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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 11.11.1998
Aktenzeichen: XI R 80/95
Rechtsgebiete: FGO, EStG
Vorschriften:
FGO § 126 Abs. 3 Nr. 2 | |
EStG § 4 Abs. 4 |
Gründe
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erzielte als Notar Einkünfte aus selbständiger Arbeit. In den Jahren 1987 und 1988 erwarb und bebaute er das Grundstück R-Straße mit einem Zweifamilienhaus für private Zwecke. Der Gesamtaufwand einschließlich der Anschaffungskosten für das Grundstück belief sich auf 1 119 233 DM. Das Gebäude wurde im Mai 1988 fertiggestellt und bezogen. Zur Finanzierung der Herstellungskosten nahm der Kläger vier Darlehen (Altkredite) über 620 000 DM auf, die in der Zeit von 1987 bis Juni 1988 ausgezahlt wurden. Am 16. Juni 1988 wurden zwei weitere Kredite ebenfalls über einen Betrag von 620 000 DM vereinbart und auf dem Zweifamilienhaus abgesichert; sie wurden als Investitionskredite bezeichnet. Nach einer Aufstellung der Bank wurden diese Darlehensmittel zwischen dem 30. August 1988 und dem 5. Juni 1989 auf ein betriebliches Girokonto des Klägers überwiesen, das erst am 1. Juli 1988 eröffnet worden war. Dieses Konto (Nr. 3462) wurde vom Kläger ganz überwiegend nur zur Begleichung von Betriebsausgaben benutzt. Die Betriebseinnahmen wurden auf einem eigenständigen Konto (Nr. 3465) erfaßt. Die Zinsen für die Investitionskredite behandelte der Kläger als Betriebsausgaben.
Aufgrund einer Außenprüfung kam der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) zu dem Ergebnis, daß die Investitionskredite nur der Umschuldung der Altkredite gedient hätten. Die Prozeßbevollmächtigten hatten mit Schreiben vom 3. September 1991 u.a. ausgeführt:
"Zu den aufgegriffenen Darlehnsverträgen können wir ausführen, daß es sich hier um eine Umschuldung der bestehenden Kreditkonten 7835 - 7865 auf die neuen Verträge 7853 und 7854 handelt. Somit ist der Saldo jeweils DM 620.000,- und hebt sich auf.
Die Entstehung der Kredite ist durch den Liquiditätsabfluß in die Privatsphäre und durch den hierdurch entstehenden Geldbedarf im betrieblichen Bereich begründet. Hierdurch ist in Anlehnung an das BFH-Urteil vom 4.7.1990 des Großen Senats des BFH eine betriebliche Veranlassung gegeben."
Das FA versagte den Abzug der Zinsen als Betriebsausgaben, ließ ihn aber in Höhe von 28 % von 36 493 DM als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu, da das Zweifamilienhaus zu 28 % fremdvermietet war. Die Investitionskredite seien im Hinblick auf die Umschuldung nur für private Zwecke verwendet worden.
Die Klage hatte keinen Erfolg.
1. Ausweislich vorliegender Kontoauszüge sei über das Ausgabenkonto Nr. 3462 auch ein im Streitjahr aufgenommenes Berlindarlehen von 100 000 DM zzgl. eines Disagios von 40 000 DM beglichen worden. Ferner seien von diesem Konto bereits 1988 Beiträge zum Notarversorgungswerk und Einkommensteuer gezahlt worden.
2. Zwar habe der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung anhand von Kontoauszügen dargelegt, daß die privaten Baudarlehen alle erst während des Streitjahres getilgt worden seien und daß die Investitionskredite entsprechend dem Schuldenstand auf dem Betriebsausgabenkonto (Nr. 3462) zu dessen Auffüllung abgerufen worden seien. Gleichwohl sei ein Fall der Entnahmefinanzierung gegeben.
3. Auch wenn man zugunsten der Kläger nicht von einer Entnahmefinanzierung ausgehe, sei in der im Streitfall vorliegenden Gestaltung ein Mißbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten zu sehen.
4. Im übrigen stände dem Abzug der Zinsen der verfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz entgegen.
Mit der vom Finanzgericht (FG) zugelassenen Revision rügen die Kläger Verletzung materiellen Rechts.
1. Entgegen der Auffassung des FG seien im Streitfall keine Entnahmen finanziert worden.
2. Durch die Investitionskredite seien die Kontokorrentkredite abgelöst worden. Die Kontoüberziehungen seien ausschließlich durch Betriebsausgaben verursacht worden.
Die Kläger beantragen, das angefochtene Urteil aufzuheben und der Klage stattzugeben.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
1. Der Große Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) habe in dem Beschluß vom 8. Dezember 1997 GrS 1-2/95 (BFHE 184, 7,BStBl II 1998, 193) das sog. Zweikonten-Modell anerkannt.
2. Da auch einzelne Privatentnahmen über das Konto abgewickelt worden seien, müsse der Anteil der abziehbaren Zinsen noch ermittelt werden.
II. Die Revision ist begründet; sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Das angefochtene Urteil verletzt § 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG); in welchem Umfang Zinsen als Betriebsausgaben abziehbar sind, läßt sich auf der Grundlage der vom FG getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilen.
1. Die für den Betriebsausgabenabzug gemäß § 4 Abs. 4 EStG erforderliche betriebliche Veranlassung von Schuldzinsen ist dann gegeben, wenn die Zinsen für eine Verbindlichkeit geleistet werden, die durch den Betrieb veranlaßt ist. Maßgeblich ist die tatsächliche Verwendung des Darlehens. Unbeachtlich ist, ob der Steuerpflichtige mit Darlehen finanzierte Aufwendungen auch durch Eigenmittel hätte bestreiten können, wie auch die Art der für das Darlehen eingeräumten Sicherheiten. Der betriebliche Charakter von Schulden ist auch dann anzunehmen, wenn der Unternehmer (z.B. zur Ablösung eines privaten Darlehens) dem Betrieb Barmittel zunächst entnimmt und im Anschluß hieran betriebliche Aufwendungen durch Darlehen finanziert. Diese Gestaltung ist weder mißbräuchlich noch verstößt ihre steuerrechtliche Anerkennung gegen Art. 3 des Grundgesetzes (vgl. BFH-Beschluß in BFHE 184, 7, BStBl II 1998, 193, insbesondere unter B. I. 5.; BFH-Urteile vom 19. März 1998 IV R 110/94, BFHE 186, 57, BStBl II 1998, 513; vom 22. April 1998 XI R 48/95, BFH/NV 1998, 1214).
2. Bei Anwendung dieser Grundsätze können --so auch die nunmehr übereinstimmende Auffassung der Beteiligten-- die Schuldzinsen für die Darlehen, die zur Umschuldung der über das Ausgabenkonto Nr. 3462 abgewickelten betrieblich veranlaßten Verbindlichkeiten verwendet wurden, grundsätzlich als Betriebsausgaben abgezogen werden. Das FA weist allerdings zutreffend darauf hin, daß nach den Feststellungen des FG auch privat veranlaßte Verbindlichkeiten über dieses Konto abgewickelt wurden. Zinsen, die auf diese Verbindlichkeiten entfallen, können nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden; der nicht abziehbare Anteil ist im Wege der Zinszahlenstaffelmethode oder durch Schätzung zu ermitteln (BFH-Urteil in BFHE 186, 57, BStBl II 1998, 513). Den Umfang dieser Verbindlichkeiten, auf den es bei seiner Rechtsauffassung nicht ankam, hat das FG nicht im einzelnen festgestellt. Die Sache mußte daher an das FG zurückverwiesen werden.
Ende der Entscheidung
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