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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 14.05.2008
Aktenzeichen: XI R 60/07
Rechtsgebiete: UStG 1999, Richtlinie 77/388/EWG
Vorschriften:
UStG 1999 § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 | |
Richtlinie 77/388/EWG Art. 5 Abs. 6 |
2. Einen solchen Vermögensvorteil verschafft ein Unternehmer der Bundesrepublik Deutschland, wenn er auf eigene Kosten auf deren Grundbesitz einen Kreisverkehr errichtet.
Gründe:
I.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) errichtete im Streitjahr 1999 ein Restaurantgebäude mit Tankstelle auf seinem in der Nähe einer Autobahnanschlussstelle gelegenen Grundstück. Das Restaurantgebäude vermietete er ab Fertigstellung umsatzsteuerpflichtig an eine Restaurantbetriebsgesellschaft. Ebenso vermietete er die Tankstelle umsatzsteuerpflichtig.
Für die ordnungsgemäße Anbindung des Grundstücks an den öffentlichen Straßenverkehr war es erforderlich, die bestehende Straßenkreuzung mit vier Kreuzungsästen durch einen Kreisverkehr zu ersetzen. Der Kläger hatte sich in einem mit der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossenen Vertrag verpflichtet, den Kreisverkehr zu errichten und die hierfür anfallenden Kosten zu tragen. Die dem Kläger für die Errichtung von Restaurantgebäude und Tankstelle erteilte Baugenehmigung stand unter der Bedingung, dass der Kläger den mit der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossenen Vertrag erfüllt.
Der mit dem Tankstellenbetreiber abgeschlossene Mietvertrag sah vor, dass zu dem vom Kläger geschuldeten Leistungsumfang auch die Errichtung des Kreisverkehrs einschließlich der Zu- und Abfahrt zum Mietgrundstück gehörte. Nach dem Mietvertrag betrug der jährliche Mietzins 300 000 DM zzgl. 8,25 % der Baukosten für die Errichtung der Tankstelle mit Nebenanlagen einschließlich des Kreisverkehrs.
Der Kläger errichtete Restaurantgebäude, Tankstelle und Kreisverkehr und machte den Vorsteuerabzug nach § 15 des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) geltend.
Im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung ging der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) davon aus, dass der Kläger den auf eigene Kosten auf dem Grundstück eines Hoheitsträgers errichteten Kreisverkehr unentgeltlich auf den Hoheitsträger übertragen habe. Der Kläger habe mit der "Erschließungsmaßnahme" Kreisverkehr für die Bundesfernstraßenverwaltung eine hoheitliche Aufgabe unentgeltlich erfüllt. Er sei insoweit nicht im Rahmen seines Unternehmens tätig geworden, so dass für ihn kein Anspruch auf Vorsteuerabzug bestehe.
Im Einspruchsverfahren vertrat das FA demgegenüber die Auffassung, dass der Kläger zwar zum Vorsteuerabzug berechtigt sei, jedoch eine unentgeltliche Zuwendung nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG zu versteuern habe, da er "Erschließungsanlagen" auf einem nicht in seinem Eigentum stehenden Grundstück hergestellt und anschließend unentgeltlich übertragen habe. Die Bemessungsgrundlage richte sich nach den hierfür entstandenen Selbstkosten. Das FA erließ einen geänderten Umsatzsteuerjahresbescheid und wies den Einspruch als unbegründet zurück.
Auch die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) stützte die Klageabweisung darauf, dass eine unentgeltliche Zuwendung nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG vorliege. Der Kreisverkehrsplatz stelle einen Gegenstand dar, den der Kläger der Bundesrepublik Deutschland als Grundstückseigentümerin im Rahmen einer Werklieferung nach § 3 Abs. 4 UStG zugewendet habe. Unerheblich sei, dass die Bundesrepublik Deutschland bereits unmittelbar nach §§ 946, 94 des Bürgerlichen Gesetzbuchs Eigentümerin geworden sei. Es handele sich nicht um eine Zuwendung an den Mieter der Tankstelle, da diesem keine Verfügungsmacht an dem Kreisverkehr verschafft worden sei. Dass die Errichtung des Kreisverkehrs Voraussetzung für den Abschluss des Mietvertrags gewesen sei, sei unerheblich. Da der Kläger die Kosten für die Errichtung des Kreisverkehrs getragen habe, liege eine unentgeltliche Zuwendung an die Bundesrepublik Deutschland vor. Der Mieter der Tankstelle habe auch nicht als Dritter nach § 10 Abs. 1 Satz 3 UStG ein Entgelt für die Lieferung des Kreisverkehrs entrichtet. Schließlich sei der Kläger nach § 3 Abs. 1b Satz 2 i.V.m. § 15 UStG zum Vorsteuerabzug berechtigt gewesen.
Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2007, 1559 veröffentlicht.
Mit seiner vom Bundesfinanzhof (BFH) zugelassenen Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts. Die Besteuerung nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG führe zu einer systemwidrigen Doppelbelastung. Wie sich aus § 3 Abs. 1b Satz 2 UStG ergebe, solle durch § 3 Abs. 1b UStG ein zuvor in Anspruch genommener Vorsteuerabzug kompensiert werden. Dies sei im vorliegenden Fall systemwidrig, da die Aufwendungen zur Errichtung des Kreisverkehrs der steuerpflichtigen Vermietungstätigkeit zuzurechnen seien. Zumindest führe die steuerpflichtige Vermietung zu einem Entgelt von dritter Seite. Hierfür spreche auch das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 31. Mai 2002 IV B 7 -S 7100- 167/02 (BStBl I 2002, 631, unter I. Nr. 2).
Er beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und den Umsatzsteuerbescheid 1999 in der Fassung der Einspruchsentscheidung dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer auf ./. ... DM festgesetzt wird.
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Einbeziehung der Kosten für die Errichtung des Kreisverkehrs in die Bemessung des Mietzinses sei ohne Belang. Es liege kein Entgelt von dritter Seite, sondern ein steuerpflichtiger Umsatz nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG vor. Hierdurch ergebe sich keine systemwidrige Mehrbelastung. Durch die Besteuerung der unentgeltlichen Wertabgabe werde der Kläger demjenigen gleichgestellt, der Erschließungsbeiträge an eine öffentlich-rechtliche Gebietskörperschaft zahle.
II.
Die Revision des Klägers ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Es liegt eine unentgeltliche Zuwendung nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG vor.
1. Nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG wird neben den Entnahmen für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen (§ 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG), und den unentgeltlichen Zuwendungen an das Personal für dessen privaten Bedarf (§ 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 2 UStG) jede andere unentgeltliche Zuwendung einer Lieferung gegen Entgelt gleichgestellt. Bei § 3 Abs. 1b UStG handelt es sich um eine gegenüber § 3 Abs. 1 UStG eigenständige Regelung. So liegt eine Entnahme z.B. nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG auch dann vor, wenn der Unternehmer einen Gegenstand für eigene nichtunternehmerische Zwecke entnimmt und somit keinem Abnehmer --wie von § 3 Abs. 1 UStG vorausgesetzt-- Verfügungsmacht verschafft wird. Zum anderen setzen § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 2 und 3 UStG eine "Zuwendung" voraus, die sich nicht bereits daraus ergibt, dass eine Lieferung unentgeltlich erbracht wird. Eine Zuwendung nach diesen Vorschriften erfordert dem allgemeinen Wortsinn entsprechend vielmehr, dass der Zuwendende dem Empfänger der Zuwendung zielgerichtet einen Vermögensvorteil verschafft. Dementsprechend liegt nach der Gesetzesbegründung eine gemäß § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG steuerbare Zuwendung z.B. bei Sachspenden oder bei Lieferungen zu Werbezwecken, zur Verkaufsförderung oder zur Imagepflege vor (BRDrucks 910/98, S. 196). Diesen Vorgängen kommt der erforderliche Zuwendungscharakter dadurch zu, dass sie dem Begünstigten unbeschränkte Verfügungsmacht an dem gespendeten oder verschenkten Gegenstand zielgerichtet verschaffen.
Dem entspricht es, dass auch Art. 5 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) als gemeinschaftsrechtliche Grundlage von § 3 Abs. 1b UStG nicht alle unentgeltlichen Lieferungen, sondern nur "die Entnahme ... durch einen Steuerpflichtigen ... für seinen privaten Bedarf, für den Bedarf seines Personals oder als unentgeltliche Zuwendung oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke" erfasst. Somit steht eine Entnahme als unentgeltliche Zuwendung einer Entnahme für unternehmensfremde Zwecke gleich. Denn nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 27. April 1999 C-48/97 --Kuwait Petroleum-- (Slg. 1999, I-2323) können selbst Entnahmen, die für Zwecke des Unternehmens erfolgen, als unentgeltliche Zuwendung steuerbar sein. Dies gilt nach diesem Urteil z.B. für die ohne weitere Zuzahlung erfolgende Lieferung von Gegenständen aufgrund von Gutscheinen, die dem Abnehmer von Treibstoff ausgehändigt werden.
2. Die Entscheidung des FG, dass im Streitfall die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG vorliegen, ist revisionsrechtlich im Ergebnis nicht zu beanstanden.
a) Die von § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG vorausgesetzte zielgerichtete Übertragung eines Gegenstandes mit Begünstigungscharakter ergibt sich daraus, dass der Bundesrepublik Deutschland rechtliches Eigentum an dem Kreisverkehr ohne Gegenleistung verschafft wurde. Es liegen keine Anhaltspunkte vor, nach denen der Kläger zumindest wirtschaftlich das Eigentum oder auch nur Nutzungsrechte an dem Kreisverkehr behalten hätte und die deshalb der Annahme einer derartigen Zuwendung entgegenstehen würden.
b) Das Vorliegen einer zielgerichteten Zuwendung an die Bundesrepublik Deutschland entfällt auch nicht im Hinblick auf die mit dieser Zuwendung verfolgte unternehmerische Zielsetzung. Zwar bezweckte der Kläger mit der Errichtung des Kreisverkehrs die Schaffung der Voraussetzungen, die für eine Bebauung und Vermietung seines Grundstücks einzuhalten waren. Eine steuerbare Zuwendung nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG liegt jedoch selbst dann vor, wenn die Zuwendung aus unternehmerischen Gründen erfolgt, wie die richtlinienkonforme Auslegung dieser Vorschrift unter Berücksichtigung von Art. 5 Abs. 6 der Richtlinie 77/388/EWG zeigt. Eine Differenzierung zwischen Werbegeschenken, die aus unternehmerischen Gründen erfolgen, und der Zuwendung anderer Gegenstände, an denen der Unternehmer ein anders gelagertes unternehmerisches Interesse hat, kommt insbesondere nach dem EuGH-Urteil in Slg. 1999, I-2323 (Kuwait Petroleum) nicht in Betracht.
c) Die Zahlungen des Tankstellenmieters lassen den Charakter als unentgeltliche Zuwendung unberührt. Insoweit liegen keine Zahlungen eines Dritten vor. Zwar können nach dem BFH-Urteil vom 19. Oktober 2001 V R 48/00 (BFHE 196, 376, BStBl II 2003, 210) Zahlungen einem fremden Leistungsverhältnis im Einzelfall auch dann zuzuordnen sein, wenn der Zahlende gegenüber dem Zahlungsempfänger zugleich eine eigene Verpflichtung erfüllt. Voraussetzung ist insoweit aber, dass die Zahlung des Dritten für die fragliche Leistung des Unternehmers an den Leistungsempfänger gewährt wird, er die Zahlung also hierfür erhält (vgl. unter II.3.c der Entscheidungsgründe). Einen derartigen Sachverhalt hat das FG im Streitfall nicht festgestellt. Seine Würdigung ist nicht mit begründeten Revisionsrügen angegriffen worden und damit für den Senat bindend (§ 118 Abs. 2 FGO).
Es kommt auch nicht auf die von der Revision aufgeworfene Frage der Behandlung von Zuschüssen an. Das von der Revision insoweit angeführte BFH-Urteil vom 20. Dezember 2001 V R 81/99 (BFHE 197, 352, BStBl II 2003, 213) betrifft die Leistungserbringung gegenüber einer Gemeinde, die hierfür einen als Entgelt anzusehenden "Zuschuss" leistet. Der in diesem Fall bejahte unmittelbare Zusammenhang zwischen Leistung und Entgelt fehlt im Streitfall.
d) Unerheblich ist auch die Behandlung von Erschließungsmaßnahmen nach dem BMF-Schreiben in BStBl I 2002, 631 (unter I. Nr. 2), da es dort um die durch einen Hoheitsträger erteilte Ermächtigung geht, Erschließungsaufwendungen unmittelbar mit Bauwilligen abzurechnen. Die Zahlungen der Bauwilligen seien dann als Entgelt von dritter Seite anzusehen. Ohne dass der Senat sich zur Beurteilung dieses Erschließungssachverhalts zu äußern bräuchte, fehlt es im Streitfall bereits an einer vergleichbaren Abrechnungsermächtigung durch den Zuwendungsempfänger.
e) Die Zuwendung des Kreisverkehrs als Straßenbauwerk war auch nicht nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfrei. Unabhängig davon, ob dieser Befreiungstatbestand auf Entnahmen und Zuwendungen nach § 3 Abs. 1b UStG überhaupt anzuwenden ist, unterliegt nach § 2 Abs. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes nur die Übertragung von Gebäuden, nicht aber auch von Straßenbauwerken der Grunderwerbsteuer (vgl. auch Peppersack, Betriebs-Berater 2008, S. 640, 647).
f) Es kommt schließlich auch nicht zu der vom Kläger angeführten Doppelbesteuerung. Der Kläger hat vielmehr das von ihm als steuerpflichtig behandelte Mietentgelt zu versteuern. Im Übrigen war er im Hinblick auf die Steuerpflicht der Zuwendung gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG zum Vorsteuerabzug aus den von ihm bezogenen Bauleistungen für den Kreisverkehr berechtigt.
Ende der Entscheidung
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