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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 14.06.2007
Aktenzeichen: XI R 37/05
Rechtsgebiete: EStG, AO, FGO
Vorschriften:
EStG § 10d | |
EStG § 10d Abs. 3 Satz 2 | |
EStG § 10d Abs. 3 Satz 4 | |
EStG § 10d Abs. 3 Satz 5 | |
AO § 126 Abs. 1 Nr. 2 | |
AO § 129 | |
AO § 171 Abs. 3a | |
AO § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a | |
AO § 179 Abs. 3 | |
AO § 181 Abs. 5 | |
AO § 181 Abs. 5 Satz 1 | |
AO § 181 Abs. 5 Satz 2 | |
AO § 182 Abs. 1 | |
FGO § 41 | |
FGO § 41 Abs. 1 | |
FGO § 68 Satz 1 |
Gründe:
I. Streitig ist, ob die gesonderten Feststellungsbescheide über den verbleibenden Verlustabzug zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 1990 vom 5. November 2003 und vom 12. März 2004 noch ergehen durften bzw. ob der am 29. Januar 1993 erlassene gesonderte Feststellungsbescheid bindend ist.
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind verheiratet und wurden im Streitjahr 1990 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Entsprechend den Angaben in der Einkommensteuererklärung wurde die Einkommensteuer 1990 mit Bescheid vom 18. September 1991 auf 0 DM festgesetzt. Dabei betrug der negative Gesamtbetrag der Einkünfte 766 689 DM. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) stellte mit Bescheid vom 29. Januar 1993 den verbleibenden Verlustabzug zum 31. Dezember 1990 --nach Durchführung des Verlustrücktrags-- auf 399 644 DM gesondert fest. Mit Änderungsbescheid vom 21. Juni 1993 wurde der verbleibende Verlustabzug zum 31. Dezember 1990 auf 218 911 DM festgestellt.
Im Anschluss an eine Außenprüfung änderte das FA am 26. August 1994 die Einkommensteuerbescheide 1988 bis 1991. Die Kläger erzielten danach im Jahre 1990 keine (rück- bzw. vortragsfähigen) Verluste mehr; die Einkommensteuer wurde ausgehend von einem Gesamtbetrag der Einkünfte von 613 777 DM unter Berücksichtigung eines Verlustrücktrags aus 1992 auf 0 DM festgesetzt. Für 1988 und 1989 beruhten die Änderungen auf dem Wegfall des bisher berücksichtigten Verlustrücktrags aus 1990 und für 1991 u.a. auf dem Wegfall des Verlustvortrags. Gleichzeitig hob das FA den Bescheid vom 21. Juni 1993 über den verbleibenden Verlustabzug zum 31. Dezember 1990 auf. In den Erläuterungen wurde auf die Ergebnisse der durchgeführten Prüfung verwiesen.
Die Klagen betreffend Einkommensteuer 1990 und gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zum 31. Dezember 1990 wurden mit Schreiben vom 2. September 2002 zurückgenommen; ebenso wurden anschließend die Klagen wegen Einkommensteuer 1988 und 1989 zurückgenommen.
In dem noch übrig gebliebenen Verfahren wegen Einkommensteuer 1991 trugen die Kläger am 12. September 2003 vor, der Rechtsstreit sei aufgrund der im Anschluss an einen Erörterungstermin erzielten tatsächlichen Verständigung der Beteiligten zwar erledigt, es bleibe aber zu klären, ob der Bescheid vom 29. Januar 1993 über den verbleibenden Verlustabzug zum 31. Dezember 1990 in Höhe von 399 644 DM noch zu berücksichtigen sei. Dieser sei wieder aufgelebt, nachdem das FA den Änderungsbescheid vom 21. Juni 1993 betreffend den verbleibenden Verlustabzug zum 31. Dezember 1990 ersatzlos aufgehoben habe. Der Erlass eines auf 0 DM lautenden Feststellungsbescheides, wie es der materiellen Rechtslage entspräche, sei nicht mehr möglich.
Das FA stellte daraufhin den verbleibenden Verlustabzug zum 31. Dezember 1990 mit Bescheid vom 5. November 2003 gesondert auf 0 DM fest. Hiergegen erhoben die Kläger Sprungklage, der das FA zustimmte. Sie machten geltend, der Bescheid habe wegen Ablaufs der Feststellungsfrist nicht mehr ergehen dürfen. Darüber hinaus hätten sie ein Feststellungsinteresse dahin gehend, dass die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zum 31. Dezember 1990 vom 29. Januar 1993 bestandskräftig, unverändert und bindend für die Einkommensteuerveranlagung 1991 sei. Am 12. März 2004 erließ das FA einen gemäß § 10d Abs. 3 Sätze 4 und 5 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (EStG 1990) geänderten gesonderten Feststellungsbescheid, mit dem der verbleibende Verlustabzug zum 31. Dezember 1990 auf ebenfalls 0 DM festgestellt wurde. Der Bescheid enthielt folgende Erläuterung: "Die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges zur Einkommensteuer zum 31.12.1990 ist noch möglich, weil im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung hinsichtlich der Einkommensteuerveranlagung 1991 die Frist für die Festsetzungsverjährung noch nicht abgelaufen ist, da diesbezüglich noch ein Klageverfahren anhängig ist."
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.
Mit der Revision machen die Kläger Verletzung materiellen Rechts geltend. Nachdem das FA den gesonderten Feststellungsbescheid vom 21. Juni 1993 über den verbleibenden Verlustabzug zum 31. Dezember 1990 am 26. August 1994 aufgehoben habe, sei der entsprechende Bescheid vom 29. Januar 1993 wieder aufgelebt und auch bestandskräftig.
Der Bescheid habe nicht mehr rechtswirksam gemäß § 10d Abs. 3 Satz 4 EStG 1990 geändert werden können. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) setze eine Änderung nach § 10d Abs. 3 Sätze 4 und 5 EStG 1990 voraus, dass der Steuerbescheid des Veranlagungszeitraums der Verlustfeststellung noch geändert werden könne. Bei Erlass der Änderungsbescheide vom 5. November 2003 und 12. März 2004 sei der Einkommensteuerbescheid des Jahres 1990 --wie auch die Einkommensteuerbescheide der Jahre 1988 und 1989-- aber nicht mehr änderbar gewesen. Daran ändere auch § 181 Abs. 5 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) nichts.
Die Kläger beantragen sinngemäß, die Vorentscheidung und die gesonderten Feststellungsbescheide über den verbleibenden Verlustabzug zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 1990 vom 5. November 2003 und vom 12. März 2004 aufzuheben und festzustellen, dass der Bescheid vom 29. Januar 1993 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 1990 für ihre Einkommensteuerveranlagung bindend ist.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Der Gesetzgeber habe das gesonderte Feststellungsverfahren in § 10d EStG nur geschaffen, um für den Steuerbürger mehr Rechtssicherheit und Praktikabilität zu erreichen. Dass § 10d Abs. 3 Satz 4 EStG 1990 nur auf Bescheide über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs anzuwenden sei, für die der vorausgehende Einkommensteuerbescheid noch geändert werden könne, sei unzutreffend.
II. Die Revision ist zum Teil begründet. Sie führt zur teilweisen Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Aufhebung der geänderten Feststellungsbescheide vom 12. März 2004 und vom 5. November 2003 (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Im Übrigen ist die Revision unbegründet.
1. Der Bescheid über die Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 1990 vom 12. März 2004, durch den der Feststellungsbescheid vom 5. November 2003 während des Klageverfahrens geändert wurde und der gemäß § 68 Satz 1 FGO Gegenstand des Streitverfahrens geworden ist, ist rechtswidrig. Für die vorgenommene Änderung, die sich in der Anfügung des Hinweises i.S. des § 181 Abs. 5 Satz 2 AO erschöpft, ermangelt es einer Änderungsbefugnis.
a) Ergeht eine gesonderte Feststellung nach Ablauf der für sie geltenden Feststellungsfrist aufgrund der Regelung in § 181 Abs. 5 AO, so muss in dem Feststellungsbescheid gemäß § 181 Abs. 5 Satz 2 AO auf die eingeschränkte Wirkung eines solchen Feststellungsbescheides besonders hingewiesen werden. Der Hinweis hat nicht bloße Begründungsfunktion, sondern Regelungscharakter, weil mit ihm der zeitliche Geltungsbereich der getroffenen Feststellungen abweichend von § 182 Abs. 1 AO bestimmt und damit rechtsgestaltend auf das Steuerrechtsverhältnis eingewirkt wird (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 12. Juli 2005 II R 10/04, BFH/NV 2006, 228, m.w.N.). Die Ergänzung des Regelungsinhalts eines Feststellungsbescheides um den Hinweis nach § 181 Abs. 5 Satz 2 AO bedarf deshalb einer eigenständigen Änderungsbefugnis.
Dies steht nicht im Widerspruch zu dem BFH-Urteil in BFH/NV 2006, 228, in dem die bis dahin ausdrücklich nicht entschiedene Frage, ob das Fehlen des Hinweises nach § 181 Abs. 5 Satz 2 AO durch die Ergänzung des Regelungsinhalts in der Einspruchsentscheidung geheilt werden könne, mit der Begründung bejaht worden ist, dass die Finanzbehörde im Einspruchsverfahren die Sache in vollem Umfang erneut zu prüfen habe (§ 367 Abs. 2 Satz 1 AO). Diese Befugnis endet mit dem Erlass der Einspruchsentscheidung bzw. im Streitfall mit der Zustimmung des FA zur Sprungklage, sofern das FG die Klage nicht an das FA zur Durchführung des Vorverfahrens abgibt.
b) Aus § 10d Abs. 3 Satz 4 und 5 EStG 1990 ergibt sich keine Änderungsbefugnis. Die Veränderungen der Bezugsgrößen i.S. des § 10d Abs. 3 Satz 2 und 4 EStG 1990 in den Einkommensteuerbescheiden 1988 bis 1990 vom 26. August 1994 wurden bereits mit dem gesonderten Feststellungsbescheid vom 5. November 2003 gemäß § 10d Abs. 3 Satz 4 und 5 EStG 1990 vollständig umgesetzt. Der Bescheid vom 12. März 2004 wiederholt insoweit nur die Feststellungen im Bescheid vom 5. November 2003. Zu anderweitigen Änderungen, etwa der Hinzufügung des Hinweises i.S. des § 181 Abs. 5 Satz 2 AO, ermächtigt § 10d EStG nicht.
Die Nachholung oder Ergänzung eines fehlenden oder unklaren Hinweises nach § 181 Abs. 5 Satz 2 AO ist auch nicht durch einen Ergänzungsbescheid i.S. von § 179 Abs. 3 AO möglich (vgl. BFH-Urteil vom 24. Juni 1998 II R 17/95, BFH/NV 1999, 282).
Im Hinblick darauf, dass dem (unterlassenen) Hinweis Regelungscharakter zukommt, sind die Voraussetzungen für eine Änderung wegen offenbarer Unrichtigkeit gemäß § 129 AO ebenso wenig gegeben wie die Möglichkeit einer Heilung des Mangels gemäß § 126 Abs. 1 Nr. 2 AO (BFH-Urteil in BFH/NV 2006, 228). Auch eine Änderung nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO kommt nicht in Betracht (BFH-Urteil in BFH/NV 1999, 282).
2. Der Bescheid über die Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 1990 vom 5. November 2003, durch den der Feststellungsbescheid vom 29. Januar 1993 geändert wurde, ist rechtswidrig, weil er den nach § 181 Abs. 5 Satz 2 AO erforderlichen Hinweis nicht enthält.
Bei Erlass des Änderungsbescheides vom 5. November 2003 war die für die gesonderte Feststellung geltende Feststellungsfrist (§§ 169, 170 Abs. 2, 181 Abs. 1 AO) bereits abgelaufen. Die insoweit anhängig gewesene Klage (Az.: VI 236/2002) war mit Schreiben vom 2. September 2002 zurückgenommen worden. Damit endete die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3a AO.
Zwar kann nach § 181 Abs. 5 Satz 1 AO eine gesonderte Feststellung auch nach Ablauf der für sie geltenden Feststellungsfrist insoweit erfolgen, als die gesonderte Feststellung für eine Steuerfestsetzung von Bedeutung ist, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen ist. Nach Satz 2 der Vorschrift ist hierauf jedoch im Feststellungsbescheid hinzuweisen. Fehlt --wie in dem Feststellungsbescheid vom 5. November 2003-- dieser Hinweis, so ist der Feststellungsbescheid rechtswidrig und auf Anfechtung hin aufzuheben (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile vom 17. August 1989 IX R 76/88, BFHE 159, 398, BStBl II 1990, 411, und vom 18. März 1998 II R 45/96, BFHE 185, 348, BStBl II 1998, 426).
3. Die Revision ist unbegründet, soweit die Kläger beantragen festzustellen, dass der Bescheid vom 29. Januar 1993 zur gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 1990 für ihre Einkommensteuerveranlagung bindend ist.
Die Klage ist insoweit unzulässig. Die Voraussetzungen einer Feststellungsklage nach § 41 Abs. 1 FGO sind im Streitfall nicht erfüllt. Die Kläger begehren nicht die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses; der Feststellungsbescheid vom 29. Januar 1993 ist ein Verwaltungsakt und kein Rechtsverhältnis im Sinne der Vorschrift (BFH-Urteil vom 2. Juni 1987 VIII R 192/83, BFH/NV 1988, 104). Ob der Feststellungsbescheid vom 29. Januar 1993 für die Einkommensteuerveranlagung der Kläger bindend ist, wäre zudem --wenn dies vom FA bestritten werden sollte-- in den jeweiligen Veranlagungsverfahren bzw. vorliegend in dem anhängigen Klageverfahren betreffend die Einkommensteuer 1991 zu entscheiden. Eine Feststellungsklage nach § 41 FGO kommt somit auch wegen deren Subsidiarität (§ 41 Abs. 2 Satz 1 FGO) nicht in Betracht.
Ende der Entscheidung
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