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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 28.01.2009
Aktenzeichen: XI R 77/07
Rechtsgebiete: AO 1990, UStG, FGO, Richtlinie 77/388/EWG


Vorschriften:

AO 1990 § 164 Abs. 2
UStG § 4 Nr. 21
FGO § 126 Abs. 3 S. 1 Nr. 2
Richtlinie 77/388/EWG Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i
Richtlinie 77/388/EWG Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) klagt in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen von A und B. Diese sind Gemeinschafter einer Grundstücksgemeinschaft, die Einkünfte aus Vermietung erzielte. Zwischen der Grundstücksgemeinschaft als Organträgerin und der Sanitätsschule C GmbH (GmbH) als Organgesellschaft bestand eine umsatzsteuerliche Organschaft.

Die GmbH bot unter der Bezeichnung "Sanitätsschule C" an verschiedenen Orten Erste-Hilfe-Lehrgänge einschließlich einer Ausbildung in lebensrettenden Sofortmaßnahmen an. Dabei handelte es sich um drei verschiedene Kurse (Kurs I, II, III), wobei eine Bescheinigung über die Teilnahme an Kurs I einen Nachweis über die Teilnahme an einer Unterweisung in lebensrettenden Sofortmaßnahmen am Unfallort darstellte, die Voraussetzung für den Erwerb des Führerscheins ist; die Kurse II und III beinhalteten weitergehende Erste-Hilfe-Kurse. Darüber hinaus führte die GmbH Sehtests durch und erstellte Passfotos. Die Gemeinnützigkeit war der GmbH aberkannt worden.

In dem vorliegenden, das Streitjahr 1990 betreffenden Klageverfahren legte die GmbH eine Bescheinigung der Bezirksregierung X mit Datum vom 8. November 2004 vor, in der bescheinigt wird, dass die "Sanitätsschule C" seit dem Jahre 1990 auf folgende Berufe bzw. auf folgende vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegenden Prüfungen vorbereite:

Ausbildung in lebensrettenden Sofortmaßnahmen

Erste-Hilfe-Aus/Fortbildung

Sanitätsausbildung/Sanitätsfortbildung

Ausbildung der Ausbilder für derartige Kurse.

In der im Jahre 1994 eingereichten Umsatzsteuererklärung für 1990 hatte die Grundstücksgemeinschaft lediglich ihre Vermietungsumsätze (festzusetzende Umsatzsteuer: ... DM), nicht aber die Umsätze der Organgesellschaft angegeben. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) schätzte mit gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung geändertem Umsatzsteuerbescheid 1990 vom 7. November 1994 die Umsätze der Organgesellschaft unter dem Vorbehalt der Nachprüfung hinzu. Nachfolgend ging beim FA der Jahresabschluss für die GmbH und eine weitere Umsatzsteuererklärung 1990 ein. Unter dem 3. Januar 1997 erließ das FA einen erneut geänderten, weiterhin unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Umsatzsteuerbescheid für 1990.

Im Verlaufe des Einspruchsverfahrens stellte das FA fest, dass der damalige Steuerberater von den Kurseinnahmen der GmbH 50% wegen der an die Dozenten gezahlten Honorare abgezogen und in der Umsatzsteuererklärung nur die gekürzten Erlöse erfasst hatte. Nach entsprechender Androhung der Verböserung erhöhte es in der Einspruchsentscheidung die Umsätze entsprechend. Hinsichtlich des Streitpunkts der Steuerfreiheit der Umsätze hatte der Einspruch keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Die Sanitätsschule sei weder eine private Schule noch eine andere Einrichtung i.S. des § 4 Nr. 21 des Umsatzsteuergesetzes 1980 (UStG), da sie keinen allgemein- oder berufsbildenden Charakter besitze.

Mit seiner Revision macht der Kläger Verletzung des § 4 Nr. 21 UStG geltend. Die Sanitätsschule diene der Allgemeinbildung und habe berufsbildenden Charakter und müsse mit anderen Einrichtungen, die vergleichbare Leistungen ohne Umsatzsteuerbelastung erbringen könnten, gleich behandelt werden. Unter Verweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 10. Januar 2008 V R 52/06 (BFHE 221, 295) beruft er sich ferner auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG).

Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Vorentscheidung aufzuheben und die Umsatzsteuer für das Jahr 1990 auf ... DM herabzusetzen.

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Es verweist insbesondere auf die Begründung der Vorentscheidung. Die Kurse seien weitgehend von Fahrschülern im Rahmen ihrer Fahrausbildung besucht worden und fielen, ähnlich wie anderweitige Vorträge und Seminare, nicht unter den Begriff "Schule". Außerdem macht es geltend, die Sanitätsschule habe sich zur Erteilung ihrer Kurse externer Dozenten bedient, die zwar von der Sanitätsschule ausgebildet worden, aber selbstständig tätig gewesen seien. Damit habe die Sanitätsschule den Schul- und Bildungszweck nicht unmittelbar erfüllt. Es verweist hierzu auf das BFH-Urteil vom 23. August 2007 V R 10/05 (BFHE 217, 332), wonach Unterrichtsleistungen an privaten Schulen und anderen allgemeinbildenden oder berufsbildenden Einrichtungen nur dann steuerfrei sind, wenn sie von einem selbstständigen Lehrer persönlich erbracht werden.

II.

Die Revision des Klägers ist begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Entgegen der Auffassung des FG sind die Umsätze aus den von der GmbH durchgeführten Kursen steuerfrei.

1.

Nach der im Streitjahr 1990 geltenden Vorschrift des § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG sind die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen steuerfrei, wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten.

§ 4 Nr. 21 Buchst. b UStG setzt Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG um (vgl. BFH-Urteil in BFHE 221, 295).

Nach dieser Bestimmung befreien die Mitgliedstaaten von der Steuer die Erziehung von Kindern und Jugendlichen, den Schul- oder Hochschulunterricht, die Ausbildung, die Fortbildung oder die berufliche Umschulung sowie die damit eng verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, oder andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung.

2.

Der BFH hat bereits für einen mit dem Streitfall vergleichbaren Sachverhalt in seinem Urteil in BFHE 221, 295 entschieden, dass Umsätze einer GmbH aus der Durchführung von Kursen mit dem Gegenstand "Sofortmaßnahmen am Unfallort" nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG steuerfrei sein können.

Nach den Grundsätzen dieses Urteils sind auch die streitigen Erste-Hilfe-Kurse "Schul- oder Hochschulunterricht" i.S. von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG. Denn da danach die Ausbildung in Erster Hilfe umfassender ist als die Unterweisung in lebensrettenden Sofortmaßnahmen, gilt für sie und die übrigen Kurse erst recht, dass sie als "Schul- oder Hochschulunterricht" angesehen werden können. Der Senat verweist zur weiteren Begründung auf das BFH-Urteil in BFHE 221, 295.

Nach den Feststellungen des FG erfüllt die GmbH mit der Sanitätsschule zudem die persönlichen Voraussetzungen des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG. Sie ist eine "andere Einrichtung mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung" im Sinne dieser Bestimmung. Der Senat verweist auch insoweit zur weiteren Begründung auf das BFH-Urteil in BFHE 221, 295.

3.

Entgegen der Auffassung des FA ändert es hieran nichts, dass die GmbH die Unterrichtsleistungen von selbstständigen Dozenten und nicht von Arbeitnehmern erbringen ließ. Die Steuerbefreiung des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG ist eine leistungsbezogene Befreiung, die dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten bestimmter Einrichtungen begünstigt. Dazu gehören auch die Unterrichtsleistungen der selbstständigen Dozenten, die wegen der zu Grunde liegenden zivilrechtlichen Rechtsbeziehungen der Sanitätsschule zuzurechnen sind. Die Unterrichtsleistung wurde den Kursteilnehmern von der Sanitätsschule geschuldet, die hierfür von diesen Kursgebühren erhielt. Die selbstständigen Dozenten erhielten ihr Honorar in Höhe von 50% der Kursgebühren von der Sanitätsschule. Auch das FA ist in dem angefochtenen Umsatzsteuerbescheid hiervon ausgegangen.

Hiermit steht auch das BFH-Urteil vom 10. Juni 1999 V R 84/98 (BFHE 188, 462, BStBl II 1999, 578) im Einklang, wonach es für die Steuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG ausreicht, dass die darin bezeichneten Leistungen der Art nach --allein oder zusammen mit den Leistungen anderer Unternehmer-- die betreffende Ausbildung ermöglichen, fördern, ergänzen oder erleichtern.

Das BFH-Urteil in BFHE 217, 332, auf das sich das FA beruft, ist zu einem anderen Sachverhalt ergangen. Dort verfügte die Klägerin, die selbstständig tätige Dozenten mit der Ausführung von Unterricht beauftragt hatte, über keine vergleichbare Bescheinigung im Sinne des im Streitfall maßgeblichen § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG.

4.

Gleichermaßen betreffen die vom FA angeführten Verfahren vor dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) Sachverhalte, die von dem des Streitfalls maßgeblich abweichen, so dass sie nicht entscheidungserheblich sind.

In dem EuGH-Urteil vom 14. Juni 2007 Rs. C-434/05 --Horizon College-- (Slg. 2007, I-4793) war streitig, ob die Erteilung von Unterricht auch die entgeltliche Gestellung eines Lehrers an eine Lehreinrichtung umfasst, wenn er dort unter der Verantwortung dieser Lehreinrichtung Unterricht erteilt.

Das EuGH-Urteil vom 14. Juni 2007 Rs. C-445/05 --Haderer-- (Slg. 2007, I-4841) betraf die nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG zu beurteilende Frage, ob der von einem Privatlehrer erteilte Unterricht nur dann befreit sei, wenn dieser die Unterrichtsleistung unmittelbar den Schülern als Leistungsempfängern erbringe. Im Streitfall geht es demgegenüber um die Steuerfreiheit der Leistungen einer Einrichtung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG.

5.

Die Vorentscheidung ist von anderen Voraussetzungen ausgegangen und deshalb aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat --ausgehend von seinem Standpunkt zu Recht-- keine Feststellungen dazu getroffen, worauf sich die in der Umsatzsteuererklärung angegebenen Entnahmen in Höhe von ... DM beziehen, so dass nicht erkennbar ist, ob der Kläger sie in seinem Klageantrag zu Recht nicht mehr berücksichtigt hat.

Ende der Entscheidung

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