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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 09.12.1998
Aktenzeichen: XI R 62/97
Rechtsgebiete: EStG 1990


Vorschriften:

EStG 1990 § 10d Abs. 3 Sätze 4 und 5
BUNDESFINANZHOF

1. Voraussetzung für den erstmaligen Erlaß eines Feststellungsbescheides über den verbleibenden Verlustabzug nach § 10d Abs. 3 Satz 4 EStG 1990 ist, daß der zugrundeliegende --bisher keinen Verlust ausweisende-- Steuerbescheid noch entsprechend geändert werden kann.

2. Auch § 10d Abs. 3 Satz 5 EStG 1990 setzt die Änderungsmöglichkeit des Steuerbescheides voraus. Die Vorschrift ist nur anwendbar, wenn die Änderung des Steuerbescheides allein mangels steuerlicher Auswirkung unterbleibt.

EStG 1990 § 10d Abs. 3 Sätze 4 und 5

Urteil vom 9. Dezember 1998 - XI R 62/97 -

Vorinstanz: FG Münster (EFG 1997, 1435)


Gründe

I.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betrieb bis zum 31. Dezember 1990 ein Unternehmen. Für 1990 ermittelte er durch Einnahmeüberschußrechnung nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) einen Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von 12 024 DM.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) folgte der vom Kläger eingereichten Steuererklärung und setzte die Einkommensteuer 1990 mit Bescheid vom 8. November 1994 auf 0 DM fest. Das FA legte der Festsetzung einen Gesamtbetrag der Einkünfte von 12 024 DM zugrunde. Der Bescheid wurde bestandskräftig.

Am 19. Juni 1996 legte der Kläger eine Aufgabebilanz auf den 31. Dezember 1990 vor, nach der sich ein Aufgabeverlust von 225 160,88 DM ergab. Er beantragte, den Verlust gemäß § 10d EStG von Amts wegen in Höhe von 47 145 DM nach 1988 und mit 0 DM nach 1989 zurückzutragen sowie den verbleibenden Verlustabzug auf den 31. Dezember 1990 gemäß § 10d Abs. 3 EStG i.d.F. des Steuerreformgesetzes 1990 vom 25. Juli 1988 (BGBl I 1988, 1093, BStBl I 1988, 224) --EStG 1990-- in Höhe von 165 992 DM festzustellen (Verlust 225 161 DM ./. Verlustrücktrag 47 145 DM ./. laufender Gewinn 1990 12 024 DM).

Das FA lehnte den Antrag auf gesonderte Feststellung des zum 31. Dezember 1990 verbleibenden Verlustes mit Bescheid vom 9. August 1996 ab. Der Einspruch des Klägers blieb ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Zur Begründung führte es aus, der vom Kläger geltend gemachte Aufgabeverlust könne nicht mehr berücksichtigt werden, da der Einkommensteuerbescheid 1990 formell bestandskräftig geworden sei und eine Änderungsmöglichkeit zugunsten des Klägers nach den §§ 172 ff. der Abgabenordnung (AO 1977) nicht bestehe. Auch die sonstigen Bezugsgrößen des § 10d Abs. 3 Satz 2 EStG 1990 führten im Streitfall nicht zu einer gesonderten Verlustfeststellung. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 1997, 1435 veröffentlicht.

Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision rügt der Kläger Verletzung des § 10d EStG sowie der §§ 172 ff. AO 1977. Er trägt zur Begründung vor, ein Verlustfeststellungsbescheid sei nach § 10d Abs. 3 EStG 1990 zu ändern oder erstmals zu erlassen, wenn sich zwar die Bemessungsgrundlage eines Einkommensteuerbescheids, in dem die Bezugsgrößen für den Verlustfeststellungsbescheid enthalten seien, verändere, aber eine Änderung des Einkommensteuerbescheids unterbleibe, weil sich eine steuerliche Auswirkung nicht ergebe. Hierfür sei nicht Voraussetzung, daß eine Befugnis zur Änderung des Einkommensteuerbescheids nach §§ 172 ff. AO 1977 bestehe. Die Richtigkeit dieser Auffassung zeige sich insbesondere darin, daß die Voraussetzungen der Änderungsvorschriften nach §§ 172 ff. AO 1977 bei Einkommensteuer-Nullbescheiden zu keinem Zeitpunkt gegeben seien. Eine "neue Tatsache" i.S. des § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 könne in einem solchen Fall nie zu einer Herabsetzung der Einkommensteuer führen, denn eine noch geringere Steuerschuld als 0 DM könne nicht festgesetzt werden. Die Vorschrift greife nicht ein, da keine Tatsache vorliege, die zu einer geringeren Steuer führe. Demnach sei unerheblich, wer das nachträgliche Bekanntwerden verschuldet habe.

Der Kläger beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung sowie des Ablehnungsbescheids vom 9. August 1996 und der Einspruchsentscheidung vom 8. November 1996 einen verbleibenden Verlustabzug auf den 31. Dezember 1990 in Höhe von 165 992 DM gesondert festzustellen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Zur Begründung führt es aus, das Unterbleiben der Änderung eines Einkommensteuerbescheids mangels steuerlicher Auswirkung (§ 10d Abs. 3 Satz 5 EStG 1990) setze voraus, daß dieser Bescheid grundsätzlich geändert werden könnte. § 10d Abs. 3 Satz 4 und 5 EStG 1990 führe nicht zu einer uneingeschränkten Korrekturbefugnis außerhalb des Änderungssystems der AO 1977.

II.

Die Revision ist unbegründet (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Das FG hat zu Recht die Verpflichtung des FA zum Erlaß eines Feststellungsbescheids über den verbleibenden Verlustabzug zum Schluß des Veranlagungszeitraums 1990 abgelehnt.

1. Nach § 10d Abs. 3 Satz 1 EStG 1990, der erstmals für den Veranlagungszeitraum 1990 anzuwenden ist (§ 52 Abs. 1 Satz 1 EStG 1990), ist der am Schluß eines Veranlagungszeitraums verbleibende Verlustabzug gesondert festzustellen. Nach § 10d Abs. 3 Satz 4 EStG 1990 ist ein solcher Feststellungsbescheid zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern, soweit sich --erstens-- die nach Satz 2 zu berücksichtigenden Beträge (der nicht ausgeglichene Verlust eines Veranlagungszeitraums, der Verlustrücktrag auf die zwei Vorjahre, der Verlustvortrag auf die nachfolgenden Veranlagungszeiträume, der am Schluß des vorangegangenen Veranlagungszeitraums festgestellte verbleibende Verlustabzug) ändern und --zweitens-- deshalb der entsprechende Steuerbescheid zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern ist. Satz 4 ist entsprechend anzuwenden, wenn der Erlaß, die Aufhebung oder die Änderung des Steuerbescheids mangels steuerlicher Auswirkung unterbleibt (§ 10d Abs. 3 Satz 5 EStG 1990). Im Streitfall liegen die Voraussetzungen des § 10d Sätze 4 und 5 EStG 1990 für den hier begehrten erstmaligen Erlaß eines Feststellungsbescheids über den am Schluß des Veranlagungszeitraums 1990 verbleibenden Verlustabzug nicht vor.

2. Wie der Senat mit Urteil vom 31. Juli 1996 XI R 4/96 (BFH/NV 1997, 180) entschieden hat, ist Voraussetzung für die Änderung eines Feststellungsbescheids über den verbleibenden Verlustabzug, daß der entsprechende Steuerbescheid noch geändert werden kann. Denn nach dem Wortlaut des § 10d Abs. 3 Satz 4 EStG 1990 reicht es für die Berechtigung zur Änderung des Feststellungsbescheids über den verbleibenden Verlustabzug nicht aus, daß sich seine Bezugsgrößen betragsmäßig geändert haben; darüber hinaus ist vielmehr (--zweitens--) erforderlich, daß es auch verfahrensrechtlich zulässig ist, den Steuerbescheid zu ändern, auf den die Änderung dieser Bezugsgrößen zurückzuführen ist (vgl. insoweit auch Baum in Deutsche Steuer-Zeitung 1988, 512, 513). Diese zuletzt genannte Voraussetzung sichert die Bestandskraft des vorausgehenden Steuerbescheids; andernfalls könnten durch eine Änderung des Feststellungsbescheids in einem bestandskräftigen Steuerbescheid enthaltene Fehler in einem späteren Veranlagungszeitraum korrigiert werden.

Gleiches gilt auch für den erstmaligen Erlaß eines Feststellungsbescheids über den verbleibenden Verlustabzug. Wird deshalb --wie im Streitfall-- erst nach dem Erlaß des einen gewerblichen Gewinn enthaltenden Einkommensteuerbescheids 1990 nachträglich geltend gemacht, daß tatsächlich ein Verlust erzielt worden sei, kann ein Feststellungsbescheid, der diesen Verlust als verbleibenden Verlustabzug des Veranlagungszeitraums 1990 ausweist, nur dann ergehen, wenn der Einkommensteuerbescheid 1990 noch entsprechend geändert werden kann. Das ist im Streitfall nicht möglich. Denn der Einkommensteuerbescheid 1990 vom 8. November 1994, dem ein Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von 12 024 DM zugrunde liegt, ist bestandskräftig; er kann --wie das FG zu Recht festgestellt hat-- nicht nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 geändert werden, weil den Kläger ein grobes Verschulden an dem erst nachträglichen Bekanntwerden eines gewerblichen Verlustes trifft. Eine andere Änderungsmöglichkeit ist nicht ersichtlich.

3. § 10d Abs. 3 Satz 5 EStG 1990, nach dessen Wortlaut die Änderung des Feststellungsbescheids auch dann zulässig ist, wenn eine Aufhebung oder Änderung des vorausgehenden Steuerbescheids mangels steuerlicher Auswirkung unterbleibt, findet im Streitfall keine Anwendung. Diese Vorschrift kann --entgegen der Auffassung des Klägers-- nicht dahingehend verstanden werden, daß jeder auf 0 DM lautende und deshalb wegen fehlender Beschwer nicht anfechtbare Einkommensteuerbescheid die Änderungsmöglichkeit (oder wie hier: den erstmaligen Erlaß) eines Feststellungsbescheids über den verbleibenden Verlustabzug eröffnet. Sie setzt vielmehr voraus, daß eine Änderung des zugrundeliegenden Steuerbescheids allein deshalb unterbleibt, weil der Bescheid auf 0 DM lautet, dem Rechtsgrund nach aber eine Änderungsmöglichkeit nach den Vorschriften der AO 1977 gegeben wäre. Diese Auslegung ergibt sich daraus, daß § 10d Abs. 3 Satz 5 EStG 1990 eine entsprechende Anwendbarkeit des Satzes 4 anordnet, die dort getroffene Regelung aber voraussetzt, daß der maßgebliche Steuerbescheid geändert werden kann (s. o. unter 2.). An dieser Änderungsmöglichkeit fehlt es --wie oben dargelegt-- im Streitfall.

Entgegen der Auffassung des Klägers wird durch diese Auslegung des § 10d Abs. 3 Satz 5 EStG 1990 sein Rechtsschutz nicht in unzulässiger Weise verkürzt. Zwar hätte der Kläger mangels Beschwer den Einkommensteuerbescheid 1990 nicht anfechten können. Er hätte jedoch die Möglichkeit gehabt, innerhalb der Anfechtungsfrist für diesen Bescheid den Erlaß eines Feststellungsbescheids über den verbleibenden Verlustabzug mit der Begründung zu beantragen, daß ihm --anders als ursprünglich erklärt-- im Jahr 1990 ein (Aufgabe-)Verlust entstanden sei. Diesem Begehren hätte das FA im Hinblick auf § 10d Abs. 3 Satz 5 EStG 1990 entsprechen müssen. Insofern unterscheiden sich die Rechtsschutzmöglichkeiten des Klägers nicht von denen eines Steuerpflichtigen, gegen den im Einkommensteuerbescheid eine Steuerschuld festgesetzt worden ist.

Ende der Entscheidung

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