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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 08.08.2001
Aktenzeichen: 1 StR 139/01
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 64
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 StR 139/01

vom

8. August 2001

in der Strafsache

gegen

wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 8. August 2001, an der teilgenommen haben:

Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Schäfer und die Richter am Bundesgerichtshof Nack, Schluckebier, Hebenstreit, Schaal,

Staatsanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft,

Rechtsanwalt und Rechtsanwalt als Verteidiger,

Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 7. Dezember 2000 wird verworfen.

Der Angeklagte trägt die Kosten des Rechtsmittels.

Von Rechts wegen

Gründe:

I.

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in sechs Fällen und unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen - davon zwei Fälle in Tateinheit mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge - zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und zehn Monaten verurteilt. Vom Vorwurf des gewerbsmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in vier weiteren Fällen hat es den Angeklagten freigesprochen. Mit seiner Revision erhebt der Angeklagte die allgemeine Sachrüge. Die Überprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler ergeben. Insbesondere ist entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts nicht zu beanstanden, daß die Strafkammer die Möglichkeit einer Unterbringungsanordnung gemäß § 64 StGB nicht erörtert hat.

II.

1. Allerdings hatte der Angeklagte nach den Feststellungen des Landgerichts seit 30 Jahren immer wieder Drogen konsumiert. Er ist mehrfach wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz vorbestraft. Soweit diese Verurteilungen ausdrücklich im Zusammenhang mit Eigenkonsum des Angeklagten stehen, lag ihnen ausschließlich der Umgang mit Haschisch zugrunde. Der Drogengebrauch des Angeklagten steigerte sich zunehmend. Im Tatzeitraum zwischen Januar und Juli 1999 schnupfte und rauchte er teilweise im Übermaß Kokain, er nahm Haschisch und in geringerem Umfang auch Amphetamin und Ecstasy. Die konkret konsumierten Mengen blieben unbekannt. Der Angeklagte bediente sich der Drogen, "um sich auf seine Art auszuleben" (UA S. 22). Dabei achtete er darauf, nicht in eine gravierende Abhängigkeit zu geraten, um seiner Erwerbstätigkeit - Handel mit Autos, Ersatzteilen und Drogen - weiterhin nachgehen zu können. Die Rauschzustände hielten nur kurz an. Die Straftaten selbst beging der Angeklagte entweder überhaupt nicht oder nicht in einem akuten Rausch. Zwar durchlebte er zeitweise Zustände mit paranoiden Vorstellungen, der Drogenkonsum beeinträchtigte seine Steuerungsfähigkeit jedoch nicht (UA S. 22), führte auch nicht zu einer Persönlichkeitsveränderung. Noch vor seiner Festnahme am 16. März 2000 in Spanien gelang es ihm im wesentlichen ohne fremde Hilfe innerhalb von drei Wochen von den Betäubungsmitteln loszukommen. Abgesehen von einem Rückfall mit Haschisch in der spanischen Untersuchungshaft nahm er seitdem, zumindest aber seit seiner Auslieferung an die Bundesrepublik am 23. Mai 2000, keine Betäubungsmittel mehr.

2. Nach diesen Feststellungen lag es nicht nahe, daß beim Angeklagten im Zeitpunkt der Verurteilung noch ein Hang bestand, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, was Voraussetzung einer Unterbringung gemäß § 64 StGB wäre (BGHR StGB § 64 Abs. 1 Hang 1).

a) Es kann dahingestellt bleiben, ob bei dem Angeklagten - unbeschadet seiner subjektiven Einschätzung - überhaupt eine einen Hang im Sinne des § 64 StGB begründende, ausgeprägte Betäubungsmittelabhängigkeit vorgelegen hat. Sie ist zwar nicht nur bei einer chronischen, auf körperlicher Sucht beruhenden Abhängigkeit gegeben. Vielmehr genügt eine eingewurzelte, aufgrund psychischer Disposition bestehende oder durch Übung erworbene intensive Neigung, immer wieder Alkohol oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen (BGHR StGB § 64 Abs. 1 Hang 4; Tröndle/Fischer StGB 50. Aufl. § 64 Rdn. 3). Erforderlich ist jedoch ein Mißbrauch, der den Grad psychischer Abhängigkeit erreicht (ständige Rechtsprechung, vgl. nur: BGHR StGB § 64 Abs. 1 Hang 1 und 5; BGH NJW 1995, 3131, 3133, insoweit in NStZ 1996, 83 nicht abgedruckt; Hanack in LK StGB 11. Aufl. § 64 Rdn. 40; Stree in Schönke/Schröder StGB 26. Aufl. § 64 Rdn. 3; Lackner StGB 23. Aufl. § 64 Rdn. 2). Es spricht wenig dafür, daß die Neigung des Angeklagten diese Intensität erreicht hatte, da er darauf achtete, nicht in eine gravierende Abhängigkeit zu geraten, und es ihm aus eigenem Antrieb ohne erhebliche fremde Hilfe innerhalb kurzer Zeit gelang, den Drogenkonsum aufzugeben. Diese Umstände deuten darauf hin, daß der Angeklagte noch in der Lage war, kontrolliert mit Betäubungsmitteln umzugehen (vgl. BGH NJW 1995, 3131, 3133).

b) Es fehlt aber jedenfalls jeder Anhaltspunkt dafür, daß der Angeklagte noch immer im Sinne eines süchtigen Verhaltens zu übermäßigem Betäubungsmittelgenuß neigt (vgl. BGHR StGB § 64 Ablehnung 10, insoweit in NStZ 1994, 39 nicht abgedruckt). Nachdem er noch vor seiner Inhaftierung selbständig eine Entziehung durchgeführt hatte, konsumierte er - von einem einmaligen Rückfall abgesehen - keinerlei Drogen. Allein sein Wunsch nach einer ambulanten Drogentherapie (UA S. 36) läßt nicht auf ein weiter bestehendes süchtiges Verhalten schließen.

Eine Prüfung der Unterbringungsanordnung drängte sich dem Tatrichter daher nicht auf (BGHR StGB § 64 Ablehnung 5), so daß Erörterungen soweit nicht erforderlich waren.



Ende der Entscheidung

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