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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 08.09.2004
Aktenzeichen: XI R 48/03
Rechtsgebiete: EStG, ZVG


Vorschriften:

EStG § 15 Abs. 2
ZVG § 90
Erwirbt der Miterbe in der Zwangsversteigerung das von ihm zu 1/2 geerbte Grundstück, so stellt sich für die Beurteilung eines gewerblichen Grundstückshandels nur der Erwerb des hälftigen Anteils des anderen Miterben als Anschaffungsgeschäft dar.
XI R 47/03 XI R 48/03

Gründe:

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Ärztin. Im Jahr 1979 erbte sie --gemeinsam mit ihrer Schwester-- ein Grundstück ihrer Mutter, das mit einem 1893 errichteten Wohn- und Geschäftshaus bebaut war. Auf dem Grundstück lasteten Grundpfandrechte. Einer der Gläubiger betrieb die Zwangsvollstreckung; die Klägerin erhielt am 14. Oktober 1987 den Zuschlag für das gesamte Grundstück.

Im Jahr 1990 verlor die Klägerin ihre Kassenzulassung. Im Sommer 1991 beantragte sie die Erteilung von Abgeschlossenheitsbescheinigungen für die einzelnen Wohnungen und Gewerberäume. Im November 1991 gab sie die Teilungserklärung ab. In den Jahren 1991 bis 1997 wurden 18 der 20 Einheiten veräußert.

 DatumObjekt
15. November 1991Nr. 9
19. März 1992Nr. 8
8. Mai 1992Nr. 21
4. November 1992Nr. 2
4. November 1992Nr. 15
8. Januar 1993Nr. 18
24. März 1993Nr. 20
8. April 1993Nr. 4
8. April 1993Nr. 5
17. Juni 1993Nr. 13
16. Mai 1994Nr. 19
16. Mai 1994Nr. 14
1. Dezember 1994Nr. 1
3. März 1995Nr. 16
12. Januar / 5. April 1995Nr. 11
12. Januar / 5. April 1995Nr. 12
16. Oktober 1996Nr. 10
4. Juni 1997Nr. 3

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) nahm hinsichtlich des gesamten Grundstücks einen gewerblichen Grundstückshandel an und erfasste die Veräußerungsgewinne und die Mieteinkünfte einheitlich als gewerblich. Das Finanzgericht (FG) gab den Klagen teilweise statt und begrenzte den gewerblichen Grundstückshandel auf den von der Schwester "erworbenen" Anteil. Der Erwerb durch Gesamtrechtsnachfolge stelle keinen Anschaffungstatbestand dar. Die in den Jahren ab 1990 vorgenommenen Maßnahmen hätten nur einen bestehenden Instandhaltungsrückstau beseitigt und die Wohnungen aktuellen Wohnungsbedürfnissen angepasst. Die Klägerin habe aber den Anteil ihrer Schwester von vornherein mit bedingter Veräußerungsabsicht erworben; sie habe insoweit die Aufteilung, Instandsetzung und Veräußerung planmäßig betrieben. Es erscheine nicht glaubhaft, dass erst die bauaufsichtlichen Verfügungen ab April 1992 die Verkaufsbereitschaft der Klägerin hervorgerufen hätten. Bereits ab 1987 sei absehbar gewesen, dass eine durchgreifende Instandsetzung des Gebäudes nur durch die Veräußerung von Eigentumswohnungen zu finanzieren gewesen sei.

Mit den Revisionen macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, dass sie wegen Modernisierungsverlangens der Ordnungsbehörden und im Hinblick auf den Verlust ihrer Kassenarztzulassung praktisch gezwungen gewesen sei, die Objekte zu veräußern. Das FG sei zu Unrecht von einer von Anfang an bestehenden Veräußerungsabsicht ausgegangen.

1. Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten sei der Fall vergleichbar der Übertragung im Rahmen einer Gesellschaft zu Alleineigentum eines Gesellschafters. Auch seien Grundstücke, die im Wege der Realteilung den einzelnen Gesellschaftern übertragen würden, nicht in einen gewerblichen Grundstückshandel einzubeziehen (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 9. Mai 1996 IV R 74/95, BFHE 181, 19, BStBl II 1996, 599).

2. Die Verkäufe der einzelnen Wohnungen ab 1991 seien reine Notverkäufe gewesen.

3. Aufgrund der bestehenden Lärm- und Brandschutzverordnungen sei zum damaligen Zeitpunkt eine Aufteilung von Altbauten in Wohnungseigentum faktisch ausgeschlossen gewesen. Erst wesentlich später seien diese Bestimmungen bei der Erteilung von Abgeschlossenheitsbescheinigungen aufgehoben worden. Auch sei bei Anschaffung nicht absehbar gewesen, dass ab 1. Januar 1990 die Mietpreisbindung für Altbauwohnungen abgeschafft werden würde.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

die angefochtenen Vorentscheidungen aufzuheben.

Das FA beantragt,

die Revisionen zurückzuweisen.

Die Klägerin habe im Zeitraum zwischen dem Zuschlagsbeschluss am 14. Oktober 1987 und dem 14. Oktober 1992 zwar nur die Wohnungen Nr. 9, 8 und 21 veräußert, jedoch am 4. November 1992 die Wohnungen Nr. 2 und 15.

Die Klägerin habe bereits Mitte 1991 die Aufteilung des Gebäudes in Teileigentum betrieben. Sie habe als jahrzehntelange Bewohnerin und langjährige Verwalterin des Gebäudes (seit 1979) bereits im Jahr 1987 Kenntnis von dem erheblichen Instandhaltungsrückstau besessen. Eine durchgreifende Instandsetzung des Gebäudes sei nur durch die Veräußerung von Eigentumswohnungen zu finanzieren gewesen.

II.

Die Revisionen der Klägerin haben keinen Erfolg und sind daher gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) als unbegründet zurückzuweisen.

1. Gemäß § 2 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG), § 15 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ist unter einem Gewerbebetrieb jede selbständige nachhaltige Tätigkeit zu verstehen, die mit Gewinnerzielungsabsicht unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt. Es darf sich dabei weder um die Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch um die Ausübung eines freien Berufs oder einer anderen selbständigen Tätigkeit handeln. Die Betätigung muss über den Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung hinausgehen.

Nach der Rechtsprechung des BFH kommt ein gewerblicher Grundstückshandel u.a. dadurch zustande, dass der Steuerpflichtige eine Anzahl bestimmter Objekte (Ein- und Zweifamilienhäuser, Eigentumswohnungen) kauft oder errichtet und sie in engem zeitlichen Zusammenhang anschließend veräußert (BFH-Urteil vom 5. Mai 2004 XI R 25/03, BFH/NV 2004, 1399). Werden vor Ablauf eines Zeitraums von fünf Jahren seit Anschaffung bzw. Errichtung mindestens vier Objekte veräußert, kann nach dem Gesamtbild der Betätigung und unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung regelmäßig von einem gewerblichen Grundstückshandel ausgegangen werden, weil die äußeren Umstände den Schluss zulassen, dass es dem Steuerpflichtigen zu Beginn seiner Tätigkeiten weniger auf die Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten als auf die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Umschichtung ankommt (sog. Drei-Objekt-Grenze; z.B. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 10. Dezember 2001 Grs 1/98, BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291).

Die Zahl der Objekte und der zeitliche Abstand der maßgebenden Tätigkeiten (Anschaffung, Bebauung und Verkauf der Grundstücke) haben für die Beurteilung indes nur eine indizielle Bedeutung. Trotz Überschreitens der Drei-Objekt-Grenze kann ein gewerblicher Grundstückshandel nicht anzunehmen sein, wenn eindeutige Anhaltspunkte gegen eine von Anfang an bestehende Veräußerungsabsicht sprechen. Andererseits können auch bei einer Veräußerung von weniger als vier Objekten besondere Umstände auf eine gewerbliche Betätigung schließen lassen. Ebenso markiert der Fünf-Jahres-Zeitraum, der sich sowohl auf die Zeit zwischen der Anschaffung/Errichtung und der Veräußerung des einzelnen Objekts als auch die Zeit zwischen den Veräußerungen bezieht (BFH-Urteil vom 18. September 1991 XI R 23/90, BFHE 165, 521, BStBl II 1992, 135), keine starre zeitliche Begrenzung; eine (geringfügige) Überschreitung kann (insbesondere bei Vorliegen anderer Anhaltspunkte) unbeachtlich sein.

2. Von diesen (klassischen) Fällen des An- und Verkaufs bzw. der Errichtung und Veräußerung einer bestimmten Zahl von Objekten unterscheidet sich der Fall, in dem ein Objekt aufgeteilt und sodann in Teilen veräußert wird.

Die Parzellierung eines unbebauten Grundstücks oder die Aufteilung eines Mietwohngrundstücks in Eigentumswohnungen und deren Veräußerung begründen für sich allein unabhängig von der Zahl der Veräußerungsfälle grundsätzlich keinen gewerblichen Grundstückshandel. Denn zur privaten Vermögensverwaltung gehören auch der Erwerb und die Veräußerung von Grundstücken, wenn diese beiden Vorgänge den Beginn und das Ende einer in erster Linie auf Fruchtziehung gerichteten Tätigkeit darstellen. Der letzte Akt der privaten Vermögensverwaltung kann darin bestehen, dass der Inhaber das Vermögen --ggf. in zahlreichen Teilakten-- veräußert (BFH-Urteil vom 15. März 2000 X R 130/97, BFHE 191, 360, BStBl II 2001, 530).

Ein gewerblicher Grundstückshandel liegt aber vor, wenn ein Steuerpflichtiger ein Mietwohngrundstück erwirbt, die Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umwandelt und dann in zeitlichem Zusammenhang mit dem Erwerb und der Aufteilung veräußert. Weitere Maßnahmen, wie etwa erhebliche Modernisierungen, sind nicht erforderlich (BFH-Urteil vom 16. Januar 1996 VIII R 11/94, BFH/NV 1996, 676).

3. Der Erwerb im Zwangsversteigerungsverfahren führt zivilrechtlich zum originären Erwerb des Eigentums am Grundstück; das gilt auch, wenn der bisherige Miteigentümer das Grundstück ersteigert (vgl. Böttcher, Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung, 3. Aufl. 2000, § 90 Rz. 1; Steiner/ Eickmann, Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung, 9. Aufl., 1984, § 90 Rz. 5). Einkommensteuerrechtlich indes liegt nur insoweit ein entgeltlicher Erwerb vor, als der bisherige Miteigentümer Anteile über seine Quote hinaus erwirbt. Der Erwerb des teilweise eigenen Grundstücks im Wege der Zwangsversteigerung aufgrund eines Vollstreckungstitels ist insoweit der Teilungsversteigerung ähnlich (dazu vgl. BFH-Urteil vom 29. April 1992 XI R 3/85, BFHE 167, 529, BStBl II 1992, 727). Hier wie da ist das Verhältnis zwischen der Gemeinschaft und dem Ersteher der Stellung eines Verkäufers und Käufers vergleichbar; in der Teilungsversteigerung eines Grundstücks zur Aufhebung der Gemeinschaft i.S. von § 180 des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung (ZVG) werden durch den Zuschlag an einen Miteigentümer steuerrechtlich gesehen von ihm lediglich die ihm noch nicht gehörenden Miteigentumsanteile hinzuerworben (BFH-Urteil vom 26. April 1977 VIII R 196/74, BFHE 122, 458, BStBl II 1977, 714). In seiner wirtschaftlichen Bedeutung stellt sich der Vorgang der Ersteigerung des bereits zu 1/2 der Klägerin gehörenden Grundstücks daher als Erwerb des hälftigen Miteigentumsanteils von der Schwester dar.

4. Die Klägerin ist im Streitfall gewerblich tätig geworden. Die zur Vorbereitung der Veräußerung getroffenen Instandsetzungsmaßnahmen und abgegebene Teilungserklärung, die hohe Zahl der verkauften Objekte und die Intensität der Betätigung führen insgesamt zur Überschreitung der Grenze privater Vermögensnutzung; die Klägerin hat den Anteil eines ihr bereits zur Hälfte gehörenden Objekts im Jahr 1987 hinzuerworben, dieses Objekt dann instand gesetzt, in Eigentumswohnungen aufgeteilt und schließlich von 1991 bis 1997 18 Wohnungen veräußert; die ersten fünf Objekte veräußerte die Klägerin in einem Zeitraum von etwas über fünf Jahren nach Erwerb.

Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, dass bereits bei Erwerb des Anteils im Jahr 1987 eine zumindest bedingte Veräußerungsabsicht bestand. Nach den vom FG getroffenen und den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO mangels begründeter Verfahrensrügen bindenden Feststellungen war bereits im Jahr 1987 absehbar, dass eine durchgreifende Instandsetzung nur durch die Veräußerung von Eigentumswohnungen zu finanzieren gewesen war, zumal die Mieteinnahmen seit 1988 kontinuierlich gesunken waren. Die Klägerin hat zudem nach 1987 frei werdende Objekte nicht mehr neu vermietet, sondern zur Erzielung höherer Veräußerungserlöse frei stehen lassen. Auch die Finanzierung des Erwerbs durch einen sog. "Vorfinanzierungskredit" deutet darauf hin, dass die Finanzierung nicht langfristig geplant war und der Kredit in überschaubarer Zeit zurückgeführt werden sollte.

Die von der Klägerin erhobenen Einwendungen sind nicht geeignet, eine von Anfang an bestehende (zumindest) bedingte Verkaufsabsicht zu verneinen (dazu vgl. BFH-Urteil vom 12. Dezember 2002 III R 20/01, BFHE 200, 388, BStBl II 2003, 297). Nach den Feststellungen des FG ist nicht glaubhaft, dass erst die bauaufsichtlichen Verfügungen ab April 1992 die Verkaufsbereitschaft der Klägerin hervorgerufen hätten. Unerheblich ist ebenso, ob zum Erwerbszeitpunkt möglicherweise Lärm- und Brandschutzverordnungen der Aufteilung von Altbauten in Wohnungseigentum noch entgegenstanden und dass die Mietpreisbindung für Altbauwohnungen erst ab 1. Januar 1990 abgeschafft worden ist. Schließlich kann die Klägerin nicht mit Erfolg geltend machen, dass sie im Jahr 1990 die Kassenarztzulassung verloren habe.

Im Unterschied zu dem BFH-Urteil in BFHE 181, 19, BStBl II 1996, 599 ist im Streitfall kein Erwerb im Wege der Realteilung gegeben; der maßgebliche Sachverhalt zeichnet sich vielmehr durch entgeltlichen Anteilserwerb aus.

5. Gegen die Höhe der vom FG ermittelten Einkünfte hat die Klägerin keine Einwendungen erhoben.

Ende der Entscheidung

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