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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 10.07.2000
Aktenzeichen: XI R 59/99
Rechtsgebiete: EStG, FGO, BFHEntlG
Vorschriften:
EStG § 32d | |
EStG § 32 | |
FGO § 116 | |
FGO § 116 Abs. 1 Nr. 5 | |
BFHEntlG Art. 1 Nr. 5 |
Gründe
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Rechtsanwalt und Notar. Mit seinen Klagen, betreffend die Einkommensteuer 1995 und 1996, machte er u.a. geltend, die Einkommensteuertarife 1995 und 1996 seien verfassungswidrig, weil Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit und nichtselbständiger Tätigkeit einerseits und Einkünfte aus gewerblicher Tätigkeit andererseits nach unterschiedlichen Einkommensteuertarifen besteuert würden. Außerdem rügte er Verfassungswidrigkeit des § 32d des Einkommensteuergesetzes (EStG), da diese Vorschrift nicht den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur steuerlichen Freistellung des Familienexistenzminimums entspreche. Er begehrte unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BVerfG Kinderfreibeträge in Höhe von 18 528 DM.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klagen ab. Die begehrten Kinderfreibeträge stünden dem Kläger nicht zu. Das Existenzminimum von Kindern werde steuerlich entweder durch die Kinderfreibeträge oder durch das Kindergeld nach dem X. Abschnitt EStG sichergestellt. Da der Kläger Kindergeld erhalten habe, komme ein Kinderfreibetrag nach § 32 EStG nicht in Betracht. Das FG könne auch nicht erkennen, dass die im EStG festgelegten Beträge zur Sicherung des Existenzminimums der Kinder nicht ausreichen würden. Im Übrigen seien die angefochtenen Bescheide hinsichtlich der Kinderfreibeträge vorläufig ergangen.
Das FG könne ferner nicht feststellen, dass die steuerliche Belastung des Klägers in Höhe von 10 238 DM (1995) und 5 436 DM (1996) verfassungswidrig sei. Unklar sei dem Gericht, was der Kläger mit seiner Kritik an den unterschiedlichen Steuersätzen bei Einkünften aus freiberuflicher Tätigkeit einerseits und nichtselbständiger Arbeit andererseits meine. Noch weniger nachvollziehbar sei, wie der Kläger zu dem Ergebnis komme, eine eventuelle Verfassungswidrigkeit der Tarifspreizung führe zur Nichtanwendung des Einkommensteuertarifs. Die sich aus seiner Auffassung ergebende Konsequenz, überhaupt keine Einkommensteuer zu erheben, sei offensichtlich nicht zu rechtfertigen.
Das FG hat die Revision nicht zugelassen.
Der Kläger rügt mit seiner Revision Verletzung des § 116 Abs. 1 Nr. 5 und des Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Er habe im Klageverfahren die Verfassungswidrigkeit der Spreizung des Einkommensteuertarifs (§ 32c EStG) und der zu geringen steuerlichen Freistellung des Familienexistenzminimums gerügt. Hierauf sei das FG in seinen Urteilsgründen nicht eingegangen.
Der Kläger beantragt, das Urteil des FG aufzuheben.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Auf Antrag des Klägers hat das FG sein Urteil im Tatbestand und in den Entscheidungsgründen berichtigt. Das FG geht nunmehr davon aus, dass der Kläger, nicht wie ursprünglich angenommen, unterschiedliche Steuersätze bei den Einkünften aus freiberuflicher und nichtselbständiger Tätigkeit, sondern zwischen den Einkünften aus freiberuflicher und nichtselbständiger einerseits und gewerblicher Einkünfte andererseits gerügt hat. Es hält diese Tarifspreizung unter Berücksichtigung der Gewerbesteuerpflicht der gewerblichen Gewinne für verfassungsgemäß.
II. Die Revision ist als unzulässig zu verwerfen.
1. Nach Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) findet die Revision nur statt, wenn das FG oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof (BFH) sie zugelassen hat. Beides ist nicht der Fall.
2. Gründe, die nach § 116 FGO eine zulassungsfreie Revision rechtfertigen würden, hat der Kläger nicht substantiiert und in sich schlüssig dargetan.
a) Ein Urteil ist nicht mit Gründen i.S. des § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO versehen, wenn das Gericht einen selbständigen Anspruch oder ein selbständiges Angriffs- oder Verteidigungsmittel mit Stillschweigen übergangen hat und es sich dabei um einen wesentlichen Streitpunkt gehandelt hat (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschluss vom 16. August 1999 VIII R 9/99, BFH/NV 2000, 209, m.w.N.; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 119 Rdnr. 25, m.w.N.). Eine Revision nach § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO kann aber nicht allein damit erfolgreich begründet werden, dass ein Urteil lückenhaft sei oder dass das FG auf Einzelheiten des Sachverhalts, auf einzelne rechtliche Gesichtspunkte oder auf einzelne Argumente des Beteiligten nicht eingegangen sei (BFH in BFH/NV 2000, 209, m.w.N.). Die Voraussetzungen des § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO sind auch nicht allein deswegen erfüllt, weil die Entscheidungsgründe unvollständig, unzureichend, unrichtig oder sonst fehlerhaft sind (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 22. April 1986 III R 176/85, BFH/NV 1987, 95; vom 27. Dezember 1994 I R 150/93, BFH/NV 1995, 984).
b) Vor diesem Hintergrund genügt daher die Behauptung des Klägers nicht, das FG habe sich mit seinen Argumenten zur Verfassungswidrigkeit des steuerrechtlich anerkannten Familienexistenzminimums und der Tarifspreizung in § 32c EStG nicht auseinandergesetzt. Er hätte vielmehr auch darauf eingehen müssen, warum die Ausführungen des FG auf Seite 7 des Urteils zu den "unterschiedlichen Steuersätzen" und auf Seite 6/7 zur steuerlichen Freistellung des "Existenzminimums der Kinder" keine Gründe i.S. des § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO sein sollen. Dass das FG die Rüge der Verfassungswidrigkeit der Tarifspreizung offensichtlich missverstanden hat, nimmt der Entscheidung nicht die hierzu tatsächlich gegebene Begründung. Im Übrigen hat das FG ausgeführt, dass selbst eine eventuelle Verfassungswidrigkeit der Tarifspreizung nicht dazu führen kann, dass der Einkommensteuertarif nicht auf freiberufliche Einkünfte angewendet wird. Damit hat es --trotz eines Missverständnisses-- die vom Kläger geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken mit Gründen versehen zurückgewiesen.
3. Die Voraussetzungen für eine zulassungsfreie Revision sind in § 116 FGO abschließend aufgezählt. Die gerügte Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) fällt nicht darunter.
Ende der Entscheidung
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