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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 29.10.2008
Aktenzeichen: XI R 59/07
Rechtsgebiete: UStG 1999, Richtlinie 77/388/EWG
Vorschriften:
UStG 1999 § 1 Abs. 1 Nr. 1 | |
Richtlinie 77/388/EWG Art. 2 Nr. 1 |
2. Leistungen eines Vereins erfolgen auch dann gegen Entgelt, wenn nicht für alle Mitglieder ein einheitlicher Beitragsbemessungsmaßstab besteht.
Gründe:
I.
Streitig ist, ob der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) gegenüber seinen Mitgliedern im Rahmen eines Leistungsaustausches tätig geworden ist.
Der Kläger ist ein eingetragener Verein, dessen Zweck darin besteht, den Verkauf einer drittländischen Handelsware (TP) im Inland sowie in Österreich zu fördern, die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit dem Herkunftsland der TP zu verbessern und die Mitglieder des Vereins über die auf dem TP-Markt bestehenden wirtschaftlichen Möglichkeiten zu informieren. Mitglieder des Klägers waren in den Streitjahren inländische Händler und die im Herkunftsland der TP ansässige Gesellschaft Q, bei der es sich um einen genossenschaftlich organisierten Zusammenschluss von ebenfalls im Herkunftsland der TP ansässigen Exporteuren dieser Ware handelt.
Die Tätigkeit des Klägers bestand in den Streitjahren darin, Informationsmaterial über das Produkt TP an Goldschmiede und Juweliere zu verteilen, Anzeigen in Fachzeitschriften zu schalten, Verkaufsveranstaltungen durchzuführen sowie Bücher und Broschüren zu verkaufen. Die Marketingmaßnahmen des Klägers zielten darauf ab, den Absatz des Produkts TP zu verbessern.
Der Kläger finanzierte seine Tätigkeit zum einen durch Mitgliedsbeiträge seiner inländischen Vereinsmitglieder, deren Höhe sich nach dem Jahresumsatz des jeweiligen Mitglieds bestimmte. Zum anderen erhielt der Kläger von Q sog. Etatzuweisungen. Die Mitgliedsbeiträge beliefen sich im Streitjahr 2000 auf 65 000 DM und im Streitjahr 2001 auf 60 000 DM, die Zahlungen durch Q auf 409 746,38 DM (2000) und 81 949,28 DM (2001).
Im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die Auffassung, dass der Kläger nur mit dem Verkauf von Broschüren und Büchern unternehmerisch tätig gewesen sei. Der sich hieraus ergebende Vorsteuerabzug belaufe sich auf 1 058 DM (2000) und 216 DM (2001). Der im Übrigen geltend gemachte Vorsteuerabzug in Höhe von 69 491,33 DM (2000) und 25 184,65 DM (2001) sei zu versagen, da der Kläger insoweit mangels Leistungsaustausches nicht unternehmerisch, sondern im Interesse der Gesamtbelange aller Mitglieder gehandelt habe. Die Zahlungen der Vereinsmitglieder stellten sog. echte Mitgliedsbeiträge dar. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Demgegenüber gab das Finanzgericht (FG) der Klage statt. Der Kläger habe in Erfüllung seiner satzungsmäßigen Zwecke entgeltliche Leistungen gegenüber seinen Mitgliedern erbracht. Die Werbemaßnahmen des Klägers seien den wirtschaftlichen Interessen der Vereinsmitglieder konkret zugute gekommen, da sie darauf abzielten, den Absatz des Produkts TP und damit den Umsatz der Vereinsmitglieder zu verbessern. Zur Bestreitung der Kosten für diese Werbemaßnahmen und damit zur Erlangung der sich hieraus konkret ergebenden Vorteile seien dem Kläger die Mitgliedsbeiträge und die Etatzuwendungen zur Verfügung gestellt worden. Hieraus ergebe sich der für einen Leistungsaustausch erforderliche unmittelbare Zusammenhang zwischen Vereinsleistung einerseits und Beitrags- und Etatzahlungen andererseits. Dementsprechend seien die Beiträge der inländischen Vereinsmitglieder als Entgelte für steuerpflichtige Leistungen zu erfassen, während es sich bei den gegenüber Q erbrachten Leistungen um nach § 3a Abs. 3 und Abs. 4 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) im Inland nicht steuerbare Leistungen handele, die aber nicht zu einer Beschränkung des Vorsteuerabzugs führten.
Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 167 veröffentlicht.
Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts. Der Kläger habe gegenüber seinen Mitgliedern keine entgeltlichen Leistungen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG erbracht. Bei den Zahlungen der Vereinsmitglieder handele es sich um sog. echte Mitgliedsbeiträge, da diese dem Kläger die Erfüllung des satzungsmäßigen Gemeinschaftszwecks für die Belange aller Mitglieder ermöglichen sollten. Es seien keine Sonderbelange der Mitglieder gefördert worden, da nicht für die Mitglieder, sondern nur für das Produkt TP geworben werde. Dass die Mitglieder mittelbar von den Promotionsaktivitäten des Klägers profitiert hätten, weil sie ihren Umsatz mit dem beworbenen Produkt hätten steigern können, reiche nicht aus. Auch wenn es sich bei den Zahlungen von Q nicht um echte Mitgliedsbeiträge gehandelt habe, liege auch insoweit kein Leistungsentgelt vor, da diese Zahlungen als echter Zuschuss anzusehen seien.
Die Annahme eines Leistungsaustausches stehe nicht im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH), insbesondere nicht mit dem Urteil vom 8. März 1988 Rs. C-102/86 --Apple and Pear Development Council-- (Slg. 1988, 1443).
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Es liege ein Leistungsaustausch nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG vor. Die von ihm gegenüber seinen Mitgliedern erbrachten Leistungen hätten darin bestanden, den Absatz des von den Mitgliedern vertriebenen Produkts zu fördern und so die Umsätze der Mitglieder zu steigern. Das einzelne Mitglied schließe sich nur aufgrund dieses kommerziellen Vorteils der Werbegemeinschaft an.
II.
Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Entscheidung des FG, dass der Kläger gegenüber seinen Mitgliedern entgeltliche Leistungen erbrachte, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
1. Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des EuGH und des Bundesfinanzhofs (BFH) liegt eine entgeltliche Leistung, die nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbar und gemäß Art. 2 Nr. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern dem Anwendungsbereich der Steuer unterliegt, dann vor, wenn zwischen einer Leistung und einem erhaltenen Gegenwert ein unmittelbarer Zusammenhang besteht und sich dieser Zusammenhang aus einem zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger bestehenden Rechtsverhältnis ergibt, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die Vergütung den Gegenwert für die Leistung bildet (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 5. Dezember 2007 V R 60/05, BFH/NV 2008, 1072, m.w.N. zur Rechtsprechung von EuGH und BFH). Steuerbar sind danach Leistungen, die eine Gesellschaft im konkreten Individualinteresse ihrer Gesellschafter erbringt und für die die Gesellschafter auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage Aufwendungsersatz gewähren, wobei es der Annahme eines Leistungsaustausches nicht entgegensteht, wenn die Gesellschaft für alle Gesellschafter zugleich tätig ist (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2008, 1072, m.w.N.).
2. Demnach hat der Kläger gegenüber seinen Mitgliedern steuerbare Leistungen erbracht.
a) Der Revision ist zwar zuzugeben, dass ein Leistungsaustausch vorliegt, wenn sich ein Verein ausdrücklich in einem schriftlich abgeschlossenen Vertrag zur Leistungserbringung verpflichtet (vgl. BFH-Urteil vom 15. Juli 1987 X R 13/80, BFH/NV 1988, 56). Hieraus ergibt sich jedoch nicht, dass ein Leistungsaustausch in anderen Fällen zu verneinen ist. Insbesondere kann sich das für einen Leistungsaustausch erforderliche Rechtsverhältnis auch aus der Satzung eines Vereins ergeben (vgl. EuGH-Urteil vom 21. März 2002 Rs. C-174/00 --Kennemer Golf--, Slg. 2002, I-3293; BFH-Urteile vom 9. August 2007 V R 27/04, BFHE 217, 314; vom 11. Oktober 2007 V R 69/06, BFH/NV 2008, 322). Dies trifft auf die Vereinssatzung des Klägers zu.
b) Der Kläger hat nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) Werbeleistungen erbracht. Entgegen der Auffassung der Revision setzt eine dem konkreten Individualinteresse der Vereinsmitglieder dienende Leistung des Klägers ebenso wie im Fall der Werbegemeinschaft für ein Einkaufszentrum (vgl. BFH-Urteil vom 4. Juli 1985 V R 107/76, BFHE 145, 244, BStBl II 1986, 153) nicht voraus, dass für die einzelnen Mitglieder geworben wird. Wie nach diesem Urteil bereits die Werbung für ein Einkaufszentrum als solches ausreicht, genügt im Streitfall die Werbung für das von den Vereinsmitgliedern verkaufte Produkt. Das Handeln für die Gesellschafter oder die Mitglieder ergibt sich daraus, dass der Werbung für ein Einkaufszentrum oder für eine Ware kein Selbstzweck zukommt, sondern dass sie dem Warenabsatz und damit letztlich den Lieferanten der Ware und den Händlern dient. Es handelt sich somit entgegen der Auffassung der Revision nicht um die bloße Zuwendung von Geldmitteln, um den Kläger in die Lage zu versetzen, sich in Erfüllung seines Vereinszwecks zu betätigen (vgl. hierzu BFH-Urteile vom 20. April 1988 X R 3/82, BFHE 153, 445, BStBl II 1988, 792, und in BFH/NV 2008, 1072). Es liegen auch keine Zahlungen vor, die mit denen vergleichbar sind, die Körperschaften des öffentlichen Rechts im Interesse der Förderung des Fremdenverkehrs und damit im Allgemeininteresse einer Region leisten (vgl. BFH-Urteil vom 26. Oktober 2000 V R 12/00, BFH/NV 2001, 494). Vielmehr sollte durch die mit den Zahlungen finanzierte Werbung gezielt der Absatz von TP gefördert werden.
c) Der darüber hinaus vom FG festgestellte unmittelbare Zusammenhang zwischen Vereinsleistung und den Beitrags- sowie Etatzahlungen der Vereinsmitglieder besteht ebenso wie im Fall der Werbegemeinschaft eines Einkaufszentrums, das für die von ihr durchgeführte Werbung Umlagen bei ihren Mitgliedern erhebt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 145, 244, BStBl II 1986, 153). Es kommt dabei nicht darauf an, ob der durch die Werbung entstehende Aufwand durch "Umlagen" oder "Beitrags- oder Etatzahlungen" ausgeglichen wird. Die Annahme eines Leistungsaustausches scheitert auch nicht daran, dass nur für die inländischen Vereinsmitglieder ein einheitlicher Beitragsbemessungsmaßstab bestand, während der Großteil des Werbeaufwands durch die Etatzuweisung von Q bestritten wurde. Denn für das Vorliegen des für den Leistungsaustausch erforderlichen Zusammenhangs kommt es auf eine gegenüber allen Leistungsempfängern einheitliche Preisbildung nicht an.
Dass die Leistungen des Klägers gegenüber Q nach § 3a Abs. 3 und Abs. 4 Nr. 2 UStG im Drittlandsgebiet steuerbar waren, ist ebenfalls für das Vorliegen eines Leistungsaustausches dem Grunde nach unerheblich.
d) Ohne Erfolg beruft sich das FA für seine Annahme, es liege kein Leistungsaustausch vor, auf die Ausführungen des EuGH im Urteil in Slg. 1988, 1443.
aa) Danach erbringt eine zwecks Förderung der Obsterzeugung errichtete Einrichtung des öffentlichen Rechts ihren Mitgliedern gegenüber keine Dienstleistung gegen Entgelt, wenn sie Tätigkeiten der Werbung, Absatzförderung und der Qualitätsverbesserung ausübt und zur Finanzierung dieser Tätigkeiten von den Erzeugern einen Pflichtbeitrag erhebt. An einem unmittelbaren Zusammenhang zwischen Leistung und Entgelt fehlt es, wenn die Aufgaben der Einrichtung die gemeinsamen Interessen der Erzeuger betreffen und die einzelnen Erzeuger --von denen die Beiträge unabhängig davon eingezogen werden können, ob eine bestimmte Dienstleistung ihnen einen Vorteil verschafft-- nur mittelbar von den Vorteilen profitieren, die allgemein dem gesamten Wirtschaftszweig erwachsen.
Unter Berücksichtigung der Ausführungen des Generalanwalts in seinem Schlussantrag vom 28. Oktober 1987 Rs. C-102/86 --Apple and Pear Development Council-- (Slg. 1988, 1443) waren für die Verneinung einer Dienstleistung gegen Entgelt drei Argumente ausschlaggebend: Erstens, dass die Errichtung des Councils im Interesse des gesamten Gewerbezweiges sowie auch der Allgemeinheit erfolgte. Zweitens das Fehlen jedes vertraglichen Elements bei der Zahlung und die fehlende Kontrolle der einzelnen Erzeuger darüber, was das Council für sie tut. Drittens ein fehlender oder nur mittelbarer Nutzen der einzelnen Erzeuger. Größe des Landbesitzes und gezogener Nutzen entsprächen einander nicht notwendig, das gezahlte Geld habe mehr den Charakter einer allgemeinen Abgabe. So sei es durchaus möglich, dass einige Erzeuger die speziell ihnen erbrachten Dienstleistungen nicht bezeichnen könnten. Denn für manche Apfelsorten werde möglicherweise nicht inseriert oder auch keine Verkaufsförderung betrieben. Die Apfelerzeuger zögen möglicherweise aus der Verkaufsförderung für Birnen keinen Nutzen und umgekehrt.
bb) Der Streitfall ist damit nicht vergleichbar. Er unterscheidet sich schon dadurch erheblich von dem der EuGH-Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt, dass der Kläger nicht im öffentlichen bzw. im Interesse des gesamten Gewerbezweiges (Schmuckhandel) gegründet wurde, sondern im eigenen Interesse von Firmen, die speziell an dem Verkauf der TP interessiert sind. Die Werbemaßnahmen für dieses Produkt kam allen Mitgliedern zugute. Außerdem beruhten die Zahlungen der Mitglieder auf einer Regelung der Mitgliedsbeiträge in der Vereinssatzung, bei der es sich ihrer Rechtsnatur nach primär um einen Vertrag handelt (vgl. Palandt/Heinrichs/Ellenberger, Bürgerliches Gesetzbuch, 67. Aufl., § 25 Rz 3). Anders als in dem EuGH-Urteil in Slg. 1988, 1443 (Apple and Pear Development Council) war es den Mitgliedern des Klägers möglich, im Rahmen der jährlichen Mitgliederversammlung zu kontrollieren, was der Verein bzw. dessen Vorstand im abgelaufenen Jahr für sie getan hat; letzterer war verpflichtet, einen Rapport und einen Jahresbericht abzugeben. Darüber hinaus war ausweislich der unter "Mitgliederversammlung" niedergelegten Satzungsbestimmung auch vorgesehen, dass die ordentlichen Mitglieder ihre Ideen und Wünsche für das kommende Geschäftsjahr erläutern.
Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass der EuGH im Urteil in Slg. 2002, I-3293 (Kennemer Golf) einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Leistung und Entgelt auch zwischen den Jahresbeiträgen von Vereinsmitgliedern und der dauerhaften Zurverfügungstellung von Sportanlagen sowie damit verbundenen Vorteilen bejaht hat. Dies gilt selbst für diejenigen Vereinsmitglieder, die die Einrichtungen des Vereins nicht oder nicht regelmäßig nutzen.
e) Schließlich kann sich das FA für seine Rechtsauffassung auch nicht auf das EuGH-Urteil vom 1. April 1982 Rs. 89/81 --Hong-Kong Trade Development Council-- (Slg. 1982, 1277) stützen. Denn in dieser Rechtssache ging es um den Vorsteuerabzug eines Verbandes, der unstrittig unentgeltliche Leistungen erbrachte. Der EuGH hatte sich daher in diesem Verfahren nicht zur Abgrenzung zwischen entgeltlichen und unentgeltlichen Leistungen zu äußern.
Ende der Entscheidung
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