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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 10.11.2004
Aktenzeichen: XI R 69/03
Rechtsgebiete: EStG, UmwStG


Vorschriften:

EStG § 7g Abs. 3
EStG § 7g Abs. 5
EStG § 34
UmwStG § 20
UmwStG § 22
Die Auflösung einer sog. Ansparrücklage nach § 7g Abs. 3 EStG wegen der Einbringung eines Einzelunternehmens in eine Kapitalgesellschaft führt zur Erhöhung des tarifbegünstigten Einbringungsgewinns. Das gilt auch für den Gewinnzuschlag nach § 7g Abs. 5 EStG.
Gründe:

I.

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zusammen veranlagte Eheleute. Der Kläger betrieb ein Einzelunternehmen. Wirtschaftsjahr war das Kalenderjahr. Der Kläger bildete sog. Ansparrücklagen nach § 7g Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und zwar zum 31. Dezember 1995 in Höhe von 51 053,52 DM und zum 31. Dezember 1996 in Höhe von 61 500 DM.

Mit Wirkung zum 1. Juli 1997 brachte der Kläger sein Unternehmen in eine GmbH ein, die das eingebrachte Betriebsvermögen mit den Teilwerten ansetzte. Die Summe der vom Kläger nach § 7g EStG gebildeten Ansparrücklagen passivierte die GmbH als "Sonderposten mit Rücklageanteil".

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) vertrat die Auffassung, dass die Ansparrücklagen anlässlich der Einbringung zu Teilwerten zwingend aufzulösen seien. Die durch die Auflösung der Rücklage 1995 eintretende Gewinnerhöhung und der Gewinnzuschlag nach § 7g Abs. 5 EStG erhöhten den laufenden Gewinn 1997. Nur der durch die Auflösung der Ansparrücklage 1996 entstehende Gewinn gehöre zum --tarifbegünstigten-- Veräußerungsgewinn. Die Gewinnzuschläge betrügen 12 v.H. der 1995 und 6 v.H. der 1996 gebildeten Rücklage. Gegen den entsprechend nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderten Einkommensteuerbescheid für 1997 legten die Kläger erfolglos Einspruch ein.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage, mit der die Kläger beantragt hatten, den Gewinn aus der Auflösung der Ansparrücklage 1995 in Höhe von 57 179,52 DM dem tarifbegünstigten Einbringungsgewinn zuzurechen, ab (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2003, 1768).

Mit ihrer Revision rügen die Kläger Verletzung des § 7g Abs. 4 Satz 2 und Abs. 5 EStG sowie des § 20 Abs. 5 des Umwandlungssteuergesetzes (UmwStG). Entgegen der Meinung des FG könne § 7g Abs. 4 EStG als Gewinnermittlungsnorm im Verhältnis zu der Tarifnorm des § 20 Abs. 5 UmwStG nicht "lex specialis" sein. Das werde auch von der Finanzverwaltung so gesehen (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 12. Dezember 1996 IV B 2 -S 2138- 37/96, BStBl I 1996, 1441 Tz. 9). Selbst wenn die Rücklage nicht wegen der Einbringung, sondern wegen des Entstehens eines zweiten Rumpfwirtschaftsjahres aufzulösen wäre, so wäre der entscheidende Anlass hierfür letztlich doch die Einbringung gewesen. Die §§ 16, 34 EStG stellten nicht darauf ab, ob stille Reserven über einen längeren Zeitraum hinweg angesammelt worden seien. Zu Lasten des laufenden Gewinns gebildete Rücklagen müssten bei ihrer Auflösung nicht zwangsläufig den laufenden Gewinn erhöhen.

Die Kläger beantragen, das Urteil des FG aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 1997 vom 2. Februar 2000 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2001 dahin gehend abzuändern, dass bei der Steuerfestsetzung der Gewinn aus der Auflösung der Ansparrücklage 1995 in Höhe von 57 179,52 DM dem tarifbegünstigten Einbringungsgewinn zugerechnet wird.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II.

Die Revision der Kläger ist begründet.

Das Urteil des FG ist aufzuheben. Der Klage ist stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Unrecht die durch Auflösung der zum 31. Dezember 1995 gebildeten Rücklage entstehende Gewinnerhöhung dem laufenden Gewinn und nicht dem tarifbegünstigten Einbringungsgewinn nach § 20 Abs. 5 UmwStG zugerechnet.

1. Die Ansparrücklagen sind zum 30. Juni 1997 aufzulösen, weil im Streitfall die aufnehmende Kapitalgesellschaft das eingebrachte Betriebsvermögen mit dem Teilwert angesetzt hat und ein Fall der Einzelrechtsnachfolge vorliegt.

Der Kläger brachte sein Einzelunternehmen gemäß § 20 UmwStG in eine unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtige Kapitalgesellschaft ein. Die Kapitalgesellschaft darf das eingebrachte Betriebsvermögen mit seinem Buchwert oder mit einem höheren Wert ansetzen (§ 20 Abs. 2 UmwStG).

Setzt sie das eingebrachte Betriebsvermögen mit dem Buchwert an, tritt sie nach § 22 Abs. 1 i.V.m. § 12 Abs. 3 Satz 1 UmwStG bezüglich der den steuerlichen Gewinn mindernden Rücklagen in die Rechtsstellung des Einbringenden ein. Setzt sie das eingebrachte Betriebsvermögen mit dem Teilwert an und wird das Betriebsvermögen im Wege der Einzelrechtsnachfolge eingebracht, kann die aufnehmende Kapitalgesellschaft die Rücklagen nicht fortführen (vgl. § 22 Abs. 3 UmwStG). Sie sind beim Einbringenden aufzulösen (Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 22 UmwStG Rdnr. 406; Bordewin/Brandt, Einkommensteuergesetz, § 22 UmwStG Rdnr. 23; Meyer/Ball, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2001, 1238/42; ebenso zum UmwStG 1977 Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 23 UmwStG Rdnr. 65; vgl. auch Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 7g EStG Rdnr. 120; a.A. Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, § 7g EStG Rdnr. 91). Die Verpflichtung zur Auflösung der Rücklage ist darin begründet, dass im Zuge der Einbringung zu Teilwerten die stillen, aber auch die offenen Reserven besteuert werden sollen.

2. Der Gewinn, der sich aus der Auflösung der Ansparrücklage ergibt, ist nach § 20 Abs. 5 Satz 1 UmwStG i.V.m. § 34 Abs. 1 EStG tarifbegünstigt zu versteuern, weil der Kläger eine natürliche Person ist.

a) Der Auffassung des FG, wonach § 7g Abs. 4 Satz 2 EStG die Anwendung des § 20 Abs. 5 UmwStG ausschließt, ist nicht zu folgen. Abgesehen davon, dass eine Norm zur Ermittlung der Besteuerungsgrundlage (§ 7g Abs. 4 EStG) nicht lex specialis im Verhältnis zu einer Tarifnorm (§ 20 Abs. 5 Satz 1 UmwStG) sein kann, ist die Einbringung eines Einzelunternehmens in eine Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten nach § 20 UmwStG eine Veräußerung i.S. des § 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG (z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 7. Juli 1998 VIII R 5/96, BFHE 186, 526, BStBl II 1999, 209, m.w.N.).

b) Die Auflösung steuerfreier Rücklagen anlässlich der Veräußerung eines Betriebes erhöht nach der Rechtsprechung des BFH den Veräußerungsgewinn; denn in der Schlussbilanz nach § 16 Abs. 2 Satz 2 EStG ist die Rücklage noch als Passivposten anzusetzen. Entgegen der Auffassung des FG hat der BFH dies nicht nur für die Rücklage für Ersatzbeschaffung nach Abschn. 35 der Einkommensteuer-Richtlinien --EStR-- (BFH-Urteil vom 25. Juni 1975 I R 201/73, BFHE 116, 532, BStBl II 1975, 848; Anschluss hieran BFH-Urteil vom 17. Oktober 1991 IV R 97/89, BFHE 166, 149, BStBl II 1992, 392, unter II.4.), sondern auch für normierte steuerfreie Rücklagen entschieden (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 12. Juli 1973 IV R 183/70, BFHE 110, 257, BStBl II 1974, 3: Rücklage nach § 3 des Ausfuhrfördergesetzes; vom 4. Juni 1973 IV R 133/71, BFHE 110, 330, BStBl II 1974, 27: Preissteigerungsrücklage nach § 74 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung --EStDV--; insoweit zustimmend auch BFH-Urteil vom 26. Juni 1990 VIII R 221/85, BFHE 161, 466, 471). Dem hat sich überwiegend auch die Literatur angeschlossen (z.B. Herrmann/ Heuer/Raupach, a.a.O., § 16 EStG Rdnr. 338, § 7g EStG Rdnr. 120; Schlenker in Blümich, Einkommensteuergesetz, § 6b Rdnr. 257; Widmann/Mayer, a.a.O., § 20 UmwStG Rdnr. 957; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, § 7g Rdnr. 24; Dötsch, Gedächtnisschrift für Knobbe-Keuk, 1997, 411/4; Weßling, DStR 2002, 1165). Ein laufender Gewinn anlässlich der Auflösung einer Rücklage entsteht bei Betriebsveräußerung nur, wenn die zeitlichen Voraussetzungen für die Fortführung der Rücklage vor Veräußerung entfallen sind (Schmidt/Wacker, a.a.O., § 16 Rdnr. 318).

c) Aus § 7g Abs. 4 Satz 2 EStG ergibt sich nichts Abweichendes. Danach ist zwar die Rücklage gewinnerhöhend aufzulösen, wenn sie am Ende des zweiten auf ihre Bildung folgenden Wirtschaftsjahres noch vorhanden ist; auch kann nach § 8b EStDV ein Wirtschaftsjahr einen Zeitraum von weniger als 12 Monaten umfassen (sog. Rumpfwirtschaftsjahr). Dies ändert aber nichts daran, dass die Auflösung der Rücklage während des laufenden Kalenderjahres ausschließlich durch die Einbringung, nicht aber aus Gründen des § 7g Abs. 4 Satz 2 EStG veranlasst ist. Es besteht ein unmittelbarer sachlicher Zusammenhang mit der Einbringung (vgl. ähnlich z.B. BFH-Urteile vom 15. März 2000 VIII R 51/98, BFHE 191, 385, BStBl II 2000, 316, unter II.2.b; vom 23. Januar 2003 IV R 75/00, BFHE 201, 278, BStBl II 2003, 467). Das gilt auch für den Gewinnzuschlag nach § 7g Abs. 5 EStG. Ohne Einbringung zum 1. Juli 1997 hätte der Kläger die Rücklage noch ein halbes Jahr fortführen bzw. die geplanten Investitionen tätigen können.

Auch Sinn und Zweck des § 20 Abs. 5 UmwStG sprechen dafür, den aus der Auflösung der Rücklage nach § 7g Abs. 3 EStG entstehenden Gewinn tarifbegünstigt zu versteuern. Durch den Ansatz der Teilwerte in der Bilanz der Kapitalgesellschaft kommt es zu einer durch die Aufdeckung der stillen Reserven entstehenden Progressionswirkung, die durch § 20 Abs. 5 Satz 1 UmwStG i.V.m. § 34 Abs. 1 EStG geglättet werden soll. Einen Grundsatz des Inhalts, dass die zu Lasten des laufenden Gewinns gebildeten steuerfreien Rücklagen stets zugunsten des laufenden Gewinns wieder aufgelöst werden müssten, gibt es nicht (vgl. z.B. BFH in BFHE 116, 532, BStBl II 1975, 848; Dötsch, a.a.O., S. 414).

3. Die Berechnung der Einkommensteuer wird dem FA übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 FGO).

Ende der Entscheidung

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