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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 06.07.1999
Aktenzeichen: 1 StR 142/99
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 4
StPO § 143
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

1 StR 142/99

vom

6. Juli 1999

in der Strafsache

gegen

wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. Juli 1999 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:

1. Dem Angeklagten wird auf seinen Antrag gegen die Versäumung der Frist zur weiteren Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 14. Januar 1999 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

Die Kosten der Wiedereinsetzung trägt der Angeklagte.

2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorbezeichnete Urteil mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen Urkundenfälschung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Die gegen dieses Urteil gerichtete Revision des Angeklagten hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.

Der Rüge liegt folgendes Prozeßgeschehen zugrunde: Dem Angeklagten war am 5. November 1998 ein Pflichtverteidiger bestellt worden. Mit diesem hatte der Kammervorsitzende als Hauptverhandlungstermine den 13. und 14. Januar 1999 abgesprochen. Nachdem sich am 24. November 1998 ein Wahlverteidiger gemeldet hatte, erhielt dieser am 3. Dezember 1998 die Ladung zu den genannten Terminen. Mit Schriftsatz vom selben Tag beantragte er, die Termine aufzuheben, da er an ihnen wegen im einzelnen bezeichneter anderer Gerichtstermine nicht teilnehmen könne, und bat um Durchführung der Hauptverhandlung im Februar 1999 und entsprechende Terminabsprache. Diesen Antrag lehnte der Vorsitzende der Strafkammer im wesentlichen mit der Begründung ab, "eine Terminsverlegung würde ... für den Kammerbetrieb erhebliche Schwierigkeiten bereiten, weil die Kammer ... vorübergehend nur mit der Arbeitskraft eines Berichterstatters besetzt ist". Schriftsätze des Wahlverteidigers vom 9. Dezember 1998 und 7. Januar 1999, in denen dieser erneut - im ausdrücklich erklärten Einverständnis des in Untersuchungshaft befindlichen Angeklagten - eine Terminsverlegung beantragte, blieben ebenfalls ohne Erfolg. Die Hauptverhandlung fand an den vorgesehenen Tagen lediglich im Beisein des Pflichtverteidigers statt.

Diese Verfahrensweise war rechtsfehlerhaft. Sie verletzte den Angeklagten in seinem Recht auf wirksame Verteidigung (Art. 6 Abs. 3 c MRK) und verstieß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens. Allerdings ist die Terminierung grundsätzlich Sache des Vorsitzenden und steht in dessen pflichtgemäßem Ermessen. Nicht jede Verhinderung eines gewählten Verteidigers kann zur Folge haben, daß eine Hauptverhandlung gegen den Angeklagten nicht durchgeführt werden kann (BGH NStZ 1998, 311, 312). Jedoch muß seitens des Gerichts - u.U. auch durch Absprache mit anderen Gerichten - ernsthaft versucht werden, dem Recht des Angeklagten, sich in einem Strafverfahren von einem Rechtsanwalt seines Vertrauens verteidigen zu lassen, soweit wie möglich Geltung zu verschaffen (vgl. BGH StV 1992, 53). Es ist nicht ersichtlich, daß hier ein derartiger Versuch erfolgt ist. Dazu hätte - zumal bei einer auf lediglich zwei Sitzungstage angesetzten Hauptverhandlung - schon deshalb Anlaß bestanden, weil die erbetene Terminsverschiebung zeitlich nicht erheblich ins Gewicht gefallen wäre und der Wahlverteidiger "zahlreiche Tage" im Februar als Ausweichtermin angeboten hatte. An dem Verfahrensverstoß ändert im übrigen der Umstand nichts, daß die Bestellung des Pflichtverteidigers nicht gemäß § 143 StPO aufgehoben wurde.

Der Fehler führt zur Aufhebung des Urteils, weil nicht davon ausgegangen werden kann, daß die Aufgaben des Wahlverteidigers nach dem Willen des Angeklagten vom bestellten Verteidiger, mit dem der Angeklagte in der Hauptverhandlung "kein einziges Wort" gesprochen hat, mit übernommen worden sind, und weil sich nicht ausschließen läßt, daß die Hauptverhandlung in Anwesenheit des Wahlverteidigers zu einem für den Angeklagten günstigeren Ergebnis geführt hätte (vgl. BGHSt 36, 259, 262).

Ende der Entscheidung

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