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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 19.10.2001
Aktenzeichen: XI S 27/01
Rechtsgebiete: ZPO, AO 1977, FGO, GKG


Vorschriften:

ZPO § 114
AO 1977 § 357 Abs. 1
AO 1977 § 110 Abs. 3
FGO § 142 Abs. 1
FGO § 116 a.F.
FGO § 115 Abs. 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
GKG § 11 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der im Streitjahr 1988 nicht in A ansässige Antragsteller unterhielt in A einen Gewerbebetrieb. Nachdem er in seiner Erklärung zur gesonderten Feststellung für 1988 weder Angaben über seine Einkünfte gemacht, noch der Erklärung Unterlagen beigefügt hatte, schätzte der Beklagte und Rechtsmittelgegner (das Betriebsstätten-Finanzamt --FA--) mit (endgültigem) Feststellungsbescheid vom 5. April 1990 den Gewinn des Antragstellers auf 15 910 DM. Auf der Grundlage dieser Feststellung erließ das für den Antragsteller seinerzeit zuständige Wohnsitz-FA einen entsprechenden (Schätzungs-)Bescheid für Einkommensteuer 1988.

Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) fertigte der Antragsteller ein Einspruchsschreiben betreffend Einkommensteuerbescheid 1988, das dem Wohnsitz-FA jedoch ebenso wenig im Original zuging wie ein hierauf gerichtetes späteres Erinnerungsschreiben des Antragstellers. In Sachen Einkommensteuer 1988 wurde daher weder ein Rechtsbehelfs- noch ein Klageverfahren durchgeführt. Mit Schreiben vom 5. Februar 1998, das dem zwischenzeitlich örtlich zuständigen Wohnsitz-FA N zuging, machte der Antragsteller Einwendungen gegen die Verrechnung eines Steuerguthabens für das Jahr 1997 mit dem Einkommensteuerrückstand 1988 geltend. In diesem Zusammenhang übersandte er die Kopien des oben bezeichneten Einspruchs- bzw. Erinnerungsschreibens. Dort führte der Antragsteller aus, ihm sei für das Jahr 1988 ein Verlust von 20 000 DM entstanden; er habe entsprechende Unterlagen dem Betriebsstätten-FA vorgelegt.

Der Antragsteller erhob gegen den Gewinnfeststellungsbescheid 1988 vom 5. April 1990 mit Schreiben vom 3. April 1998 Klage vor dem FG mit dem Antrag festzustellen, dass wegen eines Verlusts in Höhe von 20 000 DM für 1988 keine Einkommensteuerschuld bestehe. Er habe im Sommer 1989 persönlich beim FA die für den Verlust wesentlichen Reparaturrechnungen vorgelegt. Diese seien kopiert und zu den Akten genommen worden. Auch habe er gegen den Gewinnfeststellungsbescheid vom 5. April 1990 im Rahmen eines Besuchs beim FA persönlich Einspruch eingelegt. Auf dem Originalsteuerbescheid habe er dies, wenn auch ohne Datumsangabe, schriftlich vermerkt.

Das FG wies die Feststellungsklage als unbegründet ab, weil die gerügte örtliche Unzuständigkeit, selbst wenn sie zu bejahen sein sollte, den Gewinnfeststellungsbescheid nicht nichtig mache. Die Anfechtungsklage sei mangels Vorverfahrens unzulässig (§ 44 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Der Antragsteller habe gegen den streitgegenständlichen Bescheid weder fristgerecht noch wirksam Einspruch eingelegt. Zwar ergebe sich aus den Umsatzsteuerakten, dass er im Sommer 1989 das beklagte FA aufgesucht habe. Zur Diskussion habe seinerzeit aber nur die Berechtigung zum Vorsteuerabzug gestanden. Dieser Besuch stehe in keinem Zusammenhang mit der streitigen Gewinnfeststellung, da zu dieser Zeit der Gewinnfeststellungsbescheid vom 5. April 1990 noch nicht ergangen gewesen sei. Nach eigenen Angaben habe der Antragsteller mit dem FA erst wieder nach Ergehen des Einkommensteuerbescheides für 1988 am 21. Juni 1991, also nach Ablauf der Einspruchsfrist gegen den Gewinnfeststellungsbescheid Kontakt aufgenommen.

Die Steuerakten des FA belegten auch keinen (später) "persönlich" eingelegten Einspruch. Insbesondere sei keine Niederschrift gemäß § 357 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) gefertigt worden. Aus diesem Grund komme es letztlich auch nicht auf die Rechtzeitigkeit eines Rechtsbehelfs an. Beweise müssten daher nicht erhoben werden. Selbst wenn die Anfertigung einer Niederschrift über einen persönlich eingelegten Einspruch ohne Verschulden des Antragstellers unterblieben sei, komme wegen Ablaufs der Jahresfrist des § 110 Abs. 3 AO 1977 keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht.

Gegen das Urteil hat der Antragsteller persönlich Revision und Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Ferner hat er innerhalb der Rechtsmittelfrist Antrag auf Prozesskostenhilfe (PKH) unter Vorlage der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beantragt. Er bestreitet das Vorliegen einer in seinem Fall einschlägigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH). Da er rechtsunkundig sei, benötige er einen Rechtsanwalt.

II. Der Antrag ist abzulehnen.

Gemäß § 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 114 der Zivilprozeßordnung (ZPO) wird einem Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH gewährt, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Wird Antrag auf PKH für ein Rechtsmittelverfahren gestellt, so muss das angestrebte Rechtsmittel statthaft, ggf. zulässig sein. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt.

1. Gegen Urteile, die nach dem 31. Dezember 2000 verkündet oder von Amts wegen zugestellt worden sind, ist eine Revision ohne Zulassung durch FG oder BFH nicht mehr statthaft (vgl. Art. 4 des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze --2.FGOÄndG-- vom 19. Dezember 2000, BGBl I 2000, 1757). Die zulassungsfreie Revision gemäß § 116 FGO a.F. ist ersatzlos weggefallen.

2. Auch eine Nichtzulassungsbeschwerde kann unter Berücksichtigung der Darlegungen des Antragstellers und der Ausführungen in der Vorentscheidung keine hinreichende Erfolgsaussicht haben, weil keiner der in § 115 Abs. 2 FGO genannten Zulassungsgründe ersichtlich ist (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 30. September 1999 VII S 5/99, BFH/NV 2000, 454).

a) Bei der in diesem Verfahren gebotenen summarischen Überprüfung kann eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO nicht festgestellt werden. Die entscheidungserhebliche Frage, ob der Antragsteller (fristgerecht) Einspruch gegen den Gewinnfeststellungsbescheid 1988 eingelegt hat, ist eine Tat- und keine von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO vorausgesetzte Rechtsfrage (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 25. November 1999 I B 37/99, BFH/NV 2000, 729). Die Rechtsfrage, ob vom Vorliegen eines Einspruchs ausgegangen werden kann, wenn das FA schuldhaft die Protokollierung eines zur Niederschrift erklärten Einspruchs unterlässt, hat mangels Klärungsbedarfs keine grundsätzliche Bedeutung. Sie ist zu verneinen (vgl. BFH-Beschluss vom 6. Oktober 1993 X B 85-86/93, BFH/NV 1994, 680). Die damit im Streitfall entscheidungserhebliche Frage, ob die Jahresfrist des § 110 Abs. 3 AO 1977 eingehalten wurde, ist wiederum eine nur den Einzelfall betreffende Tatfrage.

b) Es ist auch nicht ersichtlich, inwieweit eine Entscheidung des BFH im streitgegenständlichen Verfahren i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich sein könnte. Da sich das FG hinsichtlich der Frage, welche Rechtsfolgen bei einer vom FA schuldhaft unterlassenen Niederschrift eines persönlich eingelegten Einspruchs ausdrücklich auf die Entscheidung des BFH in BFH/NV 1994, 680 gestützt hat, ist insbesondere keine Erfolg versprechende Divergenzrüge zu erwarten.

c) Soweit der Antragsteller im Beschwerdeverfahren möglicherweise mangelnde Sachaufklärung (Nichterhebung von Beweisen) rügen könnte, käme es auf diesen Verfahrensfehler nicht an. Ausweislich des Urteils hat der Antragsteller zwar Beweiserhebung zur fristgemäßen Einspruchseinlegung beantragt. Sollte das FG diesem Antrag zu Unrecht nicht entsprochen haben, so könnte gleichwohl die Vorentscheidung nicht auf diesem Verfahrensfehler beruhen (vgl. § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Nachdem feststeht, dass über einen Einspruch des Antragstellers keine Niederschrift i.S. des § 357 Abs. 1 AO 1977 gefertigt wurde, kommt es auf die Frage, ob ein Einspruch mündlich fristgerecht eingelegt worden ist, nicht mehr an.

d) Anhaltspunkte für eine Revisionszulassung betreffend Feststellung der Nichtigkeit sind nicht erkennbar. Eine örtliche Unzuständigkeit macht einen Bescheid grundsätzlich ebenso wenig nichtig wie eine nicht offenkundig unrichtige Schätzung (§§ 125 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 AO 1977).

3. Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen; Gerichtsgebühren sind nicht entstanden (§ 142 FGO i.V.m. § 118 Abs. 1 Sätze 4 und 5 ZPO; § 1 Abs. 1 Buchst. c i.V.m. § 11 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes).

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