Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 29.10.1998
Aktenzeichen: XI R 58/97
Rechtsgebiete: FGO, EStG, GewStG


Vorschriften:

FGO § 126 Abs. 3 Nr. 1
EStG § 15 Abs. 2
GewStG § 2 Abs. 1 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war als selbständiger Versicherungskaufmann gewerblich tätig. Im Jahr 1983 erwarb er ein unbebautes Grundstück. Unmittelbar nach dem Erwerb begann er mit der Errichtung eines Wohngebäudes mit sechzehn Wohnungen und fünfzehn Garagen. Das Gebäude wurde 1984 fertiggestellt. Wohnungen und Garagen wurden vermietet. Mit Teilungserklärung vom 13. August 1986 wurde das Grundstück in sechzehn Eigentumswohnungen aufgeteilt. Davon verkaufte der Kläger zehn Wohnungen und neun Garagen im Streitjahr 1986 und drei weitere Wohnungen und drei Garagen im Jahr 1987. Nach einer Außenprüfung beurteilte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die Vermietungs- und Veräußerungstätigkeit als gewerblich (1983: ./. 64 678 DM; 1984: ./. 72 160 DM; 1985: ./. 25 003 DM; 1986: 164 567 DM; 1987: ./. 6 359 DM) und erließ für 1986 einen Gewerbesteuermeßbescheid. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Auf die Klage hob das Finanzgericht (FG) den angefochtenen Bescheid und die Einspruchsentscheidung auf; das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1998, 321 veröffentlicht. Die Verkaufstätigkeit des Klägers habe nicht den Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung überschritten. Aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls sei das FG davon überzeugt, daß der Kläger im Zeitpunkt der Errichtung des Wohngebäudes nicht die (bedingte) Absicht gehabt habe, es alsbald nach Aufteilung in Eigentumswohnungen zu veräußern, sondern daß es ihm ausschließlich darauf angekommen sei, Mieterträge zu erzielen. Wer die Absicht habe, Wohnungen gewinnbringend zu veräußern, werde sie zweckmäßigerweise bis zur Veräußerung leerstehen lassen. Für den Kläger sei alleiniger Anlaß des Verkaufs seine plötzlich eingetretene schwere Erkrankung gewesen. Zwar seien nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH-- (Urteil vom 23. April 1996 VIII R 27/94, BFH/NV 1997, 170) die konkreten Anlässe und Beweggründe für den Verkauf grundsätzlich unbeachtlich. Anders verhalte es sich jedoch, wenn die Veräußerung für den Veräußerer absehbar nicht zu einem Überschuß führe; in diesem Fall sei eine Veräußerungsabsicht äußerst unwahrscheinlich.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts. Die Errichtung und Veräußerung von mehr als drei Objekten innerhalb eines Zeitraums von nicht mehr als fünf Jahren stelle nach ständiger Rechtsprechung einen gewerblichen Grundstückshandel dar. Die konkreten Anlässe und Beweggründe für den Verkauf seien grundsätzlich unbeachtlich (BFH/NV 1997, 170). Eine feste Vermietung über einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren --ein Umstand, der eine von Anfang an bestehende Veräußerungsabsicht erschüttern könne-- habe nicht festgestellt werden können. Die Tatsache, daß kein Totalgewinn erzielt worden sei, reiche zur Entkräftung einer Veräußerungsabsicht nicht aus (BFH-Urteil vom 26. Februar 1988 III R 321/84, BFH/NV 1988, 561).

Selbst wenn man der Auffassung des FG folge, daß die Veräußerungsabsicht erst 1985 gefaßt worden sei, hätte das FG zur Annahme eines gewerblichen Grundstückshandels kommen müssen, da die tatsächlichen Veräußerungen noch im engen zeitlichen Zusammenhang mit der Herstellung des Gebäudes stünden (BFH-Urteil vom 15. Dezember 1971 I R 179/68, BFHE 104, 77, BStBl II 1972, 279).

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Das Objekt habe der Alterssicherung dienen sollen. Die Finanzierung sei für zehn Jahre festgeschrieben worden. Es seien in der Regel Mietverträge über eine Laufzeit von drei Jahren mit automatischer Verlängerung abgeschlossen worden. Mit einer Ausnahme sei den Mietern nicht gekündigt worden. Die Veräußerungsabsicht sei erst während einer schweren Erkrankung entstanden. Es seien kein Makler beauftragt und keine Inserate aufgegeben worden. Alle Veräußerungen seien an Bekannte und Freunde oder an die Mieter vorgenommen worden. Er (der Kläger) habe den Käufern Darlehen in nicht unbeträchtlicher Höhe gewährt.

II. Die Revision ist begründet; sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage. Entgegen der Auffassung des FG hat der Kläger mit der Errichtung und Veräußerung der Wohnungen den Rahmen der privaten Vermögensverwaltung überschritten und daher einen gewerblichen Grundstückshandel unterhalten.

1. Gemäß § 15 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG), § 2 Abs. 1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) ist unter einem Gewerbebetrieb jede selbständige nachhaltige Tätigkeit zu verstehen, die mit Gewinnerzielungsabsicht unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt. Es darf sich dabei weder um die Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch um die Ausübung eines freien Berufes oder einer anderen selbständigen Tätigkeit handeln; die Betätigung muß den Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung überschritten haben.

a) Eine private Vermögensverwaltung ist dann (noch) gegeben, wenn der Erwerb von Grundstücken lediglich den Beginn und deren spätere Veräußerung das Ende einer auf Fruchtziehung gerichteten Tätigkeit darstellen. Ein gewerblicher Grundstückshandel ist hingegen anzunehmen, wenn nach dem Gesamtbild der Betätigung und unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung die Umschichtung von Vermögenswerten und deren Verwertung als Vermögenssubstanz entscheidend in den Vordergrund treten. Bei dieser Gesamtwürdigung sind alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, und zwar nicht nur die des streitigen Veranlagungszeitraums, sondern auch diejenigen der gesamten überschaubaren Betätigung. Tätigkeiten, bei denen zunächst noch offen ist, ob sie einen gewerblichen Grundstückshandel bilden, können im Rahmen dieser Gesamtschau im nachhinein die Voraussetzungen eines gewerblichen Grundstückshandels erfüllen (vgl. --auch zum Nachfolgenden-- BFH-Urteil in BFH/NV 1997, 170, m.w.N.).

b) Hat der Veräußerer mehr als drei Objekte gekauft oder errichtet und sie in engem zeitlichen Zusammenhang wieder veräußert, so zwingt dies nach den Regeln der Lebenserfahrung mangels eindeutiger gegenteiliger objektiver Anhaltspunkte grundsätzlich zu der Schlußfolgerung, daß bereits im Zeitpunkt des Ankaufs oder der Errichtung zumindest eine bedingte Wiederverkaufsabsicht bestanden hat (vgl. BFH-Urteil vom 28. Juli 1993 XI R 21/92, BFH/NV 1994, 463, 464, ständige Rechtsprechung).

Ein enger zeitlicher Zusammenhang wird in aller Regel angenommen, wenn die Zeitspanne zwischen Errichtung und Verkauf der Objekte nicht mehr als fünf Jahre beträgt (BFH-Urteile vom 21. Mai 1993 VIII R 10/92, BFH/NV 1994, 94, 95; vom 4. Juni 1992 IV R 79/91, BFH/NV 1992, 809, 810, m.w.N.). Werden innerhalb dieses Zeitraums mindestens vier Objekte veräußert, so liegt, ohne daß weitere besondere Umstände, wie z.B. eine hauptberufliche Tätigkeit im Baubereich, gegeben sind (vgl. dazu BFH-Urteil vom 18. September 1991 XI R 24/90, BFH/NV 1992, 235, 236), ein gewerblicher Grundstückshandel vor (BFH-Urteil vom 30. Juni 1993 XI R 38, 39/91, BFH/NV 1994, 20, 21). Dies gilt grundsätzlich auch, wenn das Grundstück vom Veräußerer zunächst vermietet worden ist; dann ist von einer bedingten Veräußerungsabsicht auszugehen (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 1992, 235, 236, m.w.N., und in BFH/NV 1992, 809, 810).

Die konkreten Anlässe und Beweggründe für den Verkauf sind grundsätzlich unbeachtlich. Sie sagen im allgemeinen nichts darüber aus, ob der Steuerpflichtige nicht auch aus anderen Gründen zum Verkauf bereit gewesen wäre und insofern von Anfang an eine zumindest bedingte Veräußerungsabsicht bestanden hat (BFH-Urteile vom 8. August 1979 I R 186/78, BFHE 129, 177, BStBl II 1980, 106; vom 12. September 1995 IX R 140/92, BFHE 178, 385, BStBl II 1995, 839, 840; BFH-Beschluß vom 23. Februar 1998 X B 136/97, BFH/NV 1998, 1084, ständige Rechtsprechung).

c) Indes stellen die Objektzahl und der enge zeitliche Zusammenhang nur Beweiszeichen dar, die durch andere objektive Sachverhaltsmerkmale überlagert und verdrängt werden können (BFH-Urteile vom 11. Dezember 1991 III R 59/89, BFH/NV 1992, 464, 466; vom 19. Dezember 1990 X R 165/87, BFH/NV 1991, 381).

Als einen gegen eine bereits im Zeitpunkt der Errichtung vorliegende zumindest bedingte Veräußerungsabsicht sprechenden objektiven Umstand hat die Rechtsprechung eine vom Veräußerer selbst vorgenommene langfristige Vermietung oder eine auf Dauer angelegte Eigennutzung des Objekts angesehen, weil dadurch die Nutzung von Grundbesitz im Sinne einer bloßen Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten im Gegensatz zu einer lediglich zwischenzeitlichen Vermietung oder Selbstnutzung in den Vordergrund tritt (BFH-Urteil vom 18. September 1991 XI R 23/90, BFHE 165, 521, BStBl II 1992, 135). Der Verkauf langfristig durch Vermietung oder zu eigenen Wohnzwecken genutzter Objekte stellt sich lediglich als Abschluß einer privaten Vermögensverwaltung dar. Errichtung oder Anschaffung von Häusern in der Absicht langfristiger Vermietung hält sich selbst dann noch im Rahmen privater Vermögensverwaltung, wenn sie einen erheblichen Umfang annimmt, in beträchtlichem Umfang Fremdkapital eingesetzt wird und der Steuerpflichtige nicht branchenfremd ist.

Die bloße Behauptung des Steuerpflichtigen, er habe die Objekte nicht veräußern, sondern langfristig durch Vermietung nutzen wollen, genügt allerdings nicht. Vielmehr muß aus objektiven Tatsachen der Schluß gezogen werden können, daß der Steuerpflichtige das Mietwohngebäude bei seinem Erwerb/Errichtung keinesfalls alsbald, ggf. nach vorheriger Aufteilung in Eigentumswohnungen, verkaufen, sondern unbedingt anderweitig als durch Verkauf nutzen wollte. Eine Vermietung bis zu fünf Jahren ist von der Rechtsprechung in diesem Sinne grundsätzlich nicht als langfristig eingestuft worden. Die Anforderungen an die Dauer einer Selbstnutzung oder Vermietung entsprechen der Voraussetzung des engen zeitlichen Zusammenhangs für die Annahme eines gewerblichen Grundstückshandels (BFH-Urteil vom 27. Februar 1991 XI R 37/89, BFH/NV 1991, 524, 525).

2. In Anwendung dieser Rechtsgrundsätze ist im Streitfall davon auszugehen, daß der Kläger die Grenze der Vermögensverwaltung überschritten hat. Er hat in dem Zeitraum zwischen 1983 und 1987 ein Wohngebäude errichtet, das Wohngebäude in Eigentumswohnungen aufgeteilt und von den insgesamt sechzehn Wohnungen dreizehn Wohnungen nebst zwölf Garagen veräußert. Er hat damit innerhalb von fünf Jahren zwischen Errichtung und Veräußerung deutlich mehr als drei Objekte veräußert.

Die schwere Erkrankung des Klägers hat das FA zu Recht als subjektiven Beweggrund gewertet, der nur den Anlaß der Veräußerung zu erklären vermag. Der konkrete Anlaß der Veräußerung sagt aber nichts darüber aus, ob der Steuerpflichtige nicht auch aus anderen Gründen zur Veräußerung bereit gewesen wäre.

Auch der Umstand, daß der Kläger bisher einen Verlust erzielt hat, steht einer (bedingten) Veräußerungsabsicht nicht entgegen. Daß sich hergestellte oder erworbene Wirtschaftsgüter später nur mit Verlust veräußern lassen, ist nicht ungewöhnlich und schließt eine vorherige Veräußerungsabsicht nicht aus (vgl. dazu BFH-Urteil in BFH/NV 1988, 561, 562).

In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger nochmals betont, daß die Finanzierung langfristig angelegt gewesen sei und daß die Absicht einer langfristigen Vermietung bestanden habe. Angesichts des engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen Grundstückserwerb, Gebäudeerrichtung, Aufteilung in Eigentumswohnungen und Veräußerung sind jedoch diese Umstände nicht geeignet, die Aktivitäten des Klägers als Abschluß einer auf Fruchtziehung gerichteten Vermietung zu beurteilen.

3. Die Gewinnerzielungsabsicht des Klägers steht außer Frage. Der Kläger selbst hat in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, daß er das Gebäude nicht en bloc verkauft habe, um einen ansonsten drohenden Verlust zu vermeiden. Im übrigen kommt eine sog. Liebhaberei nur in Betracht, wenn die verlustbringende Tätigkeit aus im Bereich der allgemeinen Lebensführung liegenden Gründen ausgeübt wird (vgl. Schmidt, Einkommensteuergesetz, 17. Aufl., 1998, § 15 Rz. 32). Derartige Gründe liegen nicht vor.



Ende der Entscheidung

Zurück