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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 10.11.2004
Aktenzeichen: XI R 32/01
Rechtsgebiete: EStG, FGO
Vorschriften:
EStG § 4 Abs. 1 | |
EStG § 4 Abs. 3 | |
EStG § 4 Abs. 4 | |
FGO § 40 Abs. 2 |
Gründe:
I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind die alleinigen Mitunternehmer der A GbR (GbR) und erzielen Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit als Architekten. Der Gewinn wird durch Einnahme-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelt.
Das Architektenbüro befand sich in den gemieteten Wohnräumen in der ... Straße in Berlin. Wegen der in Berlin gültigen Zweckentfremdungs-Verbots-Verordnung beantragten die Kläger am 10. Oktober 1990 beim Bezirksamt, die Wohnung in der ... Straße weiterhin als Architektenbüro nutzen zu dürfen. Am 18. Dezember 1990 wurde die Genehmigung für die zweckfremde Nutzung der Wohnung u.a. mit der Auflage erteilt, dass die Kläger Ersatzwohnraum schaffen und ausschließlich zu Wohnzwecken vermieten. Für die Dauer der Zweckentfremdung musste der Ersatzwohnraum im Eigentum der Kläger verbleiben. Außerdem hatten sie ab dem 1. Januar 1991 bis zur Fertigstellung der Ersatzwohnung eine Ausgleichsabgabe in Höhe von 319 DM monatlich zu zahlen. Bei Nichterfüllung der Auflagen konnte die Genehmigung widerrufen werden.
Mit Vertrag vom 30. November 1990 erwarben die Kläger das Eigentum an einer noch zu errichtenden Eigentumswohnung. Diese wurde am 30. Dezember 1991 fertig gestellt und am 1. April 1992 an einen Arbeitnehmer der Kläger vermietet, der aber wegen der Beeinträchtigungen durch den Umbau an den übrigen Gebäudeteilen erst ab 1993 Miete zahlen musste.
Zum 1. Januar 1993 verlegten die Kläger ihr Büro in die ...straße.
Bei der für die Jahre 1989 bis 1992 durchgeführten Außenprüfung wurde die Eigentumswohnung als zum notwendigen Betriebsvermögen der GbR gehörend behandelt. Die für die Streitjahre 1991 und 1992 geltend gemachten Verluste berücksichtigte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) nicht, wie von den Klägern erklärt, als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung bei der Einkommensteuerveranlagung, sondern bei der GbR im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Gegen die Feststellungsbescheide für 1991 und 1992 vom ..., mit denen der Gewinn 1991 auf ... DM und der Gewinn 1992 auf ... DM festgestellt wurde, legten die Kläger ohne Erfolg Einspruch ein.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt; die Eigentumswohnung gehöre nicht zum notwendigen Betriebsvermögen der Architektengemeinschaft (die Entscheidung ist abgedruckt in Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2001, 879). Die Wohnung sei zwar zur Erfüllung der Auflagen des Bezirksamts angeschafft worden, weil es nur dann rechtlich zulässig gewesen sei, das Architektenbüro zunächst in den gemieteten Räumen weiter zu betreiben. Die Anschaffung sei als solche aber weder eine eigentliche betriebliche Tätigkeit im Rahmen des Architektenbüros gewesen, noch habe die Eigentumswohnung dort eine konkrete Funktion eingenommen. Insbesondere habe sie keine endgültige Funktionszuweisung in der Form erhalten, dass sie auf Dauer dem Fortbestand des Betriebes gedient habe; denn das Büro sei zwei Jahre später in andere Räume verlegt worden, ohne dass es hierfür auf die Existenz der Eigentumswohnung angekommen wäre.
Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung von § 4 Abs. 1 und Abs. 4 EStG. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) rechneten zum Betriebsvermögen alle Wirtschaftsgüter, die betrieblich veranlasst angeschafft, hergestellt oder eingelegt würden. Eine betriebliche Veranlassung liege vor, wenn ein objektiver wirtschaftlicher oder tatsächlicher Zusammenhang mit dem Betrieb bestehe. Dieser Zusammenhang werde nicht nur durch die Widmung begründet, sondern auch dadurch, dass der Anschaffungsvorgang als solcher betrieblich veranlasst, bzw. dass der Betrieb das auslösende Moment für die Anschaffung sei. Die Auflage sei an den Unternehmer gerichtet gewesen, der die Wohnung erworben habe, um den Betrieb in den bisherigen Räumen fortsetzen zu können. Ohne den Erwerb der Wohnung, die die Ausgleichsabgabe abgelöst habe, hätten die Kläger die zweckfremde Nutzung der Betriebsräume nicht fortführen und ihre Tätigkeit nicht ausüben können. Die Eigentumswohnung sei --wie die Zahlung der Abgabe-- dazu bestimmt gewesen, dem Betrieb dadurch unmittelbar zu dienen, dass sie für die Aufrechterhaltung des Betriebes in den bisherigen Räumen gesorgt habe. Wie die Rechtsprechung zum gewerblichen Grundstückshandel zeige, stehe eine wohnungswirtschaftliche Nutzung der Zuordnung zum notwendigen Betriebsvermögen nicht entgegen (so auch BFH-Urteil vom 1. Dezember 1976 I R 73/74, BFHE 121, 135, BStBl II 1977, 315). Die "Endgültigkeit" der Funktionszuweisung sei dabei aus der Sicht der Kläger im Jahre 1991 zu beurteilen; der spätere Umzug besage nichts.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Ausgangspunkt des Erwerbs der Wohnung sei zwar der Kompromiss zwischen dem Bezirksamt und den Klägern gewesen, nach dem die zweckfremde Nutzung entsprechend der Genehmigung und deren Auflagen habe fortgesetzt werden dürfen. Es fehle aber am unmittelbaren Einsatz der Wohnung im Betrieb selbst. Die Kläger seien Angehörige eines Freien Berufs. Der Umfang des Betriebsvermögens werde nach der Rechtsprechung durch die Erfordernisse des Freien Berufs begrenzt und geprägt. Das 15 km vom Architektenbüro entfernte Grundstück könne nicht unmittelbar der freiberuflichen Tätigkeit der Kläger, nämlich dem eigenverantwortlichen Planen, Gestalten und Überwachen dienen. Der baldige Umzug zeige auch die fehlende endgültige Funktionszuweisung. Die Wohnung sei so wenig notwendiges Betriebsvermögen wie ein Grundstück des Privatvermögens deshalb zu notwendigem Betriebsvermögen werde, weil es ein dem Betrieb eingeräumtes Darlehen absichere.
II. Die Revision ist nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) als unbegründet zurückzuweisen. Zutreffend hat das FG die von den Klägern aus Gründen der Zweckentfremdungs-Verbots-Verordnung erworbene Ersatzwohnung nicht dem notwendigen Betriebsvermögen zugeordnet.
1. Zu Recht hat das FG angenommen, dass die Kläger durch den angegriffenen Bescheid beschwert sind (§ 40 Abs. 2 FGO).
Im Streitfall verfolgen die Kläger zwar die Feststellung eines höheren Gewinns; die angegriffene Gewinnfeststellung beruht auf der Annahme, die erzielten negativen Einkünfte seien dem Architekturbetrieb zuzurechnen. Die Rechtsprechung hat aber bereits allein darin eine Beschwer erblickt, dass in dem Feststellungsbescheid die Höhe des Gewinns abweichend festgestellt (vgl. BFH-Urteil vom 26. Juli 1984 IV R 13/84, BFHE 142, 96, BStBl II 1985, 3) oder Einkünfte nicht einbezogen worden sind (BFH-Urteil vom 23. Oktober 1991 I R 86/89, BFHE 166, 74, BStBl II 1992, 185, 186). Die Beschwer liegt darin, dass eine vom Steuerpflichtigen behauptete Rechtsposition --im Streitfall, dass die Wohnung kein notwendiges Betriebsvermögen sei-- allgemein mit steuerrechtlich verbindlicher Wirkung festgestellt oder geleugnet wird. Ob und in welchem Umfang die Feststellungen sich bei den Steuerveranlagungen der einzelnen beteiligten Gesellschafter jeweils auswirken und anfechtbar sind, ist insoweit unerheblich (BFH-Urteil vom 14. Juni 1994 VIII R 20/93, BFH/NV 1995, 318, m.w.N.).
2. In der Rechtsprechung des BFH wird zwischen notwendigem und gewillkürtem Betriebsvermögen unterschieden (BFH-Urteil vom 31. Mai 2001 IV R 49/00, BFHE 195, 386, BStBl II 2001, 828). Da die Kläger die Ersatzwohnung nicht dem Betrieb gewidmet haben (sog. gewillkürtes Betriebsvermögen), gehört sie nur dann zum Betriebsvermögen, wenn sie notwendiges Betriebsvermögen ist.
a) Wirtschaftsgüter gehören zum notwendigen Betriebsvermögen, wenn sie dem Betrieb dergestalt unmittelbar dienen, dass sie objektiv erkennbar zum unmittelbaren Einsatz im Betrieb selbst bestimmt sind (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile vom 19. Februar 1997 XI R 1/96, BFHE 182, 567, BStBl II 1997, 399, und vom 10. September 2003 XI R 26/02, BFH/NV 2004, 257).
Dabei wird nicht vorausgesetzt, dass sie für den Betrieb notwendig im Sinne von "erforderlich" sind (BFH-Urteil vom 1. Oktober 1981 IV R 147/79, BFHE 134, 552, BStBl II 1982, 250, m.w.N.; Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 23. Aufl., § 4 Rdnr. 143; Kirchhof, Einkommensteuer, KompaktKommentar, 3. Aufl., § 18 Rdnr. 18 ff.). Sie müssen sich aber in gewisser Weise auf den Betriebsablauf beziehen und ihm zu dienen bestimmt sein. Dafür ist auf die tatsächliche Zweckbestimmung, also die konkrete Funktion des Wirtschaftsguts im Betrieb abzustellen; das erfordert eine endgültige Funktionszuweisung (BFH-Urteil vom 6. März 1991 X R 57/88, BFHE 164, 246, BStBl II 1991, 829, m.w.N.; Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl., 2002, § 9 Rz. 357 ff.). Notwendiges Betriebsvermögen wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass das Wirtschaftsgut seine Funktion auch erfüllt, wenn es --zu Unrecht-- im Privatvermögen gehalten wird (BFH-Urteil vom 13. November 1996 XI R 31/95, BFHE 182, 79, BStBl II 1997, 247).
Hingegen wird ein bisher zum Privatvermögen gehörendes Wirtschaftsgut nicht dadurch notwendiges Betriebsvermögen, dass es zur Absicherung eines Betriebskredits eingesetzt wird (Schmidt/ Heinicke, a.a.O., § 4 Rdnr. 360, Stichwort: "Belastung"). In vergleichbarer Weise wird die subjektive Zuordnung eines Wirtschaftsguts nicht dadurch verändert, dass es zu Sicherungszwecken übertragen wird (§ 246 Abs. 1 Satz 2 des Handelsgesetzbuchs --HGB--; Schmidt/Weber-Grellet, a.a.O., § 5 Rdnr. 154).
b) Grundstücke oder Grundstücksteile sind notwendiges Betriebsvermögen, wenn sie unmittelbar für eigenbetriebliche Zwecke genutzt werden (BFH-Urteil vom 15. April 1981 IV R 129/78, BFHE 133, 282, BStBl II 1981, 618). Um ein vermietetes Grundstück als notwendiges Betriebsvermögen eines (Gewerbe-)Betriebes zu beurteilen, muss es in einem engen funktionalen Zusammenhang mit diesem stehen (BFH-Urteil in BFHE 182, 79, BStBl II 1997, 247).
So gehört ein "Belegschaftsheim" seiner Zweckbestimmung nach --ohne Rücksicht auf die Art der bilanzmäßigen Behandlung-- zum notwendigen Betriebsvermögen (BFH-Urteil vom 23. Juli 1975 I R 6/73, BFHE 117, 141, BStBl II 1976, 179). Auch in der vom FG angeführten Entscheidung des BFH in BFHE 121, 135, BStBl II 1977, 315 werden die an Arbeitnehmer des Klägers vermieteten Wohnungen dem notwendigen Betriebsvermögen zugeordnet.
3. Danach war die Revision zurückzuweisen. Die Ersatzwohnung wurde zwar von den Klägern erworben, um die weitere betriebliche Nutzung der Räume in der ... Straße durch das Architekturbüro auf Dauer sicherzustellen und die Zahlung der Ausgleichsabgabe zu vermeiden. Dies allein begründet aber noch nicht ihre Zurechung zum notwendigen Betriebsvermögen des Architekturbüros.
a) Zum notwendigen Betriebsvermögen rechnen nicht nur die dem technischen und verwaltungsmäßigen Ablauf des eigentlichen Betriebsprozesses gewidmeten Einrichtungen, sondern auch diejenigen Wirtschaftsgüter, die sich "sonstwie" unmittelbar auf den Betriebsablauf beziehen und ihm zu dienen bestimmt sind (BFH in BFHE 121, 135, BStBl II 1977, 315). In diesem Sinne gehören auch Beteiligungen nur dann zum notwendigen Betriebsvermögen, wenn sie unmittelbar für eigenbetriebliche Zwecke genutzt werden, indem sie u.a. dazu bestimmt sind, die gewerbliche Betätigung des Steuerpflichtigen entscheidend zu fördern (BFH-Beschluss vom 22. November 2002 X B 92/02, BFH/NV 2003, 320, m.w.N.; BFH-Urteil vom 6. März 2003 XI R 52/01, BFHE 202, 128, BStBl II 2003, 658). Der BFH hat auch die Verpachtung von Grundbesitz dann dem Gewerbebetrieb des Steuerpflichtigen zugerechnet, wenn diese unmittelbar dem Absatz von Waren oder Produkten dient (vgl. BFH-Urteile vom 28. Juli 1983 IV R 199/80, nicht veröffentlicht, juris; vom 13. September 2000 X R 140/97, BFH/NV 2001, 431, und vom 3. August 1966 IV 380/62, BFHE 86, 628, BStBl III 1967, 47). An einem solchen unmittelbaren Bezug fehlt es aber der Ersatzwohnung.
b) Die --noch zu errichtende-- Wohnung erhielt bei ihrem Erwerb eine konkrete und endgültige Zweckbestimmung dahin gehend, für sich selbst nicht unmittelbar betrieblich eingesetzt oder genutzt zu werden, sondern lediglich den in den angemieteten zweckentfremdeten Wohnräumen bereits betriebenen Architekturbetrieb "abzusichern". Eine derartige betriebliche Absicherungs-Funktion ist --wie die Kläger vortragen-- vergleichbar der Absicherung eines Betriebskredits durch ein im Privatvermögen gehaltenes Grundstück (vgl. BFH-Urteil vom 8. Dezember 1993 XI R 16/93, BFH/NV 1994, 631). Auch dieses wird auf Grund seiner Absicherungs-Funktion nicht Teil des notwendigen Betriebsvermögens, selbst wenn die Fortführung des Betriebes ohne den Kredit nicht möglich wäre und der Kredit ohne eine entsprechende Sicherheit nicht zur Verfügung gestellt würde.
c) Aus dem BFH-Beschluss vom 20. Januar 2004 IV B 203/03 (BStBl II 2004, 355), der sich ebenfalls mit dem Erwerb von Ersatzwohnungen zur Sicherstellung einer weiteren zweckfremden Nutzung von Vermietungsobjekten befasst, ergibt sich nichts anderes. Der BFH hat darin im summarischen Verfahren unter Verweis auf die bisherige Rechtsprechung (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 24. Oktober 1979 VIII R 92/77, BFHE 129, 254, BStBl II 1980, 187) den Abzug eines Verlustes, der durch die Veräußerung eines zur Vermeidung der Zweckentfremdungsabgabe auf vermieteten Büroraum erworbenen Wohnobjekts entstanden war, als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung für möglich gehalten. Die Entscheidung befasst sich aber nicht mit der Frage, ob es sich bei der Wohnung um notwendiges Betriebsvermögen handelt.
Ende der Entscheidung
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