlichen Urkunden kann gemäß § 415 Abs. 2 ZPO der Gegenbeweis geführt werden (dazu Tipke/Kruse, a.a.O., Stand April 1995, § 3 VwZG Tz. 3).

Im übrigen darf bei Gewerbetreibenden, die ein besonderes Geschäftslokal haben (§ 183 ZPO), eine Ersatzzustellung durch Niederlegung nicht vorgenommen werden (vgl. BFH-Beschluß vom 26. Februar 1992 IX B 88/90, BFH/NV 1992, 755; Thomas/Putzo, Zivilprozeßordnung, 21. Aufl., 1998, § 182 ZPO, Rz. 2; Tipke/Kruse, a.a.O., Stand April 1995, § 3 VwZG Tz. 7). Auch aus diesem Grund ist L nicht ordnungsgemäß geladen worden.

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