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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 15.04.1999
Aktenzeichen: 1 StR 116/99
Rechtsgebiete: StPO
Vorschriften:
StPO § 349 Abs. 2 u. 4 | |
StPO § 464 Abs. 2 |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom
15. April 1999
in der Strafsache
gegen
wegen Strafvereitelung im Amt u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. April 1999 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen :
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 11. Dezember 1998 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) soweit der Angeklagte im Fall II. 1. der Urteilsgründe wegen Strafvereitelung im Amt verurteilt worden ist,
b) im Ausspruch über die Gesamtgeldstrafe.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
4. Die Formel des Urteils des Landgerichts Konstanz wird wie folgt ergänzt: Soweit der Angeklagte im Fall II. 2. der Urteilsgründe wegen Vorteilsannahme verurteilt worden ist, trägt der Angeklagte die Kosten des Verfahrens.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Strafvereitelung im Amt und wegen Vorteilsannahme zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 20,00 DM verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision des Angeklagten, die auf Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützt ist. Das Rechtsmittel hat teilweise Erfolg.
I.
Die Verurteilung des Angeklagten wegen Strafvereitelung im Amt (Fall II.1.) ist auf die Sachbeschwerde aufzuheben; die Verfahrensrügen bedürfen keiner Erörterung. Soweit sich die Revision gegen die Verurteilung wegen Vorteilsannahme (Fall II. 2.) richtet, deckt sie keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
1. Das Landgericht hat festgestellt:
Zu den dienstlichen Aufgaben des Angeklagten als Sozialbetreuer im Asylbewerberheim der Stadt R. gehörte u.a. die Überwachung von freier Arbeit, die Verurteilte dort zur Abwendung der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen verrichten können. Im November 1994 wurde dem Angeklagten der wegen eines Vergehens gegen das Sprengstoffgesetz zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen verurteilte K. zur Ableistung von 300 Stunden freier Arbeit zugewiesen. Im März 1995 teilte der Angeklagte der als Vollstreckungsbehörde zuständigen Staatsanwaltschaft Waldshut-Tiengen schriftlich mit, der Verurteilte habe die 300 Stunden freie Arbeit abgeleistet. Die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe wurde daraufhin für erledigt erklärt. An Reinigungs- und Renovierungsarbeiten hatte K. tatsächlich nur 200 Stunden verrichtet.
2. Die Überzeugungsbildung, aufgrund der das Landgericht die Einlassung des Angeklagten als widerlegt ansieht, hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
a) Der Angeklagte hat angegeben, es habe Anlaß für Gespräche mit K. zu Beginn des Einsatzes in dem Asylbewerberheim gegeben, weil dieser wegen eines aus rechtsradikaler Gesinnung verübten Rohrbombenanschlags auf eine andere Asylbewerberunterkunft bestraft worden sei. Aus Ekel vor solchen Einrichtungen sei er am ersten Tag der freien Arbeit mit einer Gasmaske erschienen. Deshalb habe er mit ihm über seine Einstellung zur Ausländerproblematik und seine berufliche Zukunft gesprochen und ihm Unterlagen zu Asylfragen gegeben und mit ihm durchgesehen. Diese Unterredungen hätten insgesamt 100 Stunden gedauert. Da die Zeit der Einweisung bei der Zahl der geleisteten Stunden angerechnet werde, habe er diese als freie Arbeit angesehen. Er habe sich zu der Frage der Anrechnung nicht mit der Vollstreckungsbehörde, wohl aber mit dem Gerichtshelfer Ro. von der Staatsanwaltschaft Konstanz in Verbindung gesetzt.
Der Zeuge Ro. hat die Anfrage und den Zweck der Einführungsgespräche bestätigt. Er hat dem Angeklagten gegenüber keine Bedenken gegen die Anrechnung der Stunden geäußert. Dabei sei er davon ausgegangen, daß der Verurteilte eine rechtsradikale Gesinnung hatte. Deren Beeinflussung sei sinnvoll gewesen, da von dem Verurteilten während der Tätigkeit Gefahren gegenüber den Heimbewohnern hätten ausgehen können. Er selbst war ebenfalls dienstlich mit dem Fall befaßt. Nach den Urteilsfeststellungen war er als Gerichtshelfer der Staatsanwaltschaft Konstanz von der für die Vollstreckung der Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe zuständigen Staatsanwaltschaft für die Zuweisung und die Auswahl einer Einrichtung für die freie Arbeit eingeschaltet worden, nachdem der Zeuge K. in den Bezirk der Staatsanwaltschaft Konstanz verzogen war. Er hatte dem Verurteilten mehrere mögliche Einsatzstellen - darunter auch das Asylbewerberheim - genannt, das dieser schließlich auswählte.
Für die Einlassung des Angeklagten spricht, daß der Angeklagte ein bestehendes sozialarbeiterisch begründetes Interesse an Einweisungsgesprächen weit vor dem gegen ihn gerichteten Strafverfahren mit dem für die Zuweisung des Verurteilten zuständigen Gerichtshelfer erörtert hat. Das Urteil verhält sich nicht dazu, inwieweit der Zeuge Ro. über eigene dienstliche Erkenntnisse über den Verurteilten verfügte oder ob er sich auf die Informationen des Angeklagten verlassen hat. Jedenfalls hätte die Strafkammer das rein dienstliche Interesse bei der Bewertung der Einlassung des Angeklagten stärker gewichten müssen, da sie außerdienstliche Interessen zu Lasten des Angeklagten nicht festgestellt hat.
b) Die Strafkammer sieht demgegenüber die Einlassung im wesentlichen als widerlegt an, weil der Verurteilte K. in der Hauptverhandlung als Zeuge einen glaubwürdigen Eindruck hinterlassen hat. Bei dieser Sachlage hätte es jedoch einer vertieften Auseinandersetzung mit der Einlassung des Angeklagten und der des Zeugen K. bedurft. Die Urteilsgründe werden diesen Anforderungen nicht gerecht.
Die Strafkammer hat nicht ausreichend berücksichtigt, daß der Zeuge K. angegeben hat, der Angeklagte habe mit ihm 40 Stunden über die Probleme der Insassen und zehn Stunden über private Angelegenheiten diskutiert, ohne daß über eine Anrechnung dieser Zeit gesprochen worden sei. Diese Aussage bestätigt zwar nicht den gesamten Umfang, aber doch den Anlaß und den Inhalt der Gespräche und damit den Kern der Einlassung des Angeklagten. Die Urteilsgründe sind unzureichend, wenn die Strafkammer dennoch ohne weitere Darlegungen zu der Überzeugung gelangt, der Zeuge K. habe keine rechtsradikale Einstellung und es habe keinen sinnvollen Grund für die Einführungsgespräche gegeben.
Die Strafkammer glaubt vielmehr dem Zeugen, soweit dieser ausgesagt hat, "er sei - auch früher - absolut kein Rechtsextremist". Sie teilt aber nicht mit, an Hand welcher Tatsachen sie den Gehalt dieser Aussage überprüft hat. Hinsichtlich der Straftat, die der Verurteilung zugrunde lag, nimmt die Kammer dem Zeugen ab, er habe eine Rohrbombe gebastelt, ohne sich bereits über deren Verwendungszweck klar gewesen zu sein. Sie begründet dies damit, der Zeuge könne nur für diese Tatausführung verurteilt worden sein, weil "bei einem Anschlag auf ein Asylbewerberheim eine weit höhere Strafe verhängt worden" wäre. Der Beweiswert dieser Schlußfolgerung ohne Kenntnis des persönlichen Hintergrundes und der Beweislage des früheren Strafverfahrens ist eher gering. Ein rechtsradikaler Hintergrund kann so nicht ausgeschlossen werden. Auch ist zu besorgen, daß die Kammer dabei nicht ausreichend die Tatsache gewürdigt hat, daß der Zeuge K. bei den Reinigungsarbeiten eine Gasmaske getragen hat. Hierzu fehlt eine Auseinandersetzung, ob darin - wie der Angeklagte annimmt - eine auf rechtsradikale Gesinnung zurückgehende Provokation der Asylbewerber zu sehen war. In der neuen Hauptverhandlung wird zu klären sein, ob der Zeuge die Gasmaske - wie vom Angeklagten angegeben - am ersten Tag oder erst einige Tage später bei der Arbeit aufgesetzt hat und ob der vom Zeugen für das Tragen angegebene Grund tragfähig ist.
II.
1. Unabhängig von der Frage, ob der Angeklagte annahm, die Straftat des Zeugen K. habe keinen rechtsradikalen Hintergrund gehabt, wird die Strafkammer den der Verurteilung zugrunde liegende Schuldumfang zu überprüfen haben. Sie hat bisher die Höhe der gegen den Angeklagten verhängten Geldstrafe danach bemessen, daß der verurteilte Zeuge K. zu einem Drittel der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe entzogen worden ist. Die Urteilsgründe verhalten sich nicht dazu, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang eine Anrechnung der vom Angeklagten und dem Gerichtshelfer Ro. für sinnvoll gehaltenen Einweisungsstunden nach der Verordnung des Justizministeriums über die Abwendung der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen durch freie Arbeit vom 2. Juli 1986 (BWGBl. 1986 S. 291 ff.) durch die Vollstreckungsbehörde hätte erfolgen können. Unter Umständen kommt insoweit, als rund 50 von 100 Stunden einem vertretbaren Zweck dienten, ein den Vorsatz ausschließender Irrtum über Tatumstände in Betracht.
2. Soweit die Strafkammer keine Kostenentscheidung getroffen hat, obwohl das angefochtene Urteil bei teilweiser Erledigung der Anklage nach § 464 Abs. 2 StPO eine abschließende Entscheidung darstellt, holt der Senat diese für den rechtskräftig gewordenen Fall II. 2. der Urteilsgründe nach.
Ende der Entscheidung
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