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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 10.05.2000
Aktenzeichen: 1 StR 181/00
Rechtsgebiete: StPO
Vorschriften:
StPO § 349 Abs. 4 |
Entscheidung wurde am 07.06.2000 korrigiert: Nachschlagwerk durch Nachschlagewerk ersetzt
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom
10. Mai 2000
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Mai 2000 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Tenor:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Ellwangen vom 12. Januar 2000 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in zwei Fällen zur Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und ihn im übrigen freigesprochen. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg. Die Verurteilung kann keinen Bestand haben, weil die Beweiswürdigung zur Täterschaft des Angeklagten den von Rechts wegen zu stellenden Anforderungen nicht gerecht wird und in diesem Sinne lückenhaft ist.
1. Das Landgericht hat die Aussage der geschädigten Zeugin S. , der Angeklagte habe sie im Jahr 1994 zweimal vergewaltigt, für glaubhaft erachtet, obgleich die Zeugin in der Hauptverhandlung einräumen mußte, den Angeklagten hinsichtlich eines dritten Anklagevorwurfs bewußt wahrheitswidrig der Täterschaft bezichtigt zu haben; dieser Vorwurf ging dahin, im Jahr 1998 eine gefährliche Körperverletzung zum Nachteil der Zeugin begangen zu haben (Schnitte mittels einer Rasierklinge im Gesicht). In ihrer Beweiswürdigung stellt die Strafkammer hinsichtlich des Rahmensgeschehens neben der Aussage der Geschädigten zwar auch auf weitere Zeugenaussagen ab. Die Beweisführung zur Täterschaft gerade des Angeklagten ist jedoch allein auf die Bekundungen der Zeugin S. gestützt; ein weiteres Beweismittel, das auf den Angeklagten als Täter hindeuten würde, wird in den Urteilsgründen nicht angeführt. Da der Angeklagte die Vergewaltigungen von Anfang an bestritten hat, stand somit zur Frage der Täterschaft "Aussage gegen Aussage".
2. Der Bundesgerichtshof hat in solchen Fällen, in denen "Aussage gegen Aussage" steht und sich die Unwahrheit eines Teils der Aussage des Belastungszeugen herausstellt, außerhalb der Zeugenaussage liegende Gründe von Gewicht gefordert, die es dem Tatrichter ermöglichen, dem Zeugen im übrigen dennoch zu glauben. Diese gewichtigen Gründe sind im Urteil darzulegen (BGHSt 44, 153, 158 f.). Das ist hier nicht geschehen.
3. Die Urteilsgründe lassen nicht erkennen, daß über die Angaben der Zeugin S. hinaus weitere Umstände von Gewicht gerade auf die Täterschaft des Angeklagten hingedeutet hätten. Soweit das Landgericht weitere Beweismittel verwertet, namentlich Zeugenaussagen in seine Würdigung einbezieht, ergeben sich aus diesen - jedenfalls nach den hier allein maßgeblichen Urteilsgründen - keine unmittelbaren Hinweise auf die Person gerade des Angeklagten als Täter. Weitergehender Gründe von Gewicht hätte es indessen bedurft, wenn das Landgericht der Geschädigten insoweit glauben wollte. Das gilt zumal vor dem Hintergrund weiterer Besonderheiten des Falles:
Die Zeugin hatte als Täter einen "Sascha", der A. Sch. heiße bezeichnet; der Angeklagte heißt A. R. . Zwar hatte sie bei einer Lichtbildvorlage den Angeklagten als Täter identifiziert; dem kam aber hier keine weitergehende Bedeutung zu, weil sich beide ohnehin bereits von einem Treffpunkt junger Leute kannten. Überdies meint das Landgericht, bei der bewußt wahrheitswidrigen Beschuldigung des Angeklagten im Falle 3 der Anklage durch die Zeugin habe es sich um einen "Hilfeschrei" gehandelt, mit dem diese - ihrer Aussage entsprechend - ihre Glaubwürdigkeit hinsichtlich der Vergewaltigungsfälle habe "untermauern" wollen. Diese Begründung, aber auch in der Person der Zeugin liegende Auffälligkeiten, die das Landgericht - durchaus naheliegend - als Tatfolgen wertet, hätten auch unter dem Gesichtspunkt der Glaubwürdigkeit der Zeugin näherer Erörterung bedurft.
Nach allem konnte allein auf die Aussage der Zeugin S. die Verurteilung des Angeklagten nicht gestützt werden, weil sie diesen in einem anderen Anklagepunkt bewußt wahrheitswidrig der Täterschaft bezichtigt hatte. Die Sache bedarf erneuter tatrichterlicher Würdigung.
Der neue Tatrichter wird auch zu erwägen haben, ob er sich angesichts der Besonderheit des Falles für die Prüfung der Glaubwürdigkeit der Zeugin S. sachverständiger Hilfe bedienen sollte.
Ende der Entscheidung
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