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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 12.04.2000
Aktenzeichen: XI R 35/99
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 16 Abs. 1 Nr. 2
EStG § 18 Abs. 3
EStG § 34 Abs. 2 Nr. 1
BUNDESFINANZHOF

Umfasst ein Mitunternehmeranteil auch Sonderbetriebsvermögen, das zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen zu rechnen ist, so ist bei Veräußerung eines Teilanteils der dabei entstehende Gewinn nur dann ermäßigt zu besteuern, wenn auch ein entsprechender Bruchteil des Sonderbetriebsvermögens veräußert wird.

EStG § 16 Abs. 1 Nr. 2, § 18 Abs. 3, § 34 Abs. 2 Nr. 1

Urteil vom 12. April 2000 - XI R 35/99 -

Vorinstanz: FG Düsseldorf (EFG 1999, 699)


Gründe

I.

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreiben seit Januar 1991 eine Zahnarztpraxis in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Nach dem Gesellschaftsvertrag waren der Kläger zu 70 % und die Klägerin (die Tochter des Klägers) zu 30 % an der GbR beteiligt.

Der Kläger veräußerte mit Vertrag vom 2. Januar 1992 von seinem GbR-Anteil einen Anteil von 30 % an Herrn Z und einen Anteil von 10 % an die Klägerin. Das im Sonderbetriebsvermögen des Klägers enthaltene Grundstück E Straße ... in A (in dem aufstehenden Gebäude wird die Praxis betrieben) wurde nicht, auch nicht anteilig veräußert, sondern im Sonderbetriebsvermögen des Klägers zu Buchwerten fortgeführt. Ebenfalls mit Vertrag vom 2. Januar 1992 veräußerte die Klägerin an Z einen Anteil von 10 % ihrer GbR-Anteile und 50 % ihres Sonderbetriebsvermögens. Im Ergebnis besaßen der Kläger und die Klägerin nunmehr jeweils 30 % und Z 40 % der Anteile.

Für das Streitjahr 1992 (1. Januar bis 2. Januar 1992) erklärten die Kläger einen laufenden Gewinn in Höhe von ... DM und einen Veräußerungsgewinn in Höhe von ... DM mit folgender Gewinnverteilung:

laufender Gewinn Veräußerungsgewinn

Kläger ... DM ... DM Klägerin ... DM ... DM

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) vertrat die Auffassung, dass die Tarifbegünstigung nach § 16 Abs. 4, § 34 des Einkommensteuergesetzes (EStG) für den Kläger nicht gewährt werden könne, da das Sonderbetriebsvermögen nicht anteilig mitveräußert worden sei und daher nicht alle stillen Reserven aufgedeckt worden seien.

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Die Entscheidung des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1999, 699 veröffentlicht.

Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung materiellen Rechts.

Sie beantragen,

das angefochtene Urteil aufzuheben und unter Änderung der Verwaltungsentscheidungen festzustellen, dass der Veräußerungsgewinn des Klägers gemäß § 34 EStG ermäßigt zu besteuern ist und dem Kläger ein anteiliger Freibetrag nach § 18 Abs. 3 i.V.m. § 16 Abs. 4 EStG zu gewähren ist.

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist unbegründet (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG kommen als außerordentliche Einkünfte im Sinn des Absatzes 1 u.a. (nur) in Betracht Veräußerungsgewinne i.S. der §§ 16 und 18 Abs. 3 EStG. Gemäß § 18 Abs. 3 EStG gehört zu den Einkünften aus selbständiger Tätigkeit auch der Gewinn, der bei der Veräußerung eines Anteils am Vermögen erzielt wird, das der selbständigen Arbeit dient. Vergleichbar gehört nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn, der bei der Veräußerung des Anteils eines Gesellschafters, der als Unternehmer (Mitunternehmer) des Betriebs anzusehen ist (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG), erzielt wird.

2. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist auch die Teilanteilsveräußerung begünstigt (vgl. BFH-Beschluss vom 18. Oktober 1999 GrS 2/98, BStBl II 2000, 123). Ob an dieser Rechtsprechung festzuhalten ist, kann dahinstehen, da die Begünstigung bereits deshalb abzulehnen ist, weil im Streitfall das Sonderbetriebsvermögen nicht (anteilig) mitveräußert wurde.

a) In der Literatur wird die Frage, ob die Begünstigung die (anteilige) Mitveräußerung des Sonderbetriebsvermögens voraussetzt, unterschiedlich beurteilt. Nach der einen Auffassung (vgl. Schmidt/Wacker, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 18. Aufl. 1999, § 16 Rz 410; Reiß in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 16 Rz. C 51; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 21. Aufl., § 16 EStG Anm. 144 --Stand Juni 1982--; Littmann/Hörger, Das Einkommensteuerrecht, Stand Juli 1999, § 16 EStG Rz. 142a; Weber, Der Betrieb --DB-- 1991, 2560; Tismer/Ossenkopp, Finanz-Rundschau --FR-- 1992, 39; Korn, Kölner Steuerdialog --KÖSDI-- 1997, 11225) ist nicht erforderlich, dass der Gesellschafter "synchron" auch einen entsprechenden Bruchteil seines Sonderbetriebsvermögens veräußert. Nach anderer Auffassung (Althans, Betriebs-Berater --BB-- 1993, 1060; Patt/Rasche, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1996, 645; Wollny, FR 1989, 713) ist hingegen die quotale Mitveräußerung des Sonderbetriebsvermögens notwendig.

Der Senat folgt der letztgenannten Auffassung.

b) Der Mitunternehmeranteil umfasst den Gesellschaftsanteil (vermögensmäßig den Anteil am Gesamthands-Gesellschaftsvermögen) und das dem einzelnen Mitunternehmer zuzurechnende Sonderbetriebsvermögen (BFH-Urteil vom 27. April 1993 VIII R 27/92, BFH/NV 1994, 159; BFH-Beschluss vom 31. August 1995 VIII B 21/93, BFHE 178, 379, BStBl II 1995, 890; BFH-Urteil vom 12. Dezember 1996 IV R 77/93, BFHE 183, 379, BStBl II 1998, 180). Die vollständige Anteilsveräußerung ist begünstigt, wenn der gesamte Anteil und das gesamte (wesentliche) Sonderbetriebsvermögen veräußert werden. Die Teilanteilsveräußerung bedeutet eine "vertikale Spaltung" des vollständigen Anteils (LS in DStR 1991, 872, 873); ihre Begünstigung setzt daher die Veräußerung eines Teils des Anteils, zugleich aber auch die quotale Mitveräußerung des (wesentlichen) Sonderbetriebsvermögens voraus. Wird ein Anteil veräußert, ohne dass ein entsprechender Bruchteil des Sonderbetriebsvermögens mitveräußert wird, so ist nicht ein vollständiger Teilanteil Gegenstand der Veräußerung.

Für diese Auffassung sprechen der Sinn und Zweck des aus § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG entwickelten Instituts des Sonderbetriebsvermögens. Danach ist ein Mitunternehmer einem Einzelunternehmer insoweit gleichzustellen, als die Vorschriften des Gesellschaftsrechts dem nicht entgegenstehen. Bei einem Einzelunternehmer wäre das Sonderbetriebsvermögen des Klägers notwendiges Betriebsvermögen gewesen. Wäre es bei einer (Teil-)Betriebsveräußerung nicht mitveräußert worden, hätte dies der Anwendung der Tarifvergünstigung entgegengestanden.

Gestützt wird die Auffassung des Senats durch das BFH-Urteil vom 19. März 1991 VIII R 76/87 (BFHE 164, 260, BStBl II 1991, 635). Danach findet die Tarifvergünstigung der §§ 16, 34 EStG bei der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils keine Anwendung, wenn gleichzeitig Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens zum Buchwert in einen anderen Betrieb des Mitunternehmers überführt werden. Zwar war in diesem Fall der gesamte Anteil veräußert worden. Grund der Nichtgewährung der Steuerbegünstigung war aber auch hier der Umstand, dass nicht die stillen Reserven aller wesentlichen Betriebsgrundlagen aufgedeckt wurden.

In vergleichbarer Weise verlangt das BFH-Urteil vom 26. Januar 1994 III R 39/91 (BFHE 173, 338, BStBl II 1994, 458) eine Gleichbehandlung des Sonderbetriebsvermögens auch im Fall der Ausübung des Wahlrechts nach § 24 Abs. 2 des Umwandlungs-Steuergesetzes (UmwStG).

c) Im Streitfall hat der Kläger lediglich einen Teilanteil ohne einen entsprechenden Bruchteil des Sonderbetriebsvermögens veräußert. Nach dem Zweck der §§ 16, 18, 34 EStG ist nur auf die Veräußerung der wesentlichen Betriebsgrundlagen abzustellen (BFH-Beschluss vom 6. Mai 1999 VIII B 78/98, BFH/NV 1999, 1329). Auch Sonderbetriebsvermögen kann zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen rechnen (BFH-Urteil vom 2. Oktober 1997 IV R 84/96, BFHE 184, 425, BStBl II 1998, 104). Das Gebäude gehörte zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen, da in ihm die Praxis untergebracht war. Eine Tarifbegünstigung nach § 18 Abs. 3, § 34 Abs. 2 EStG hat das FG zu Recht abgelehnt.

3. Der Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG setzt einen begünstigten Veräußerungsgewinn voraus (vgl. Schmidt/Wacker, a.a.O., § 16 Rz. 582). Diese Voraussetzung ist wie unter 2. dargelegt nicht erfüllt.



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