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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 08.05.2001
Aktenzeichen: 1 StR 168/01
Rechtsgebiete: StPO, StGB
Vorschriften:
StPO § 349 Abs. 2 | |
StGB § 21 | |
StGB § 49 Abs. 1 |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom
8. Mai 2001
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter Brandstiftung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Mai 2001 beschlossen:
Tenor:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 29. November 2000 im Ausspruch
a) über die Einzelstrafen in den Fällen 2, 3 und 4 der Urteilsgründe (Taten vom 28. Februar, 11. März und 21. März 2000) und
b) über die Gesamtstrafe
aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision der Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen versuchter Brandstiftung in fünf Fällen zur Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die dagegen gerichtete Revision der Angeklagten rügt die Verletzung förmlichen und sachlichen Rechts; sie hat mit der Sachbeschwerde teilweise Erfolg.
I.
Zum Schuldspruch ist das Rechtsmittel aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift angeführten Erwägungen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Ergänzend bemerkt der Senat, daß die Beweiswürdigung zum Wiedererkennen der Stimme der Angeklagten auf der Grundlage ihrer aufgezeichneten Anrufe bei der Polizei hier nicht lückenhaft ist (vgl. zum Maßstab nur BGH NStZ 1994, 295 und 597). Hinsichtlich der Wiedererkennung der Stimme der Angeklagten durch den Polizeibeamten S. stand eine sog. Spontanwiedererkennung in Rede, so daß insoweit die Durchführung eines Stimmenvergleichs nicht in Betracht kam. Zu der Stimmerkennung durch die Zeugen B. kam hier hinzu, daß die über Polizeinotruf eingegangenen Telefonate ausweislich einer Rufnummernidentifizierung in der Notrufzentrale der Polizei vom Festanschluß in der Wohnung der Angeklagten aus geführt worden waren. Unter diesen besonderen Umständen erweist es sich nicht als Mangel der Beweiswürdigung, daß die Strafkammer in den Urteilsgründen nicht ausdrücklich hervorhebt, sie sei sich mangels durchgeführten Stimmenvergleichstestes des gesteigerten Risikos einer Falschidentifizierung bewußt gewesen.
II.
Die Einzelstrafen in den Fällen 2, 3 und 4 der Urteilsgründe sowie der Ausspruch über die Gesamtstrafe können indessen aus Rechtsgründen keinen Bestand haben.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts versuchte die Angeklagte fünfmal, in einem Stallgebäude Feuer zu legen; die Feuerwehr konnte die entstandenen kleinen Brände jedoch jedesmal alsbald löschen. Die Strafkammer hat in den Fällen 1 und 5 nicht auszuschließen vermocht, daß die Steuerungsfähigkeit der Angeklagten infolge massiver alkoholbedingter Intoxikation in Verbindung mit ihrer labilen Persönlichkeitsstruktur erheblich vermindert gewesen sei. Dabei bezieht sie sich darauf, daß Zeugen die Angeklagte nach der ersten Tat als "gut angetrunken" und ihre Sprache als "lallend" bezeichnet haben; nach der letzten Tat war ihr eine Blutprobe entnommen worden, die nach Rückrechnung auf die Tatzeit eine maximale Blutalkoholkonzentration von 2,32 Promille ergab. Die Strafkammer verweist hingegen für die Fälle 2, 3 und 4 darauf, daß insoweit Feststellungen zu einer entsprechend massiven Intoxikation der Angeklagten - "insbesondere auch mangels Einlassung der Angeklagten zur Sache" - nicht getroffen werden konnten. Sie hat deshalb den Strafrahmen, dem sie die Einzelstrafen für die Fälle 1 und 5 entnommen hat, nach den §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemildert, davon aber für die Einzelstrafen zu den Fällen 2, 3 und 4 abgesehen.
2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die zugrundeliegende Beweiswürdigung des Landgerichts ist lückenhaft und läßt den Zweifelssatz außer acht. Aus dem Zusammenhang der Urteilsgründe ergeben sich Hinweise darauf, daß die Angeklagte auch in den Fällen 2, 3 und 4 in ihrer Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert gewesen sein konnte. Sie hatte nach der ersten Tat einen Suizidversuch begangen und sich in stationärer Behandlung befunden. Im Rahmen der Strafzumessungserwägungen hebt das Landgericht hervor, die Angeklagte habe im gesamten Tatzeitraum erhebliche partnerschaftliche Probleme gehabt; es erwähnt weiter "die sich verstärkende Alkoholproblematik" (UA S. 30 unten). War dem aber so, dann lag nahe, daß die Angeklagte auch in den Fällen 2, 3 und 4 erheblich vermindert schuldfähig gewesen sein konnte. Damit hätte sich das Landgericht auseinandersetzen müssen. Wollte es eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit in diesen Fällen verneinen, so hätte es dazu tragfähiger Gründe bedurft. Angesichts der vom Landgericht beschriebenen Entwicklung und der immer kürzer werdenden Abstände zwischen den einzelnen Taten verstand sich das nicht von selbst. Der bloße Hinweis, Feststellungen hierzu hätten nicht getroffen werden können, genügte deshalb hier nicht.
Sollte auch der neue Tatrichter die naheliegende Möglichkeit, daß die Angeklagte in allen Fällen erheblich vermindert steuerungsfähig war letztlich nicht überzeugungskräftig klären können, so wird er den Zweifelssatz zu beachten haben: Demzufolge wäre von der der Angeklagten günstigeren Sachverhaltsannahme auszugehen, die nach den gesamten Umständen in Betracht kommt (vgl. BGHR StPO § 261 in dubio pro reo 7).
3. Der bezeichnete Rechtsfehler führt zur Aufhebung der Einzelstrafen in den Fällen 2, 3 und 4 der Urteilsgründe sowie des Ausspruchs über die Gesamtstrafe. Auswirkungen auf die Höhe der Einzelstrafen in den Fällen 1 und 5 der Urteilsgründe schließt der Senat aus; diese können ebenso bestehen bleiben wie die dem Rechtsfolgenausspruch im übrigen zugrundeliegenden Feststellungen. Ergänzende Feststellungen sind statthaft.
Ende der Entscheidung
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