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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 21.01.2004
Aktenzeichen: XI R 33/02
Rechtsgebiete: EStG
Vorschriften:
EStG § 24 Nr. 1 | |
EStG § 34 |
Gründe:
I.
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zusammenveranlagte Eheleute. Der Kläger war langjähriger Mitarbeiter der Firma C-GmbH in X. Wegen der Aufgabe des Produktions-standortes in X wurde sein Arbeitsverhältnis zum 30. September 1993 beendet. Wie im Aufhebungsvertrag vom 26. Mai 1993, dem ein Sozialplan vom 18. März 1993 zugrunde lag, vereinbart, erhielt der Kläger für den Verlust seines Arbeitsplatzes im Streitjahr 1993 eine Abfindung in Höhe von 54 052 DM. Ferner war vereinbart worden, dass der Abfindungsbetrag neu geregelt werden sollte, wenn sich aus dem nächstgültigen Sozialplan hinsichtlich der Abfindungssumme für den Kläger eine finanzielle Verbesserung ergeben sollte.
Am 20. Juli 1994 wurde ein weiterer Sozialplan aufgestellt, auf Grund dessen der Kläger im Jahr 1994 für den Verlust seines Arbeitsplatzes weitere 22 862 DM erhielt.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) behandelte die im Streitjahr 1993 gezahlte Abfindung zunächst als außerordentliche Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Nachdem er von der Nachzahlung im Jahr 1994 Kenntnis erlangt hatte, änderte er den Einkommensteuerbescheid für 1993 und unterwarf die Abfindung dem vollen Steuersatz.
Hiergegen legten die Kläger Einspruch ein, der keinen Erfolg hatte.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Eine Entschädigung sei nur dann eine außerordentliche Einkunft i.S. des § 34 EStG, wenn sie dem Steuerpflichtigen in einem Veranlagungszeitraum zufließe. Da mehrere für die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses gezahlte Abfindungen eine einheitliche Entschädigung seien, fehle es im Streitfall an einem zeitlich zusammengeballten Zufluss der Abfindung. Diese sei dem Kläger auch nicht planwidrig in mehreren Veranlagungszeiträumen zugeflossen, denn die Nachzahlung sei von vornherein vereinbart worden.
Mit ihrer Revision rügen die Kläger unrichtige Anwendung des § 34 Abs. 1 und 2 EStG und des § 24 Nr. 1 EStG. Das FG sei vom Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 14. August 2001 XI R 22/00 (BFHE 196, 500, BStBl II 2002, 180) abgewichen. Der Nachzahlung im Veranlagungszeitraum 1994 liege eine soziale Fürsorgepflicht des früheren Arbeitgebers zugrunde. Sie beruhe auf einem nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus sozialen Gründen erstellten Sozialplan. Eine Nachbesserungsklausel, wie im Aufhebungsvertrag vereinbart, solle einen Anspruch auf weitere Sozialplanleistungen für den Fall einräumen, dass ein Arbeitnehmer vom zeitlichen Geltungsbereich eines anlässlich einer Betriebsschließung erstellten Sozialplanes wegen seines frühzeitigeren Ausscheidens nicht mehr erfasst werde.
Die Kläger beantragen, das Urteil des FG dahin abzuändern, dass die Einkommensteuer 1993 auf 9 205 DM herabgesetzt wird.
Das FA beantragt, die Revision der Kläger als unbegründet zurückzuweisen. Bei der im Veranlagungszeitraum 1994 gezahlten Abfindung handele es sich nicht um eine Entschädigungszusatzleistung im Sinne der von den Klägern zitierten Rechtsprechung. In BFHE 196, 500, BStBl II 2002, 180 sei es nicht um eine reine Geldzahlung gegangen. Der Kläger hingegen habe eine einheitliche Entschädigung erhalten, die lediglich in zwei Teilbeträgen ausbezahlt worden sei. Die Aufstockung sei von vornherein geplant gewesen.
II.
Die Revision der Kläger ist begründet. Das Urteil des FG sowie der Einkommensteueränderungsbescheid vom 4. August 1998 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. Dezember 2000 werden aufgehoben. Die dem Kläger auf Grund der Änderung des Sozialplans im Veranlagungszeitraum 1994 zugeflossene Abfindung steht nach neuerer Rechtsprechung des erkennenden Senats einer tarifbegünstigten Besteuerung der im Streitjahr 1993 zugeflossenen Entschädigung nicht entgegen.
1. Sind in dem zu versteuernden Einkommen außerordentliche Einkünfte enthalten, so ist die darauf entfallende Einkommensteuer nach einem ermäßigten Steuersatz zu bemessen (§ 34 Abs. 1 Satz 1 EStG). Als außerordentliche Einkünfte kommen nach § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG Entschädigungen i.S. des § 24 Nr. 1 EStG in Betracht. Dem Sinn und Zweck der Steuerbegünstigung entsprechend (Ausgleich von Progressionsnachteilen) sind Entschädigungen grundsätzlich aber nur dann außerordentliche Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 1 EStG, wenn sie zusammengeballt in einem Betrag gezahlt werden (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. z.B. BFH-Urteil vom 24. Januar 2002 XI R 43/99, BFHE 197, 522, BFH/NV 2002, 717, m.w.N.).
2. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz hat der Senat in solchen Fällen für geboten gehalten, in denen ein Arbeitgeber seinem aus betrieblichen Gründen entlassenen Arbeitnehmer neben einer Hauptentschädigungsleistung aus Gründen der sozialen Fürsorge in späteren Veranlagungszeiträumen Entschädigungszusatzleistungen gewährt. Die Unbeachtlichkeit solcher ergänzenden Zusatzleistungen beruht auf einer zweckentsprechenden Auslegung des § 34 EStG unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Diesem Grundsatz widerspräche es, die anlässlich der Entlassung eines Arbeitnehmers aus Fürsorgegesichtspunkten für eine Übergangszeit erbrachten Zusatzleistungen als für die tarifbegünstigte Besteuerung der Hauptentschädigungsleistungen schädlich zu beurteilen. Die Unangemessenheit einer solchen Rechtsfolge verdeutlicht sich insbesondere in den Fällen, in denen die in späteren Veranlagungszeiträumen zugeflossenen Zusatzleistungen niedriger sind als die tarifliche Steuerbegünstigung für die Hauptleistung (BFH-Urteil in BFHE 196, 500, BStBl II 2002, 180; BFH in BFHE 197, 522, BFH/NV 2002, 717).
3. Nach diesen Grundsätzen steht die dem Kläger im Veranlagungszeitraum 1994 nachträglich zugeflossene Abfindung für den Verlust seines Arbeitsplatzes der tarifbegünstigten Besteuerung der im Streitjahr 1993 gezahlten Hauptentschädigung nicht entgegen.
a) Die Nachzahlung war sozial motiviert. Sie beruht auf einem Sozialplan, d.h. auf einer Vereinbarung über Ausgleich und Milderung der wirtschaftlichen Nachteile eines Arbeitnehmers infolge einer geplanten Betriebsveränderung (§ 112 Abs. 1 Satz 2 des Betriebsverfassungsgesetzes), von dem der Kläger aus Gründen des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgebots trotz seines früheren Ausscheidens erfasst werden sollte (vgl. z.B. Bundesarbeitsgericht vom 11. Februar 1998 10 AZR 22/97, Der Betrieb 1998, 1138; Schaub, Arbeitsrechthandbuch, 10. Aufl., § 244 Rz. 62). Der erkennende Senat hat bereits im Urteil vom 6. März 2002 XI R 16/01 (BFHE 198, 484, BFH/NV 2002, 1523) vergleichbare nachträglich zugestandene Leistungen aus einem für entlassene Arbeitnehmer gebildeten Härtefonds als sozial motivierte Zusatzleistung beurteilt. Der Rechtsprechung des erkennenden Senats kann daher --entgegen der Auffassung des FA-- nicht entnommen werden, dass ergänzende Zusatzleistungen --wie z.B. in BFHE 196, 500, BStBl II 2002, 180-- nur zweckgebundene Geldleistungen sein können.
b) Auch der Höhe nach ist die dem Kläger nachträglich zugeflossene Erhöhung der Abfindung eine ergänzende Zusatzleistung. Mit Urteil vom 24. Januar 2002 XI R 2/01 (BFHE 197, 526, BFH/NV 2002, 715) hat der erkennende Senat entschieden, dass betragsmäßig von einem ergänzenden Zusatz zur Hauptleistung nur auszugehen ist, wenn diese die Hauptleistung bei weitem nicht erreicht. Das ist hier der Fall. Die dem Kläger nachträglich zugeflossene Aufstockung seiner Entschädigung beträgt 42,3 % der Hauptentschädigung und 29,7 % der Gesamtentschädigung.
Ende der Entscheidung
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