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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 23.10.2007
Aktenzeichen: 1 StR 238/07
Rechtsgebiete: StGB, StPO


Vorschriften:

StGB § 18
StGB § 222
StGB § 223 Abs. 1
StGB § 227 Abs. 1
StPO § 26a Abs. 1 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 StR 238/07

vom 23. Oktober 2007

in der Strafsache

gegen

wegen fahrlässiger Tötung u.a.

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 23. Oktober 2007, an der teilgenommen haben:

Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Nack und die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Wahl, Dr. Kolz, Hebenstreit, Dr. Graf,

Staatsanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft,

Rechtsanwalt und Hochschullehrer als Verteidiger,

Rechtsanwalt als Vertreter der Nebenkläger,

Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger wird das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 5. Dezember 2006 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen.

Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen der Nebenkläger zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Körperverletzung in Tateinheit mit fahrlässiger Tötung zu Geldstrafe verurteilt. Der Angeklagte wendet sich mit der auf Verfahrensrügen und die Sachbeschwerde gestützten Revision gegen seine Verurteilung. Die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft und die Revisionen der Nebenkläger rügen die Verletzung materiellen Rechts und begehren die Verurteilung des Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge.

Anders als das Rechtsmittel des Angeklagten haben die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger Erfolg.

I.

1. Festgestellt ist:

Der Angeklagte, ein niedergelassener Arzt, betrieb ab Anfang 1996 neben seiner Praxis eine Therapiestation zur Behandlung von Drogenabhängigen. Bis zum Januar 1999 führte er dort an 75 Patienten einen narkosegestützten Opiat- und Arzneimittelentzug (sog. "Turboentzug") durch. Am 15. Januar 1999 ab 14.30 Uhr erfolgte ein solcher "Turboentzug" auch bei dem damals 33-jährigen Patienten R. K. , der während der Behandlung verstarb.

R. K. hatte seit seiner Jugend Betäubungs- und Arzneimittelmissbrauch, insbesondere phasenweise massiven Heroinkonsum betrieben. Zwei stationäre Klinikaufenthalte mit dem Ziel eines Entzugs hatte er abgebrochen; eine weitere stationäre Therapie hatte nur vorübergehenden Erfolg. Zuletzt wurde R. K. mit Methadon substituiert; hinzu trat ein unkontrollierter Beikonsum von anderen Betäubungsmitteln.

Im Vorfeld der Behandlung übersandte der Angeklagte zweimal von ihm selbst gefertigte Merkblätter, in denen wahrheitswidrig angegeben war, "alle bisher ... durchgeführten narkosegestützten Entgiftungen ... (sind) komplikationsfrei verlaufen". Bei zwei Telefonaten fragte die Mutter des R. K. ausdrücklich, ob "bei einem Turboentzug schon einmal etwas passiert sei, insbesondere ... jemand gestorben sei"; dies verneinte der Angeklagte jeweils. Zuvor war jedoch eine andere Patientin anlässlich eines "Turboentzugs" in den Praxisräumen des Angeklagten verstorben, wobei dieser selbst die Todesbescheinigung dahingehend ausgefüllt hatte, dass nicht aufgeklärt sei, ob ein natürlicher oder ein nichtnatürlicher Tod vorliege.

R. K. stellte sich am 28. Dezember 1998 beim Angeklagten vor. Der Angeklagte äußerte, dass er Methadon nur schwer entziehen könne und deshalb bis zum vorgesehenen Termin am 11. Januar 1999 eine Umstellung auf Dihydrocodein erfolge. Weiterhin verordnete er R. K. insbesondere auch das Medikament Temgesic mit dem Wirkstoff Buprenorphin. Er hielt vor dem "Turboentzug" die sichere Einstellung des Patienten auf ein "Opiat" nicht für erforderlich. Zum vorgesehenen Termin erschien R. K. beim Angeklagten, der ihm mitteilte, dass der Termin auf den 15. Januar 1999 verschoben werden müsse, weil eine Nachtschwester erkrankt sei. Am 12. Januar 1999 unterzeichnete der Patient eine schriftliche "Erklärung zur Einwilligung in den Drogenentzug".

Am 15. Januar 1999 gegen 10.00 Uhr wurden R. K. auf Verordnung des Angeklagten zahlreiche Medikamente verabreicht, darunter Temgesic und Dihydrocodein. Um 14.30 Uhr wurde durch die Gabe zahlreicher weiterer Medikamente die Narkose eingeleitet. Nachdem zwei Mitarbeiter des Angeklagten ihren Dienst beendet hatten, war ab ca. 22.10 Uhr der Angeklagte zur Überwachung des Patienten allein in den Praxisräumen, was diesem verschwiegen worden war. Der Tubus, der dem Patienten um 18.30 Uhr gesetzt worden war, wurde um 22.00 Uhr entfernt; um 2.00 Uhr des Folgetages entfernte der Angeklagte auch den Fingersensor, mit dem die Sauerstoffsättigung des Blutes gemessen werden konnte. Jedenfalls ab diesem Zeitpunkt war die Überwachung des Patienten unzureichend; eine Überwachung der Atemfrequenz sowie der Sauerstoffsättigung des Blutes erfolgte nicht mehr.

Bei R. K. entwickelte sich in diesem Zeitraum ein hämorrhagisches Lungenödem. Er hatte vor Behandlungsbeginn zahlreiche "Giftstoffe" (Doxepin, Diazepam, Methadon, Dihydrocodein) aufgenommen, wobei insbesondere das Dihydrocodein im hochtoxischen Bereich selbst für körperlich Schwerstabhängige lag. Durch das Medikament Temgesic konnten diese "Giftstoffe" zunächst nicht zur Wirkung gelangen. Erst durch das allmähliche Nachlassen der Wirkung von dessen Wirkstoff Buprenorphin konnten die anderen "Giftstoffe" Wirkung zeigen. Daneben entwickelte sich bei R. K. eine Lungenentzündung als Folge einer Aspiration von Erbrochenem während der Narkose.

Um 4.00 Uhr bemerkte der Angeklagte die Unterversorgung des Patienten. Rettungsbemühungen blieben allerdings erfolglos; um 5.27 Uhr wurde der Tod von R. K. festgestellt. Ob das Lungenödem oder die Lungenentzündung todesursächlich war, hat das Landgericht nicht festzustellen vermocht; eine andere Todesursache hat es allerdings ausgeschlossen.

Bei adäquater Überwachung hätte die aspirationsbedingte Lungenentzündung ebenso wie das hämorrhagische Lungenödem infolge der "Opiatintoxikation" entdeckt werden können. Der Todeseintritt auf Grund der "Opiatintoxikation" wäre bei Überwachung auch sicher verhinderbar gewesen. An der Lungenentzündung wäre R. K. bei - auf eine frühzeitige Entdeckung hin erfolgter - intensiv-medizinischer Versorgung zwar möglicherweise ebenfalls verstorben, jedoch erst nach einem mehrtägigen bis mehrwöchigen Intensivaufenthalt in einer Klinik.

R. K. hätte sich nicht am 15. Januar 1999 einem "Turboentzug" unterzogen, wenn er darüber unterrichtet worden wäre, dass es bereits früher zu einem Todesfall gekommen war, dass ab 22.10 Uhr eine Überwachung allein durch den Angeklagten stattfand und dass der Angeklagte unter den Anhängern dieser Außenseitermethode eine Mindermeinung einnimmt, nämlich dahingehend, dass die vorherige sichere Einstellung auf ein "Opiat" nicht erforderlich sei. Der Angeklagte hielt es seinerseits für möglich und nahm es billigend in Kauf, dass R. K. von der Behandlung Abstand genommen hätte, wenn er dementsprechend unterrichtet gewesen wäre.

2. Die Schwurgerichtskammer hat die festgestellte Tat rechtlich wie folgt bewertet:

a) Der Tatbestand der Körperverletzung nach § 223 Abs. 1 StGB sei bereits deshalb erfüllt, weil der Angeklagte R. K. willentlich unter Narkose gesetzt und ihm den Körper erheblich belastende Medikamente verabreicht habe.

Die Einwilligung des Patienten in die konkrete Behandlung (vgl. § 228 StGB) hat die Kammer als unwirksam erachtet, da die Aufklärung durch den Angeklagten unter drei Gesichtspunkten mangelhaft gewesen sei: Er habe der Wahrheit zuwider erklärt, alle bei ihm durchgeführten narkosegestützten Entgiftungen seien komplikationsfrei verlaufen, und dabei den früheren Todesfall verschwiegen. Er habe den Irrtum erregt, es sei durchgängig eine Nachtschwester anwesend. Ferner habe er den Patienten nicht darüber aufgeklärt, dass er den "Turboentzug" nicht nach den gängigen Kriterien derjenigen durchführe, die diese Außenseitermethode betrieben. Diese Aufklärungsmängel seien auch ursächlich für die Einwilligung gewesen.

b) Der Tatbestand der fahrlässigen Tötung nach § 222 StGB sei ebenfalls verwirklicht, weil er durch unzureichende Überwachung in der Tatnacht von 2.00 Uhr bis 4.00 Uhr fahrlässig den Tod des Patienten verursacht habe.

c) Allerdings könnten die gesetzlichen Merkmale einer Körperverletzung mit Todesfolge nach § 227 Abs. 1 StGB nicht angenommen werden. Es fehle an der hierfür erforderlichen Ursächlichkeit der Körperverletzung für die Todesfolge. Weil R. K. nämlich bereits vor Behandlungsbeginn - ohne Kenntnis des Angeklagten - zahlreiche "Giftstoffe" zu sich genommen habe, sei nach dem Zweifelssatz zu dessen Gunsten davon auszugehen, dass R. K. auch dann an einem hämorrhagischen Lungenödem als Folge einer "normalen Opiatintoxikation" verstorben wäre, wenn kein "Turboentzug" durchgeführt worden wäre.

II.

Die Revision des Angeklagten bleibt erfolglos.

1. Die Verfahrensrügen dringen aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 29. Juni 2007 dargelegten Gründen nicht durch. Ergänzend bemerkt der Senat:

a) Die Rüge, zwei Befangenheitsgesuche seien zu Unrecht - als unzulässig - verworfen worden (§ 338 Nr. 3, §§ 24 ff. StPO), ist ihrerseits bereits unzulässig (vgl. § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Denn die Revision teilt das Prozessgeschehen nicht mit, das dem ersten der beiden zusammenhängenden Gesuche vorausging. Hierzu hat die in der Sache unwidersprochen gebliebene Revisionsgegenerklärung der Staatsanwaltschaft (§ 347 Abs. 1 Satz 2 StPO) unter Vorlage von dienstlichen Stellungnahmen des Vorsitzenden, des Berichterstatters und des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft vorgetragen, der Vorsitzende habe in der Hauptverhandlung vor Stellung des Gesuchs erläutert, dass der Beschluss über die Ablehnung der Beweisanträge am Tag vor seiner Verkündung lediglich entworfen worden war; die Beratung und Fassung war jedoch unter Mitwirkung aller Kammermitglieder einschließlich der Schöffen am Tag der Verkündung erfolgt.

Dieses Prozessgeschehen ist hier für die Beurteilung der Unzulässigkeit der Gesuche nach § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO ("völlige Ungeeignetheit") relevant. Denn ein solches Vorgehen kann auf keine rechtlichen Bedenken stoßen; vielmehr ist es - zumal in Fällen der Bescheidung komplexer Beweisanträge - regelmäßig sachgerecht.

b) Die Rüge, ein Beweisantrag sei rechtsfehlerhaft wegen Bedeutungslosigkeit abgelehnt worden (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO), hat der Generalbundesanwalt zu Recht als unzulässig bewertet, weil sich der - von der Revisionsbegründung als "Anlage 11" in Bezug genommene - Ablehnungsbeschluss vom 21. November 2006 nicht im Anlagenkonvolut befindet.

2. In sachlich-rechtlicher Hinsicht ebenfalls ohne Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ist sowohl die Verurteilung wegen Körperverletzung nach § 223 Abs. 1 StGB (nachfolgend a) als auch diejenige wegen fahrlässiger Tötung nach § 222 StGB (nachfolgend b):

a) Ärztliche Heileingriffe - hier das willentliche Versetzen des Patienten in Narkose und das Verabreichen den Körper erheblich belastender Medikamente durch den "Turboentzug" - erfüllen den Tatbestand der vorsätzlichen Körperverletzung und bedürfen daher grundsätzlich der Einwilligung des Patienten, um rechtmäßig zu sein. Die Einwilligung kann aber wirksam nur erteilt werden, wenn der Patient in gebotener Weise über den Eingriff, seinen Verlauf, seine Erfolgsaussichten, Risiken und mögliche Behandlungsalternativen aufgeklärt worden ist (vgl. BGHR StGB § 223 Abs. 1 Heileingriff 4; BGH, Urt. vom 5. Juli 2007 - 4 StR 549/06 - Rdn. 16).

Die Kammer hat zu Recht die Aufklärung durch den Angeklagten unter den drei im Urteil genannten Gesichtspunkten - früherer Todesfall, fehlende Nachtschwester, keine Einstellung auf nur ein "Opiat" (vgl. oben I. 2. a)) - als mangelhaft und die daraufhin erteilte Einwilligung als unwirksam erachtet.

Ebenso zutreffend hat sie das verwirklichte Risiko vom Schutzzweck der verletzten Aufklärungspflichten umfasst angesehen (UA S. 36; vgl. BGHR aaO).

Zu Unrecht meint der Beschwerdeführer, das Verschweigen des früheren Todesfalls begründe deshalb keinen relevanten Aufklärungsmangel, weil die Patientin auch "zufällig im Zusammenhang mit der Behandlung" verstorben sein könnte. Der Zweifelssatz ist hier kein tauglicher Maßstab für den Umfang der den Angeklagten treffenden Aufklärungspflicht. Diese Pflicht bestand unabhängig davon, ob die "konkrete Todesursache" abschließend geklärt ist. Die Aufklärung soll nämlich den Patienten gerade in die Lage versetzen, eine autonome Entscheidung darüber zu treffen, ob er sich dem körperlichen Eingriff unterzieht, und etwaige - auch unklare - Risiken zu beurteilen. Deswegen hat die Kammer zutreffend darauf abgestellt, dass bereits eine frühere Behandlung entgegen den Äußerungen des Angeklagten nicht komplikationsfrei verlief und die Patientin in seinen Praxisräumen verstarb, zumal er selbst die "konkrete Todesursache" als nicht geklärt ansah (UA S. 21).

Unter dem Gesichtspunkt einer von der Revision behaupteten hypothetischen Einwilligung (hierzu BGHR StGB § 223 Abs. 1 Heileingriff 2; 4; 7) ist zudem zu beachten, dass sich eine Einwilligung in einen ärztlichen Heileingriff - jedenfalls bei Fehlen einer weitergehenden Aufklärung - nur auf eine nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft ("lege artis") durchgeführte Heilbehandlung bezieht. Die Prüfung einer hypothetischen Einwilligung in den "Turboentzug" gerade am 15. Januar 1999 hat daher zu unterstellen, R. K. hätte um die unzureichende Überwachung durch den Angeklagten am Folgetag ab 2.00 Uhr gewusst (vgl. BGH, Urt. vom 5. Juli 2007 - 4 StR 549/06 - Rdn. 18 f. m.w.N.). Dann hätte er aber zumindest auf "eine weitere Verschiebung (des Termins) ... Wert gelegt" (UA S. 25).

b) Daneben hat die Kammer auch zutreffend angenommen, dass die vom Angeklagten pflichtwidrig verursachte unzulängliche Überwachung des Patienten zumindest dazu führte, dass dessen Tod - für den Angeklagten vorhersehbar - vorzeitig eintrat (hierzu Ulsenheimer, Arztstrafrecht in der Praxis 3. Aufl. Rdn. 221 ff. m.w.N.), so dass der Angeklagte auch den Tatbestand der fahrlässigen Tötung rechtswidrig und schuldhaft verwirklicht hat.

III.

Die auf die Sachbeschwerde gestützten Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger haben demgegenüber Erfolg. Im Urteil ist nicht unter allen gebotenen Gesichtspunkten erörtert, ob sich der Angeklagte wegen Körperverletzung mit Todesfolge nach § 227 Abs. 1 StGB strafbar gemacht hat.

1. Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass Grundlage dieser Prüfung allein die Körperverletzung ist, die der Angeklagte dadurch beging, dass er R. K. willentlich Medikamente verabreichte und ihn unter Narkose setzte (vgl. oben I. 2. a)). Ebenfalls rechtsfehlerfrei hat das Landgericht davon abgesehen, auch die unzureichende Überwachung als durch Unterlassen begangene vorsätzliche Körperverletzung zu bewerten. Zwar trat auch insoweit ein Körperverletzungserfolg ein, weil sich der Gesundheitszustand von R. K. während der unzureichenden Überwachung erheblich verschlechterte. Das Landgericht hat jedoch einen - zumindest bedingten - Verletzungsvorsatz nicht festgestellt. Ein solcher Vorsatz ist nach den Feststellungen auch fern liegend, insbesondere weil die Überwachung durch den Angeklagten bis 2.00 Uhr zureichend war, dieser den verschlechterten Zustand um 4.00 Uhr bemerkte und sofort geeignete, wenngleich erfolglose Rettungsbemühungen entfaltete. Vielmehr liegt es nahe, dass der Angeklagte - wenngleich pflichtwidrig - darauf vertraute, die weitere Behandlung verlaufe komplikationsfrei. Daher ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Urteil einen etwaigen Körperverletzungsvorsatz im Hinblick auf die unzureichende Überwachung nicht erörtert.

2. Auf der Grundlage der Feststellungen kann allerdings nicht abschließend beurteilt werden, ob der Angeklagte gerade mit dem Heileingriff eine zurechenbare Ursache für den Tod des R. K. setzte. Dies hätte näherer Erörterung bedurft.

Die Kammer ist im rechtlichen Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass bei fahrlässigen Erfolgsdelikten, zu denen im Sinne von § 18 StGB auch die erfolgsqualifizierten Delikte gehören, der ursächliche Zusammenhang zwischen dem pflichtwidrigen Verhalten und dem Tötungs- und Verletzungserfolg entfällt, wenn der gleiche Erfolg auch bei pflichtgemäßem Verhalten des Täters eingetreten wäre, der Erfolg also für ihn unvermeidbar gewesen wäre (vgl. BGHSt 49, 1, 4; Tröndle/Fischer, StGB 54. Aufl. vor § 13 Rdn. 18e). Wäre die Körperverletzung nicht in diesem Sinne ursächlich für den Tod von R. K. geworden, so hätte sich auch die tatbestandsspezifische Gefahr nicht darin unmittelbar niederschlagen können (vgl. BGHSt 48, 34, 37; Tröndle/Fischer aaO § 227 Rdn. 2a ff. m.w.N.).

Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist die Kammer hinsichtlich der beiden alternativ in Betracht kommenden Todesursachen zu Gunsten des Angeklagten davon ausgegangen, dass R. K. nicht an der aspirationsbedingten Lungenentzündung, sondern an dem hämorrhagischen Lungenödem verstarb. Hätte die Lungenentzündung als Folge einer Aspiration während der Narkose zum Tod des Patienten geführt, wäre die Verursachung durch den Heileingriff evident. Wird hingegen angenommen, R. K. sei an dem hämorrhagischen Lungenödem als Folge einer "Opiatintoxikation" verstorben, weil er bereits vor Behandlungsbeginn ohne Kenntnis des Angeklagten zahlreiche "Giftstoffe" zu sich genommen hatte, ist mit der Kammer grundsätzlich in Betracht zu ziehen, dass der Tod auch dann eingetreten wäre, wenn sich R. K. im Fall mangelfreier Aufklärung nicht dem Heileingriff unterzogen hätte.

Im Hinblick auf die Todesursächlichkeit einer "normalen Opiatintoxikation" hat die Kammer allerdings nicht erkennbar bedacht, dass der Heileingriff nicht nur daraus bestand, den Patienten in Narkose zu versetzen, sondern auch daraus, dass "vor und während der Narkose ... den Körper erheblich belastende Medikamente verabreicht" wurden. Der Heileingriff ist jedoch als Ganzes zu betrachten. Insbesondere die mehrtägige Gabe des mit einer hohen Rezeptoraffinität ausgestatteten Wirkstoffs Buprenorphin könnte hier geeignet gewesen sein, R. K. erst zu einem erhöhten Beikonsum von toxischen Substanzen zu veranlassen. Daneben könnte von Bedeutung sein, in welchem Umfang die zusätzliche Verabreichung von Dihydrocodein durch den Angeklagten zur letalen Dosis an "Opiaten" beitrug. Schließlich war dem Angeklagten bekannt, dass sein Patient schwerstabhängig war. Gerade deswegen hätte es abhängig von Wirkung und Risiken der Medikation und den sonstigen konkreten Umständen geboten sein können, diesen über die Wirkung der verabreichten Medikamente - insbesondere von Temgesic - zu informieren und ihn über mögliche Risiken aufzuklären. Dies gilt umso mehr, als der Angeklagte darauf verzichtete, seinen Patienten sicher auf ein "Opiat" einzustellen. Im Fall einer derartigen Aufklärung könnte R. K. naheliegenderweise auf den erhöhten Beikonsum verzichtet haben. Allgemein bestehen Zweifel, ob ein ambulanter "Turboentzug" unter diesen vom Landgericht festgestellten Bedingungen überhaupt - unabhängig von dem Überwachungsverschulden - als ein "lege artis" durchgeführter Heileingriff zu bewerten ist. Zu all dem verhält sich das Urteil nicht, obwohl eine Erörterung hier geboten gewesen wäre.

Derartige Feststellungen selbst zu treffen, ist dem Revisionsgericht verwehrt. Der Senat bemerkt allerdings, dass die Annahme eines fehlenden Zusammenhangs zwischen Körperverletzung und Todesfolge in Anbetracht der bereits getroffenen Feststellungen eher fern liegt. Auch war es insoweit weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten Sachverhaltsvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine konkreten Anhaltspunkte erbracht sind (st. Rspr., vgl. nur Senatsurt. vom 19. Dezember 2006 - 1 StR 326/06 - Rdn. 25 m.w.N.).

3. Auf dem Erörterungsmangel beruht das Urteil, weil der Angeklagte möglicherweise wegen Körperverletzung mit Todesfolge verurteilt worden wäre, wenn die Kammer bei der Prüfung des ursächlichen und gefahrspezifischen Zusammenhangs nicht erkennbar den Blick auf das In-Narkose-Versetzen verengt hätte.

Ende der Entscheidung

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