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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 10.09.2003
Aktenzeichen: XI R 58/01
Rechtsgebiete: AO 1977, EStG, KStG


Vorschriften:

AO 1977 § 51 ff.
EStG § 10b Abs. 4 Satz 2
KStG § 9 Nr. 3 Satz 8 (ab 1994 § 9 Abs. 3 Satz 2)
Eine Körperschaft haftet nicht nach § 10b Abs. 4 Satz 2 2. Alt. EStG, § 9 Abs. 3 Satz 2 2. Alt. KStG wegen Fehlverwendung, wenn sie die Spenden zwar zu dem in der Spendenbestätigung angegebenen Zweck verwendet, selbst aber nicht als gemeinnützig anerkannt ist.
Gründe:

I.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), ein eingetragener Verein (Golfclub), pachtete die von ihm genutzte Golfsportanlage und das Clubhaus von der L-GmbH & Co. KG (KG), die auch zur Unterhaltung dieser Anlagen verpflichtet war. Komplementärin der KG war die L-GmbH (GmbH), deren alleiniger Gesellschafter der Kläger war.

Nach der Satzung des Klägers war jedes Mitglied verpflichtet, Mitgliedsbeiträge und ein Eintrittsgeld zu entrichten. Zusätzlich wurde in den Streitjahren die Zahlung einer sog. Eintrittsspende verlangt. Hiervon waren die Mitglieder befreit, die stattdessen in gleicher Höhe einen Kommanditanteil an der KG erwarben. In den Streitjahren 1990 bis 1994 lagen die sog. Eintrittsspenden zwischen 6 000 DM und 11 000 DM. Ab dem Streitjahr 1993 wurden tatsächlich keine Eintrittsspenden mehr geleistet. Die Anschaffungskosten für eine KG-Beteiligung einschließlich Agio betrugen in den Streitjahren zwischen 6 900 DM und 11 550 DM. Die KG-Anteile konnten mit Zustimmung der KG veräußert werden. Die Zustimmung durfte nur aus wichtigem Grund versagt werden. Das durchschnittliche Aufnahmeentgelt, d.h. Eintrittsgeld und Eintrittsspende bzw. Anschaffungskosten für den KG-Anteil lagen zwischen 7 400 DM und 9 974 DM.

Durch Freistellungsbescheid für 1990 vom 16. Februar 1990 wurde der Kläger vorläufig als gemeinnützig anerkannt. Nach einer Außenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) jedoch die Auffassung, dem Kläger sei die Gemeinnützigkeit zu versagen. Die geleisteten Aufnahmeentgelte hätten sich in den Streitjahren durchschnittlich pro Neumitglied in einer Höhe bewegt, dass nur bestimmte Bevölkerungsschichten die Mitgliedschaft beim Kläger hätten erwerben können. Entsprechend setzte das FA Körperschaftsteuer für 1990 bis 1994 fest und erließ gegen den Kläger einen Haftungsbescheid gemäß § 10b Abs. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und § 9 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG). Die an den Kläger geleisteten Spenden (einschließlich Eintrittsspenden) seien nicht für steuerbegünstigte Zwecke verwendet worden, da die Tätigkeit des Klägers nicht der Allgemeinheit zugute gekommen sei. Eine Haftung der Stadt A als Aussteller scheide aus, weil insoweit kein grob fahrlässiges Verschulden angenommen werden könne.

Die Klage hatte Erfolg (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2001, 613).

Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung der §§ 9 Abs. 3 Satz 2 KStG, 10b Abs. 4 Satz 2 EStG jeweils i.V.m. § 52 der Abgabenordnung (AO 1977). Es beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II.

Die Revision des FA ist als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Zu Recht ist das Finanzgericht (FG) im Ergebnis davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für eine Haftung nicht vorliegen.

Nach § 10b Abs. 4 Satz 2 EStG, § 9 Abs. 3 Satz 2 KStG (vor 1994 § 9 Nr. 3 Satz 8 KStG) haftet für die entgangene Steuer, wer vorsätzlich oder grob fahrlässig eine unrichtige Bestätigung ausstellt oder wer veranlasst, dass Zuwendungen nicht zu dem in der Bestätigung angegebenen steuerbegünstigten Zweck verwendet werden. Die Voraussetzungen für die Haftung liegen im Streitfall nicht vor.

1. Der Kläger haftet nicht nach der ersten Alternative der Vorschriften, weil er keine Spendenbestätigungen ausgestellt hat. Empfänger der Spenden und Aussteller der Spendenbestätigungen war und konnte nach § 48 Abs. 3 Nr. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung in der für die Streitjahre geltenden Fassung (EStDV a.F.) nur eine juristische Person des öffentlichen Rechts sein.

2. Eine Haftung des Klägers als Verwender der Spenden scheidet aus, weil er die Zuwendungen zu den in den Spendenbestätigungen angegebenen steuerbegünstigten Zwecken verwendet hat.

a) Die verschuldensunabhängige Veranlasserhaftung erfasst Fehlverhalten des Empfängers in Zusammenhang mit der Spendenverwendung (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 24. April 2002 XI R 123/96, BFHE 199, 162, BStBl II 2003, 128). Eine Fehlverwendung i.S. der § 10b Abs. 4 Satz 2 EStG, § 9 Nr. 3 Satz 8 (ab 1994 § 9 Abs. 3 Satz 2) KStG ist nicht gegeben, wenn der Spendenempfänger die Zuwendung zu dem in der Bestätigung angegebenen steuerbegünstigten Zweck verwendet hat, auch wenn er im Körperschaftsteuerveranlagungsverfahren nicht als gemeinnützig anerkannt wird (so auch Kirchhof in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 10b Rdnr. E 52; Gierlich, Finanz-Rundschau 1991, 518, 520; a.M. Hessisches FG, EFG 1998, 717; Hildesheim in Bordewin/Brandt, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 10b Rz. 154). Diese Auslegung der Vorschriften entspricht deren Wortlaut; denn sie setzen --anders als z.B. § 48 Abs. 3 Nr. 2 EStDV a.F.-- nicht voraus, dass der Spenden(letzt)empfänger als gemeinnützig, mildtätig oder kirchlich i.S. der §§ 52 bis 54 AO 1977 anerkannt ist. Gegen eine andere Auslegung des Begriffs "steuerbegünstigte Zwecke" i.S. des § 10b Abs. 4 Satz 2 EStG, § 9 Abs. 3 Satz 2 bzw. vor 1994 § 9 Nr. 3 Satz 8 KStG spricht auch, dass in den Fällen, in denen die Körperschaft selbst Spendenbestätigungen ausstellt, die Ausstellerhaftung, die Verschulden voraussetzt, ins Leere ginge, weil stets die Voraussetzungen für die Verwenderhaftung erfüllt wären.

Es bedarf danach keiner Entscheidung, ob der Kläger als Spenden(letzt)empfänger gemeinnützig i.S. der §§ 51 ff. AO 1977 ist, d.h. ob aufgrund der Höhe des Eintrittsgelds, der Eintrittsspenden bzw. der für die Anschaffung eines KG-Anteils benötigten finanziellen Mittel eine Förderung der Allgemeinheit i.S. des § 52 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 ausgeschlossen war (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 13. November 1996 I R 152/93, BFHE 181, 396, BStBl II 1998, 711). Allein maßgeblich ist, dass sich die tatsächliche Verwendung der Zuwendungen mit dem in der Bestätigung angegebenen steuerbegünstigten Zweck deckt.

b) Der Kläger hat die ihm von der Körperschaft des öffentlichen Rechts zugeleiteten Spenden zu den in den Spendenbestätigungen angegebenen steuerbegünstigten Zwecken verwendet. Es ist unstreitig, dass er diese zur Förderung des Sports i.S. des § 52 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977 verwendet hat.

Feststellungen des FG zum Inhalt der jeweils erteilten Spendenbestätigungen liegen zwar nicht vor. Es ist jedoch unstreitig zwischen den Beteiligten, dass die Bestätigungen die Voraussetzungen für einen Spendenabzug beim Spender erfüllt haben. Wurde eine Körperschaft vorläufig wegen Förderung des Sports als gemeinnützig anerkannt, so wird --von der Körperschaft des öffentlichen Rechts als Empfänger der Zuwendung-- typischerweise bestätigt, dass die Spende nur zu "als besonders förderungswürdig" anerkannten gemeinnützigen Zwecken i.S. der Nr. 3 der Anlage 7 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) verwendet wird (vgl. z.B. Anlage 4 EStR 1993 "Muster 1"). Als besonders förderungswürdig anerkannt ist danach "die Förderung des Sports, wenn der Empfänger eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder eine öffentliche Dienststelle ist".



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