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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 16.01.2006
Aktenzeichen: 1 StR 273/05
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

-
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

1 StR 273/05

vom 16. Januar 2006

in der Strafsache

gegen

wegen schweren Raubes u. a.

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. Januar 2006 beschlossen:

Tenor:

Es wird festgestellt, dass die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mosbach vom 3. März 2005 rechtswirksam zurückgenommen ist.

Gründe:

Der Angeklagte wurde am 3. März 2005 wegen mehrerer Fälle schweren Raubs und schwerer räuberischer Erpressung zu zwölf Jahren Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Nachdem er hiergegen - verspätet - Revision eingelegt hatte, hat ihm der Senat am 30. Juni 2005 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Während der so eröffneten Frist zur Revisionsbegründung fand am 25. Juli 2005 gegen den Angeklagten eine weitere Hauptverhandlung - ebenfalls wegen schweren Raubes - vor dem Landgericht Mosbach statt. In deren Verlauf erklärte der Angeklagte im Rahmen einer verfahrensbeendenden Absprache in Übereinstimmung mit seinem Verteidiger die Rücknahme der Revision gegen das Urteil vom 3. März 2005 zu Protokoll. Der Angeklagte wurde wegen schweren Raubs unter Einbeziehung der Strafen aus dem Urteil vom 3. März 2005 zu einer nachträglichen Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dieses Urteil wurde noch am selben Tag - der Angeklagte war zuvor qualifiziert belehrt worden - durch allseitigen Rechtsmittelverzicht rechtskräftig.

In der Hauptverhandlung vom 25. Juli 2005 wurde der Angeklagte von Rechtsanwalt D. verteidigt. Mit der Durchführung der Revision gegen das Urteil vom 3. März 2005 hatte der Angeklagte dagegen Rechtsanwältin Dr. S. beauftragt.

Von der Rücknahme der Revision unterrichtet, schrieb sie dem Angeklagten am 8. August 2005 u. a.:

"Ich bin mir nahezu sicher, ... Ihnen wurde ein Deal angeboten, der - natürlich unprotokolliert - beinhaltete, dass Sie Ihre Revision in der ersten Sache zurücknehmen, um in der zweiten Sache eine moderate Strafe zu bekommen. War es so ? Eine solche Verknüpfung zweier Sachen wäre absolut unzulässig, womöglich wäre Ihre Revisionsrücknahme sogar unwirksam, wenn Ihnen gesagt worden ist, dass Sie sonst mit einer hohen Strafe zu rechnen hätten. Wenn dem so ist und wenn Sie das Gefühl haben, dass das Mosbacher Landgericht Sie und/oder Ihren Verteidiger über den Tisch gezogen, massiv unter Druck gesetzt oder gar bedroht hat, dann ... schreiben Sie mir das doch bitte. Ich weiß, was in Mosbach läuft und ich befürchte, Ihre Revisionsrücknahme war nicht ganz freiwillig ...".

Dieses Schreiben hat Rechtsanwältin Dr. S. am 4. September 2005 dem Senat vorgelegt, da sich hieraus ergebe, dass sie dem Angeklagten "keineswegs einen geeigneten Sachverhalt in den Mund gelegt habe", während sie dieses Schreiben in ihrem Schriftsatz an den Senat vom 10. September 2005 dann dahin wertet, dass es "durchaus suggestive Züge aufweist".

Jedenfalls schrieb der Angeklagte am 29. August 2005 an Rechtsanwältin Dr. S. - auch dieses Schreiben wurde dem Senat von ihr vorgelegt - u. a. folgendes:

Ihm sei gesagt worden, wenn er die Revision nicht zurückziehe, dann würde er zu zusätzlichen weiteren 8 Jahren verurteilt. So sei es dazu gekommen, dass er die Revision zurückgezogen habe.

Natürlich hätte er Angst gehabt, dass er im Endeffekt 20 Jahre verbüßen müsse. Auch sein Anwalt habe ihm geraten, die Revision zurückzuziehen.

Weiterhin habe der Anwalt gesagt, dass die Revision zu 99 % verworfen würde und es keinen Sinn habe.

Dies alles sei ihm wie eine Androhung des Gerichts und seines Anwalts vorgekommen.

Hierauf gestützt, trägt Rechtsanwältin Dr. S. (Schriftsatz vom 10. September 2005) vor, dem "Angeklagten sei gesagt worden, dass er ohne Revisionsrücknahme eine Freiheitsstrafe von 8 Jahren bekommen würde ... . Soweit der Pflichtverteidiger Herrn B. im Dunkeln über die Gesamtstrafenbildung ließ (8 Jahre und 12 Jahre macht eben keine 20 Jahre) und die Revision für aussichtslos erklärte, ist das dem Gericht nicht zuzurechnen.

Der vom Gericht auf Herrn B. in der Hauptverhandlung ausgeübte Druck war aber so massiv, dass die Revisionsrücknahmeerklärung als unwirksam anzusehen ist ...".

Der Senat hat darauf dienstliche Äußerungen der an der Verhandlung vom 25. Juli 2005 beteiligten Richter und des Staatsanwalts sowie eine Stellungnahme des Verteidigers Rechtsanwalt D. eingeholt. Sie weisen übereinstimmend die Behauptungen von Rechtsanwältin Dr. S. - mit zum Teil sehr deutlichen Worten wie "falsch" (Richter am Landgericht H. , der am 25. Juli 2005 den Vorsitz führte); "entspricht nicht den Tatsachen" (Staatsanwältin W. ); "... verwahre mich ... . Die Unterstellung ... ist schlichtweg absurd" (Rechtsanwalt D. ) - zurück. Die sehr ausführlichen Stellungnahmen, auf die der Senat Bezug nimmt, enthalten keine Anhaltspunkte für die Möglichkeit einer Drohung, Täuschung oder sonstigen unzulässigen Willensbeeinflussung.

Hierzu angehört, hat Rechtsanwältin Dr. S. erklärt (Schriftsatz vom 3. Januar 2006), "es scheine so, als sei ... doch alles mit rechten Dingen zugegangen". Tatsächlich sei dies aber nicht der Fall. Der Angeklagte sei, wie näher dargelegt wird, nicht darüber beraten worden, dass auf jeden Fall eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung hätte erfolgen müssen, wenn das erste Urteil erst nach dem zweiten Urteil rechtskräftig geworden wäre. Auch habe es an einer sachgerechten Beratung über die Aussichten der Revision gegen das erste Urteil gefehlt. Es dürfe davon ausgegangen werden, dass er ohne Revisionsrücknahme zwanzig Jahre Gesamtfreiheitsstrafe befürchtet hätte.

Der Senat teilt diese Auffassung schon in tatsächlicher Hinsicht nicht.

Der Angeklagte, so Rechtsanwalt D. , "wollte", dass "die Belastung der dauernden Strafverfahren ein Ende finden konnte". Im Übrigen hat Rechtsanwalt D. ausweislich seiner Erklärung dem Angeklagten erläutert, dass selbst dann, wenn die Revision Erfolg hätte und er am Ende zu einer wesentlich geringeren Strafe verurteilt werden sollte, er im Hinblick auf die zweite - am 25. Juli 2005 verhandelte - Sache insgesamt mit einer Gesamtfreiheitsstrafe rechnen müsse, die "wiederum im Bereich von 12 Jahren liegen" könne.

Hieraus folgt, dass der Angeklagte bei seinen Entscheidungen umfassend und sachgerecht beraten war. Der Senat sieht die in Beantwortung der geschilderten Befragung durch Rechtsanwältin Dr. S. abgegebenen Erklärungen des Angeklagten als widerlegt an. Die Revision gegen das Urteil vom 3. März 2005 ist rechtswirksam zurückgenommen. Dies schließt eine Entscheidung in der Sache über die von Rechtsanwältin Dr. S. eingelegte und mit Schriftsatz vom 3. August 2005 form- und fristgerecht begründete Revision gegen dieses Urteil aus.

Ende der Entscheidung

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