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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 10.03.1999
Aktenzeichen: XI R 86/95
Rechtsgebiete: EStG
Vorschriften:
EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1 | |
EStG § 6 |
Rechtsanwaltskosten, die ein Steuerpflichtiger aufwendet, um die Zustimmung seines geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden unbeschränkt steuerpflichtigen Ehegatten zum sog. begrenzten Realsplitting (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG) zu erlangen, sind keine Steuerberatungskosten i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG.
EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1, 6
Urteil vom 10. März 1999 - XI R 86/95 -
Vorinstanz: Hessisches FG (EFG 1996, 20)
Gründe
I.
Der als Steuerberater nichtselbständig tätige Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) wurde im Jahr 1986 geschieden. Er führte einen Zivilrechtsstreit mit dem Ziel, die Zustimmung der unterhaltsberechtigten geschiedenen Ehefrau zum begrenzten Realsplitting nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu erhalten. Der Rechtsstreit endete mit einem vor dem Berufungsgericht geschlossenen Vergleich, in dem sich die geschiedene Ehefrau des Klägers verpflichtete, seinen Anträgen auf Abzug der an sie erbrachten Unterhaltsleistungen als Sonderausgaben zuzustimmen. In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr (1988) machte der Kläger die ihm durch den Zivilrechtsstreit entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2 013 DM als Steuerberatungskosten i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG geltend.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) ließ den Abzug als Sonderausgaben nicht zu. Der Einspruch des Klägers hatte keinen Erfolg. Während des anschließenden Klageverfahrens erließ das FA einen geänderten Bescheid, mit dem die Steuerfestsetzung 1988 u.a. wegen der Höhe der Kinderfreibeträge (§ 32 Abs. 6 EStG) für vorläufig erklärt wurde. Das FA wies den Einspruch des Klägers gegen den geänderten Bescheid mit Einspruchsentscheidung vom 7. März 1994 als unbegründet zurück.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1996, 20 veröffentlicht. Das FG führte aus, § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG sei weit auszulegen. Nach der Entstehungsgeschichte und dem Zweck der Vorschrift sollten unvermeidbare Privatausgaben steuermindernd berücksichtigt werden, die einem Steuerpflichtigen dadurch entstünden, daß er wegen der Schwierigkeit und Unübersichtlichkeit des Steuerrechts fremde Hilfe zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten oder zur Wahrung seiner steuerlichen Rechte in Anspruch nehme.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts. Es legt dar, der vom Kläger geltend gemachte Aufwand diene allenfalls mittelbar der Ermittlung von Besteuerungsgrundlagen. Ein unmittelbarer sachlicher Zusammenhang mit dem Besteuerungsverfahren bestehe nicht. Die Aufwendungen seien durch die gerichtliche Geltendmachung eines zivilrechtlichen Anspruchs verursacht; deshalb handele es sich nicht um Steuerberatungskosten.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Zu Unrecht hat das FG entschieden, die dem Kläger entstandenen Rechtsanwaltskosten seien Steuerberatungskosten i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG.
1. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung umfaßt der Begriff Steuerberatungskosten die Aufwendungen, die dem Steuerpflichtigen dadurch entstehen, daß er zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten und zur Wahrnehmung seiner steuerlichen Rechte fremde Hilfe in Anspruch nimmt. § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG trägt dabei dem Umstand Rechnung, daß dem Steuerpflichtigen im Besteuerungsverfahren zur Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen Pflichten auferlegt und Rechte eingeräumt sind, die er wegen der Schwierigkeit und Unübersichtlichkeit des Steuerrechts ohne fremde Hilfe häufig nicht ohne weiteres erfüllen bzw. wahrnehmen kann (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 23. Mai 1989 X R 6/85, BFHE 157, 512, BStBl II 1989, 865; vom 12. Juli 1989 X R 35/86, BFHE 157, 559, BStBl II 1989, 967, und vom 20. September 1989 X R 43/86, BFHE 158, 356, BStBl II 1990, 20).
Nach der Gesetzesbegründung der Vorschrift sollen Steuerpflichtige die Möglichkeit haben, die ihnen durch eine Steuerberatung erwachsenen Kosten bei der Ermittlung des Einkommens abzuziehen. Die Regelung gilt insbesondere für Beratungskosten, die unmittelbar die Höhe der nach § 12 Nr. 3 EStG nicht abziehbaren Einkommensteuer betreffen (BTDrucks IV/3189, S. 6). Anliegen des Gesetzgebers war es daher nicht, schlechthin sämtliche von einem Angehörigen der rechts- und steuerberatenden Berufe für Beratung in Steuerfragen in Rechnung gestellten Honorare als Sonderausgaben zu qualifizieren. § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG rechtfertigt nur den Abzug von Beratungsaufwendungen, die in sachlichem Zusammenhang mit dem Besteuerungsverfahren selbst stehen (BFH-Urteil in BFHE 158, 356, BStBl II 1990, 20).
2. Die dem Kläger entstandenen Rechtsanwaltskosten sind keine Steuerberatungskosten i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG.
a) Die Kosten sind nicht entstanden, weil der Kläger steuerlich beraten wurde. Ihre Ursache liegt vielmehr in der Durchsetzung des zivilrechtlichen Anspruchs des Klägers gegen seine geschiedene Ehefrau auf Abgabe einer Willenserklärung, um die ihr gezahlten Unterhaltsleistungen als Sonderausgaben im Rahmen des § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG abziehen zu können (vgl. dazu BFH-Urteil vom 25. Oktober 1988 IX R 53/84, BFHE 155, 99, BStBl II 1989, 192). Daß dieser Abzug vom Ausgang des zivilrechtlichen Verfahrens abhängt, reicht nicht aus, die Anwaltskosten den Kosten der Beratung im Besteuerungsverfahren zuzuordnen.
b) Die streitigen Kosten sind auch nicht --wie beispielsweise die Fahrtkosten zum Steuerberater (vgl. BFH-Urteil in BFHE 157, 559, BStBl II 1989, 967)-- durch die Steuerberatung veranlaßt, sondern durch die Inanspruchnahme des Sonderausgabenabzugs nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Sie stehen hiermit in unmittelbarem Zusammenhang. Da der Abzug nach dieser Vorschrift auf Unterhaltsleistungen an den geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden Ehegatten beschränkt ist, können die Anwaltskosten weder hiernach noch i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG als Sonderausgaben abgezogen werden. Es handelt sich insoweit um Nebenkosten, die selbst keine Sonderausgaben sind (vgl. BFH-Urteil vom 22. März 1957 VI 102/55 U, BFHE 64, 511, BStBl III 1957, 191).
c) Der im Schrifttum vertretenen abweichenden Auffassung (vgl. Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, § 10 Rz. 111; Blümich/Hutter, Einkommensteuergesetz, § 10 Rz. 498; Nolde in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 21. Aufl. § 10 EStG Anm. 263; Söhn in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 10 Rdnr. I7, 63) kann der Senat aus den dargelegten Gründen nicht folgen.
3. Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen. Die Vorentscheidung ist aufzuheben und die Klage abzuweisen.
4. Im Hinblick auf die Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 10. November 1998 2 BvL 42/93, 2 BvR 1220/93, 2 BvR 1852, 1853/97 (abgedruckt in Betriebs-Berater, Beilage 3/1999 zu Heft 6) weist der Senat darauf hin, daß die angefochtenen Steuerbescheide hinsichtlich der Kinderfreibeträge vorläufig ergangen sind (§ 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und 3 AO 1977).
Ende der Entscheidung
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