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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 15.10.2009
Aktenzeichen: XI R 82/07
Rechtsgebiete: UStG, Richtlinie 77/388/EWG
Vorschriften:
UStG § 14 | |
UStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 | |
UStG § 15 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 | |
UStG § 15 Abs. 4 S. 2 | |
Richtlinie 77/388/EWG Art. 17 Abs. 2 |
Gründe:
I.
Streitig ist die Aufteilung von Vorsteuerbeträgen. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GbR, errichtete auf einem von ihr erworbenen Grundstück einen zweigeschossigen Anbau. Das Erdgeschoss vermietete sie ab 1. August 2002 für monatlich 1.570 EUR an Ärzte, die darin eine Arztpraxis einrichteten. Das Obergeschoss vermietete sie ebenfalls ab 1. August 2002 für monatlich 750 EUR unter Verzicht auf die Steuerbefreiung der Vermietungsumsätze an einen ihrer beiden Gesellschafter, der darin ein Ingenieurbüro unterhielt; weiterhin wurde die Vorauszahlung einer Nebenkostenpauschale vereinbart.
Ferner schloss die Klägerin mit einem benachbarten Apotheker eine Vereinbarung, wonach dieser für die Ansiedlung von Arztpraxen für einen beschränkten Zeitraum ein Entgelt zahlte. Dieses betrug im Jahr 2002 netto 4.414 EUR und im Jahr 2003 netto 10.596 EUR. Die Klägerin behandelte die Zahlungen als steuerpflichtig.
In den Umsatzsteuererklärungen für 2002 und 2003 machte sie Vorsteuerbeträge im Zusammenhang mit der Errichtung des Anbaus in Höhe von 25.795,83 EUR (2002) und 341,19 EUR (2003) geltend. Diese hatte sie anhand des Verhältnisses der steuerpflichtigen zu den steuerfreien Ausgangsumsätzen ermittelt, wobei sie die Zahlungen des Apothekers einbezog.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) stimmte der Umsatzsteuererklärung für 2002 zunächst zu. Unter dem Datum des 7. Oktober 2004 erließ er einen gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung geänderten Umsatzsteuerbescheid für 2002 sowie einen Erstbescheid für 2003, in denen er die Vorsteuerbeträge im Verhältnis der Nutzflächen aufteilte. Im Einspruchsverfahren wurde Einvernehmen über die Höhe der aufzuteilenden Vorsteuerbeträge (46.092,62 EUR in 2002 und 614,21 EUR in 2003) erzielt. Im Übrigen hatte der Einspruch keinen Erfolg.
Die Klägerin machte im Klageverfahren geltend, die Vorsteuerbeträge seien nach den mit dem Anbau erzielten Umsätzen aufzuteilen. Dabei seien auch die Zahlungen des Apothekers einzubeziehen. Diese seien an die Vermietung geknüpft und der Anbau wäre ohne die Vereinbarung mit dem Apotheker nicht errichtet worden.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt (die Entscheidung ist abgedruckt in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 260). Die Ansiedlung einer Arztpraxis in der Nähe der Apotheke gegen Entgelt sei eine umsatzsteuerpflichtige Leistung, die bei wirtschaftlicher Betrachtung als zusätzlicher mit der Gewerbefläche erzielter Umsatz erscheine und nicht gemäß § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) steuerbefreit sei. Die Vorsteuerbeträge teilte das FG im Verhältnis der steuerfreien Umsätze "Vermietung Arztpraxis" zu den steuerpflichtigen Umsätzen "Vermietung Ingenieurbüro und Zahlungen Apotheker" auf.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts. Es müsse auf das Verhältnis der mit dem bezogenen Gegenstand bewirkten Umsätze abgestellt werden. Dabei komme es nur auf die durch unmittelbare Nutzung erzielten und nicht auf eventuelle anlässlich der Nutzung anfallende weitere Erlöse an. Die Zahlungen des Apothekers seien daher nicht zu berücksichtigen.
Das FA beantragt,
die Vorentscheidung aufzuheben und die Streitsache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Die Klägerin hat sich nicht geäußert.
II.
Die Revision ist begründet. Die Vorentscheidung ist aufzuheben und die Klage ist abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Zahlungen des Apothekers sind zwar vom FG zu Recht als steuerpflichtig behandelt worden (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 20. Februar 1992 V R 107/87, BFHE 167, 567, BStBl II 1992, 705). Sie sind aber bei der Aufteilung der Vorsteuerbeträge nach einem Umsatzschlüssel nicht zu berücksichtigen, weil es an einem direkten und unmittelbaren Zusammenhang zwischen den Aufwendungen für den Bezug der Eingangsleistungen zur Errichtung des Anbaus und den Zahlungen des Apothekers fehlt.
1.
Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen.
a)
Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG ist der Vorsteuerabzug u.a. ausgeschlossen für die Lieferungen von Gegenständen sowie für sonstige Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet. Da der Anbau zur Ausführung teils steuerpflichtiger und teils steuerfreier Vermietungsumsätze verwendet wird, ist der nicht abziehbare Teil der Vorsteuerbeträge zu ermitteln, der den zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden Umsätzen wirtschaftlich zuzurechnen ist (§ 15 Abs. 4 Satz 1 UStG). Der Unternehmer kann die nicht abziehbaren Teilbeträge im Wege einer sachgerechten Schätzung ermitteln (§ 15 Abs. 4 Satz 2 UStG). Dabei ist es grundsätzlich Sache des Unternehmers, zu entscheiden, welche Schätzungsmethode er wählt; das FA --und damit auch das FG-- können aber nachprüfen, ob die Schätzung sachgerecht ist (vgl. BFH-Beschluss vom 3. Mai 2005 V B 200/04, BFH/NV 2005, 1641). Eine Aufteilung der Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der Ausgangsumsätze ist als sachgerechte Schätzung i.S. von § 15 Abs. 4 Satz 2 UStG anzuerkennen (vgl. BFH-Urteile vom 17. August 2001 V R 1/01, BFHE 196, 345, BStBl II 2002, 833, und vom 18. November 2004 V R 16/03, BFHE 208, 461, BStBl II 2005, 503).
b)
§ 15 UStG beruht auf Art. 17 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG). Nach Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG ist der Steuerpflichtige zum Vorsteuerabzug befugt, "soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden".
Aus dieser Formulierung ergibt sich nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH), dass grundsätzlich ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren Umsätzen der nachfolgenden Stufe, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, bestehen muss, damit der Steuerpflichtige zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Die Aufwendungen für den Bezug der Eingangsleistungen müssen Teil der Kosten der zum Abzug berechtigenden Ausgangsumsätze sein, für die die Gegenstände und Dienstleistungen verwendet werden (vgl. EuGH-Urteil vom 8. Juni 2000 Rs. C-98/98 --Midland Bank--, Slg. 2000, I-4177, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2000, 342, Randnrn. 20 f. und 30).
Mit diesen Grundsätzen ist das vom FG herangezogene Prinzip der wirtschaftlichen Zurechnung von Eingangsumsätzen mit Vorrang einer wirtschaftlichen Denkweise vor einer sog. gegenständlichen Zurechnung nicht vereinbar (vgl. BFH-Urteile in BFHE 196, 345, BStBl II 2002, 833, unter II.1.a, und vom 9. November 2006 V R 9/04, BFHE 215, 372, BStBl II 2007, 285, unter II.1.b aa).
2.
Die Zahlungen des Apothekers stehen im Streitfall in keinem direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit den Aufwendungen zur Errichtung des Anbaus.
Die Aufwendungen für die Errichtung des Anbaus stehen vielmehr in einem direkten und unmittelbaren Zusammenhang nur mit den Entgelten, die aus der Vermietung von Räumen des Anbaus an das Ingenieurbüro bzw. an die Ärzte erzielt wurden. Dass die von der Klägerin gegenüber dem Apotheker erbrachte Leistung einer dauerhaften Ansiedlung einer Arztpraxis nicht ohne die vorherige Errichtung des Anbaus möglich war, begründet einen lediglich mittelbaren Zusammenhang.
Unerheblich ist auch, dass die Klägerin bereits von Anbeginn die Zahlungen des Apothekers in ihre Investitionsentscheidung einstellte. Denn insoweit handelt es sich nur um einen (mit)verfolgten Zweck, auf den es nach der Rechtsprechung letztlich nicht ankommt (vgl. EuGH-Urteil in Slg. 2000, I-4177, UR 2000, 342, Randnr. 20).
3.
Die Zahlungen des Apothekers sind daher entgegen der Auffassung des FG bei der Aufteilung der bei den Eingangsumsätzen angefallenen Vorsteuerbeträge nach einem Umsatzschlüssel nicht zu berücksichtigen. Ausgehend von den Feststellungen des FG errechnen sich die abziehbaren Vorsteuerbeträge danach wie folgt:
2002 | 2003 | |
steuerfreie Umsätze | ||
Arztpraxis | 5 x 1.570 EUR = 7.850 EUR | 12 x 1.570 EUR =18.840 EUR |
steuerpflichtige Umsätze | ||
Ingenieurbüro | 5 x 750 EUR = 3.750 EUR | 12 x 750 EUR = 9.000 EUR |
Umsätze insgesamt | 11.600 EUR | 27.840 EUR |
Anteil steuerfreier Umsätze | 67,67% | 67,67% |
Anteil steuerpflichtiger Umsätze | 32,33% | 32,33% |
aufzuteilende Vorsteuerbeträge | 46.092,62 EUR | 614,21 EUR |
abzugsfähig 32,33 v.H. | 14.901,74 EUR | 198,57 EUR |
Vorsteuern lt. FA | 15.308,58 EUR | 204,71 EUR |
Nachdem das FA bereits höhere Vorsteuerbeträge berücksichtigt hat und das FG die Zahlungen des Apothekers zu Recht als steuerpflichtig behandelt hat, war die Klage auf Abzug weiterer Vorsteuerbeträge abzuweisen.
Ende der Entscheidung
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